Wiener Galerien: Kunst oder Leben!

(c) REUTERS (MANSI THAPLIYAL)
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Das heurige Motto des städtisch geförderten Kuratoren- Showdowns »curated by« bringt alles und nichts auf den Punkt, dafür mit hoher Qualität: vom Gesamtwerkskünstler bis zu »Django« Rupf.

Waren die Stände der Wiener Galerien auf der „Viennafair“ eher vorsichtig mit gemischter Ware bestückt, sozusagen die „Pflicht“, hob man sich die „Kür“ für das parallel anlaufende Kuratorenprogramm „curated by“ in den Stammräumlichkeiten auf. Ein von Messeseite wohl zu hinterfragendes Konzept. Für das Publikum besser, weil langfristig zu besichtigen. Denn auch heuer sind wieder sichtlich viel Energie und Hirn in das mittlerweile schon traditionelle, von der Förderagentur der Stadt, Departure, finanziell unterstützte Programm geflossen: Ausgegebenes Thema war diesmal „Kunst oder Leben. Ästhetik und Biopolitik“. Dazu luden sich 22 ausgesuchte Galerien internationale Kuratoren ein, das heißt 22 Themenausstellungen mit Dutzenden Künstlern, die sonst nicht so präsent sind in Wien. Ryan Gander zum Beispiel, der gleich doppelt gebucht wurde.

Womit wir schon mitten in einer der besten Stationen wären, Stopp Eschenbachgasse, Galerie Martin Janda. Dort hat es Thomas Trummer, einst Zeitgenossenkurator im Belvedere und Neoleiter der Kunsthalle Mainz, dem Galeristen nicht gerade leicht gemacht. Allein der tonnenschwere Betonblock von Lara Favaretto (die den Sperrmüllhaufen auf der Documenta 13 zur Skulptur werden ließ)! In das noch zähflüssige Material muss sie von oben hineingegriffen und es umarmt haben, man sieht nur mehr die beiden Armlöcher. Daneben eine kleine museale Skulpturenauswahl einer polnischen Grande Dame der Moderne, Alina Szapocznikow, die unglaubliche drei KZs überlebte, dann nach Paris, nach Warschau zurück, wieder nach Paris ging und dann auch noch an Krebs starb. Unglaublich extrem und spannend, Person wie Werk.

Eine prekäre Brücke in die Vergangenheit schlägt nebenan bei Krobath der junge Tscheche Dominik Lang, Vertreter seiner Heimat bei der vorigen Biennale Venedig. Er zeigt eine Installation mit Fragmenten der spätmodernistischen Skulpturen seines früh verstorbenen Vaters, alles Liebespaare, die er an einer Art geschwungenem Raumparavent mit Metallstangen aufspießt, verbindet, exponiert.

Tonnen an Carrara-Marmor. Kunst oder Leben – diese Frage stellt sich seit der Moderne für viele Künstler einfach nicht mehr, weder für die junge Extrem-Performerin Roberta Lima (Charim), noch den Queer-Klassiker Jürgen Klauke (Galerie Thoman), weder für Lawrence Weiner bei Hubert Winter („Ein Ausdruck hat nur im Strome des Lebens Bedeutung“) noch für Jan Fabre, der ebenfalls die Belastbarkeit seiner Galeristen (Mauroner) testet – mit tonnenschweren Brocken, in seinem Fall aus Carrara-Marmor.

Das Kunst/Leben-Thema bietet jedenfalls endlose Möglichkeiten – bei Krinzinger etwa dekliniert der indische Gegenwartsstar Sudarshan Shetty mit großer Geste die existenziellen Bedeutungen von Reis und Wasser durch und endet bei einer Installation aus 13 alten Türen, symbolisierend die hinduistischen 13 Schritte, die eine Seele beim Tod des Körpers zu bewältigen hat. Bei Steinek findet man eine aufwendige Einzelausstellung des amerikanischen Künstleraktivisten Mel Chin, die Stoff für mindestens drei weitere beinhaltet – von einem Trickfilm, der die Amerikaner an ein anderes 9/11 erinnert, nämlich 1973, als am 11.September mit ihrer Hilfe in Chile gegen Präsident Salvador Allende geputscht wurde.

Politisch legte es auch Marius Babias an, der in der Galerie König große Linolschnitte von Thomas Kilpper zeigt: Der Deutsche schnitzt seine Motive in die Linoleumböden historisch aufgeladener Orte wie dem DDR-Ministerium für Staatssicherheit, und druckt diese Porträts von Persönlichkeiten wie Berlusconi oder Ulrike Meinhof dann auf Papier ab. Meist präsentiert er diese Blätter ebenfalls am Boden liegend, man soll über sie sogar gehen wie bei der Venedig-Biennale 2011, doch Christine König weigerte sich ausnahmsweise – über ein Porträt von Sigmund Freud geht bei ihr niemand hinweg, „das taten wir schon einmal“. Also hing Thomas Kilpper jetzt an der Wand. Gut so.

Einen überraschenden Zugang zum Kunst/Leben-Thema hat sich der englische Kurator Adam Carr für seine Ausstellung „Detective“ bei Galerist Andreas Huber ausgedacht: Er stellt die Kunst nämlich erst einmal unter Generalverdacht und ließ die einzelnen Werke von einem Kriminalisten beschreiben. Nicht irgendeinem, sondern dem Wiener Faktotum Alfred „Django“ Rupf, einst Kripo-Leiter auf dem Flughafen Schwechat. Seinen Assoziationen zu aufgetrennten Strickmützen von Alex O. oder den Glasscherben von Wilfredo Pieto zu folgen bringt die Kunst im Leben vieler an, es macht einfach Spaß.

Bis 25.10., www.curatedby.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.09.2012)

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