Dem Kritzler alles Gute und ein kräftiges Dada!

Kritzler alles Gute kraeftiges
Kritzler alles Gute kraeftiges(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Hans Staudacher feiert heute seinen 90. Geburtstag. So wortwitzig und fröhlich, wie der Kärntner Maler sich immer gegeben hat. Eine menschliche Ausnahmeerscheinung, nicht nur in seiner Generation.

Drei Bussis bekommt man von Hans Staudacher zur Begrüßung – links, rechts, links. „Das hab' ich in Paris gelernt“, stimmt er an. „Seien Sie froh, dass ich damals nicht nach Russland gegangen bin!“ Der erste kleine Schelmenstreich. Und die nächsten folgen sogleich. Hans Staudacher ist eine Art Kunstwunder. 90 Jahre alt und so quietschfidel, dass man fast misstrauisch werden könnte. Welche Drogen nimmt er, bitte? Nur ein winzig kleines Gläschen Schnaps (es ist schon Nachmittag in der Wiener Galerie Hilger) und ein paar Züge von der Virginia. Der „schnelle Hansi“, wie sein alter Spezi, der Wiener Bürgermeister ihn nennt, ist einfach so. Fröhlich. „Er war schon immer der Kasperl unter den Malern“, sagen die, die ihn schon lange kennen. „Eine Ausnahmeerscheinung.“

Was Politikern natürlich sehr entgegenkommt, auch Häupl, der bei der überlaufenen Eröffnung der Hilgerschen Geburtstagsausstellung dem „Hansi“ den Goldenen Rathausmann überreichte. Ist er selbst auch „ein Roter“? „Nein, ich bin alle Farben. Ich hab' als Stecktücherl immer Servietten in Schwarz und Rot einstecken, die hol' ich heraus, je nachdem, mit wem ich grad red'“, sagt er. „Sie nehmen mich eh nicht ganz so ernst, ja?“ Auf dem Bild, das ihm gegenüber hängt, ist die blaue Farbe über die Leinwand geronnen. „Da muss es geregnet haben“, sagt er plötzlich, Staudacher ist ein bisserl sprunghaft, sein Gedächtnis, sagt er, war nie sehr ausgeprägt: „Stau-dadada-cher, das ist er eben, der Staudacher“, scherzt er, und spielt damit auf Leidenschaft, Dadaismus und Liebenswürdigkeit an.

Flakschütze auf dem Lazarettzug

Über seine Kunst selbst will er nicht viel reden, wollte er nie – „nehmen S' was aus dem Katalog, ich sag eh immer das Gleiche...“ Zum Beispiel: „Ich war immer schon ein Kritzler.“ Kein Staudacher-Interview kommt ohne diesen Sager aus. Der Eisenbahnersohn hat sich schon als Kind überall verewigt – im Schnee (nicht mit der Hand!), auf Karton, auf der Schulbank. Dann kam der Krieg, er wurde eingezogen, erst zum Arbeitsdienst, dann beschützte er als Flakschütze Lazarettzüge, die aus Russland zurückkamen. Ob er je wirklich einen der angreifenden Flieger abgeschossen hat? „Das weiß ich nicht, das hat man gar nicht mehr mitbekommen“, erinnert er sich.

Er kam in französische Kriegsgefangenschaft, nach über einem Jahr wurde er entlassen, er wog nur noch 44 Kilo. Es war einer seiner glücklichsten Momente im Leben, als er wieder heimkam. Es war halb vier am Nachmittag, weiß er noch, als er in Villach aus dem Zug stieg, zur Tür hineinlief und die Mutter umarmte. Weihnachten 1945 war das. Nach dem Krieg wurde Staudacher tatsächlich malender Bademeister in Villach. Ein Autodidakt also wie aus dem Bilderbuch. Bei Arnold Clementschitsch war er als „Schüler“ registriert, aber nur, „damit ich zu Ölfarbe komme, sonst hat man ja damals keine kaufen können“. 1950 übersiedelte er nach Wien, arbeitete zum Geldverdienen als Teppichreiniger, wurde Mitglied der Secession. Dass er Oskar Kokoschka gekannt hat, nimmt man an, aber er kannte auch dessen Bruder – „seine Zeichnungen haben wir hinterm Rücken vom Oskar in der Secession ausgestellt. Der Kokoschka wollte nicht, dass es einen zweiten Kokoschka gibt.“ 1956, da war er 33, stellte Staudacher bei der Biennale Venedig aus, Josef Hoffmann hatte ihn noch ausgesucht; er verstarb im selben Jahr.

Wer heuer bei der Biennale ausstellt? Weiß er nicht. Junge Künstler interessieren ihn weniger, er meint, es gäbe heute nichts Neues mehr außer der Fotografie vielleicht. Und Videokunst. „Da schau' ich mir lieber einen Film vom Chaplin an.“ Die Ignoranz unterscheidet ihn jedenfalls nicht von vielen Künstlern seiner Generation. Die Stiegen zur Secession gehe er nur noch hinauf, wenn ihn ein Filmteam darum bitte. Dabei hat er hier viele Künstlerfeste ausgestattet. Ausgestellt natürlich. Seine Frau Uschi kennengelernt. Zwei Kinder hat er, der Sohn starb mit Mitte 40 überraschend, es war schrecklich, erzählt er. Die Tochter habe Hund, Mann und drei Kinder.

Der Auftrag von der Kirche kam nie

Er selbst war das älteste Kind von fünfen, die erstgeborene Schwester starb noch im Kindbett, „sie hatte ,die Freisen‘, wie man damals sagte“, erzählt er. „Die hab' ich auch, wie man an den Bildern sieht, hab ich meiner Mutter immer gesagt“. Manchen Schmäh sollte man besser auslassen. Aber Staudacher scheint nun einmal wenig auszulassen: Krieg, Bademeister, ein paar Jahre Paris, Biennale Venedig, finanzieller Erfolg. Was wünscht er sich noch?

„Wunschlos glücklich“ sei er. Nur hinfallen will er nicht mehr, wie vor ein paar Wochen. „Jetzt kann ich mit der rechten Hand nicht mehr malen, müsste wieder anfangen wie als Bub.“ Für die Kirche hätte er gern einmal gearbeitet, obwohl er weder katholisch noch gläubig ist, als Baby habe er zum evangelischen Glauben „überstrampeln“ müssen, „übertreten“ hätte er ja noch nicht können, scherzt er (die Mutter war katholisch, der Vater evangelisch). Statt einer Kirche hat er dann das Casino Graz mit Glasfenstern ausgestattet, „fängt wenigstens beides mit K an“. Plötzlich nähert sich die Flamme seines Feuerzeugs gefährlich den Augen des Gegenübers – „Meinl-Braun, oder?“ Wie bitte? „Na Julius-Meinl-braune Augen!“ Eigentlich grün. „Schön jedenfalls.“ Danke.

Auf einen Blick

Hans Staudacher wurde am 14. Jänner 1923 in St. Urban am Ossiachersee geboren. Er wurde als Autodidakt einer der erfolgreichsten österreichischen Maler seiner Generation. Er malt abstrakt, gestisch, oft flicht er Worte ein – „lyrische Abstraktion“ sagt man dazu. 1956 vertrat er Österreich bei der Biennale Venedig. Seine Ehrungen sind ungezählt, vorige Woche bekam er den Goldenen Rathausmann.

Ausstellungen zu seinem 90. Geburtstag machen mehrere Galerien: Ernst Hilger, „90 Jahre gegen den Strom“, Dorotheerg. 5, bis 22.Februar. Galerie Gerersdorfer, „HERZlichst zum 90. Geburtstag“, 24. Jänner bis 2. März, Währinger Straße 12.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.01.2013)

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