Abenteuerspielplatz Konzeptkunst: Clever!

Abenteuerspielplatz Konzeptkunst Clever
Abenteuerspielplatz Konzeptkunst Clever(c) Generali Foundation
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Die "Generali Foundation" ist nicht jedermanns Sache, sondern das Bollwerk der Konzeptkunst in Wien. Zu ihrem 25.Geburtstag zeigt sie, dass "schwierige" Kunst durchaus auch Spaß machen kann.

In Tagen, an denen ein ganzes Land über die Qualität seiner zukünftigen Bewaffnung nachdenkt, eröffnet der Spruch von Joseph Beuys, den jemand mit Buntstift auf die Eingangswand der „Generali Foundation“ gekritzelt hat, eine ganz neue Dimension: „Ich glaube, dass Kunst die einzige politische Macht, die einzige revolutionäre Macht, die einzige evolutionäre Macht, die einzige ist, die die Menschheit von aller Unterdrückung zu befreien vermag. Ich sage nicht, dass die Kunst das schon geschafft hat, ganz im Gegenteil. Und weil sie es noch nicht geschafft hat, gilt es, sie zu einer Waffe zu machen – vorerst geht es um den Grad der Radikalität, dann kann man über Einzelheiten sprechen.“

So gesehen wäre ein Berufskunstheer doch zumindest einmal anzudenken. Als Hauptquartier böte sich der Betonkubus der „Generali Foundation“ an, für viele schon jetzt ein bedrohlicher Bunker der Kunst-Insiderei. Wer sich hierherwagt, darf sich vor Pressspanplatten, schwarz-weißen Videos und verschwurbelten Texten nicht fürchten – er befindet sich im Herzen der Macht der Konzeptkunst. Dieses Image ist so fatal wie radikal und wurde in den vergangenen Jahren hart erarbeitet. Was zumindest international für einen blendenden Ruf sorgte, der Gründungsdirektorin Sabine Breitwieser 2010 einen Ruf als Kuratorin ins MoMA New York bescherte. 2013 kehrt sie wieder, übernimmt das Museum der Moderne in Salzburg, worauf man wohl gespannt sein darf.

„Amazing! Clever! Linguistic!“

In Wien hält seither Sabine Folie, zuvor Kuratorin der Wiener Kunsthalle, die Stellung der strengen Generali-Foundation-Direktrice. Was sie bisher unaufgeregt bewältigte. Mit der ersten Ausstellung in diesem Jubiläumsjahr ist ihr aber ein Coup gelungen. Fast könnte man die vom Pariser Kritiker und Kurator Guillaume Désanges zusammengestellte Schau als eine Art Gesprächsangebot an eine breitere Öffentlichkeit deuten, wieder einen Fuß auf das sperrige Terrain zu setzen. Was man immer wieder wagen sollte, diesmal aber macht es richtig Spaß.

Der Beuys-Spruch mit der Kunst als Waffe ist nur der Anfang eines bunten, assoziativen Gewitters der coolsten Sprüche aus der jüngeren Kunst- und Geistesgeschichte, die sich wie von Volksschulkindern abgeschrieben über die Wände ziehen. Darunter läuft wie ein Filmstreifen ein breites schwarzes Band, auf dem die einzelnen Werke, die Désanges sich aus der Generali-Sammlung ausgesucht hat, ablaufen. In acht Kapitel hat er sein „Abenteuer Konzeptkunst“, so der Untertitel, aufgeteilt – und es ist tatsächlich „amazing!“, „clever!“ und meinetwegen auch „linguistic!“, wie der Übertitel ironisch schreit. Unter „Lovely Layout“ findet man so etwa geometrische Zeichnungen von Dan Graham auf kariertem Papier aus den Sechzigerjahren, als die Konzeptkunst sich formiert, sich also die Idee vom handwerklich ausgeführten „Original“ zu emanzipieren begonnen hat. Und die Kunst auch begonnen hat, sich selbst und ihr Umfeld, die Museen, den Markt, die Betrachter kritisch zu befragen. „Criticism here“ heißt das dazupassende Kapitel – wir sehen, wie Gottfried Bechtold 1972 keinen Aufwand gescheut hat, um die Urform einer „Videoinstallation“ zu schaffen, die heute wie eine Karikatur wirkt – eine Kamera filmt eine weiße Leinwand, die dann auf einem Bildschirm zu sehen ist. Ernst Caramelle produzierte ebenfalls Anfang der Siebzigerjahre aufregende Realitätshybride aus Videoköpfen und „echten“ Körpern oder Wiesenvideos in „echten“ Wiesen. Und Richard Kriesche ließ seinen Assistenten auf sein Videobild schießen – der „TV-Tod“ von 1974 wurde 2000 in der Generali Foundation wiederholt. In der Organisation, die als einzige in ihrer Zeit diese Kunst gekauft – und bewahrt – hat. Damit hat sie österreichische Kunstgeschichte weitergeschrieben. Und vermittelt diese ebenso in ihrem ausgezeichneten, auch online einsehbaren Archiv.

Zum Geburtstag – einen Reader

Zum 25.Geburtstag schenkt man sich übrigens einen Relaunch der Website, einen Reader und eben drei internationale Kuratoren, die in drei Ausstellungen ihre sicher völlig unterschiedlichen Blicke auf die Sammlung werfen. Keinen Festakt. Keine lobenden Worte aus dem Konzern (bisher). Oder haben Sie etwa geglaubt, dass zum Geburtstag hier Torten mit Sprühkerzen herumgetragen werden? Gar durch die mittlerweile selbst schon historische Sichtbeton-Glas-Architektur, die Jabornegg und Palffy Mitte der 1990er-Jahre in die ehemalige Hutfabrik Habig gebeamt haben?

So gesehen ist Désanges' bewusst subjektiv und amateurhaft gehaltener Zugang, er nennt das „deskilled curating“, schon etwas unglaublich Spektakuläres hier. Allein die vom Kurator selbst gebastelten Schautafeln, die immer wieder gleichrangig zwischen der Kunst auftauchen, lernt man zu lieben: die „Halls of Fame“, auf die Konzepthelden beschworen werden, von Urvater Marcel Duchamp bis zur US-Kritikerin Rosalind Krauss. Oder das Diorama, das wie ein Kasperltheater die Kirche der Konzeptkunst vorführt, den „White Cube“, die neutrale weiße Zelle, in der die Kunst endlich die Freiheit bekam, ihr eigenes Leben zu leben. Die Secession und die „Generali Foundation“ waren und sind die Wiener Antworten darauf. Alles Gute. Und weiterhin viel Kraft.

Auf einen Blick

Die Generali Foundation wurde 1988 unter Dietrich Karner als gemeinnütziger Kunstverein der Generali Gruppe Österreich zur Förderung zeitgenössischer bildender Kunst gegründet. Heute ist sie eine der international renommiertesten Sammlungen für Konzeptkunst. Amazing-Ausstellung: bis 21.April, Di–So: 11–18h, Do: 11–21h.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2013)

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