Gottfried Helnwein: "Das Imperium geht unter"

Gottfried Helnwein Imperium geht
Gottfried Helnwein Imperium geht(c) Clemens Fabry
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Nach 28 Jahren stellt Gottfried Helnwein wieder in Wien aus, in der Albertina. "Die Presse am Sonntag" traf ihn bei einem Arbeitsbesuch. Und sprach mit ihm über Obama und Scientology.

Sie haben auf Facebook Ihren Fans ein neues Jahr mit einem erschreckenden Selbstporträt gewünscht: pechschwarz, den Kopf bandagiert, schreiend. Wird es so schlimm?

Gottfried Helnwein: Soweit ich sehen kann, geht die Weltlage direkt abwärts. Wenn man in L. A. in Amerika lebt, dem äußersten Vorposten unserer Zivilisation, bekommt man direkt mit, wie dieses westliche Imperium zusammenbricht. Das ist der zweite Fall Roms.

Und was kommt danach?

Erst Chaos. Dann werden wir immer mehr von unserer Freiheit verlieren. Es ist doch unglaublich, wie die Gewalt in Amerika verherrlicht wird. Es wird ständig gekillt. Und da wundert man sich, wenn Kinder in die Schule gehen und dort alle abknallen. In den Kriegen, die Amerika seit dem Zweiten Weltkrieg geführt hat, sind 25 bis 30 Millionen getötet worden. Amerika ist seit 60 Jahren in einem permanenten Kriegszustand.

Für sein Eingreifen im Zweiten Weltkrieg bin ich aber doch recht dankbar.

Der Zweite Weltkrieg war der einzige Krieg, der eine Legitimation hatte. Außerdem hat Hitler Amerika den Krieg erklärt. Dadurch ist Amerika aber auf Kriegswirtschaft umgeschaltet worden. Es wurde eine einzige große War-Industry, der Military Industrial Complex. Davor hat schon Eisenhower gewarnt. Man hätte danach zurückschalten müssen. So aber regiert dieser Komplex heute das Land. Kennedy war der letzte Politiker, der versucht hat, das umzudrehen, auch sein Bruder. Danach gab es nur noch Marionetten. Und Obama ist die allerletzte. Ich weiß, er ist sehr beliebt in Europa, weil er schwarz ist und so sanft redet. Aber dieser Friedensnobelpreisträger führt eine Drohnen-Todesliste.

Todeslisten gab es in den USA schon früher.

Auf Geheimdienstebene. Aber jetzt wird die Todesliste offiziell im Weißen Haus geführt. Das muss man sich vorstellen: Da sitzen Leute mit Hamburgern und Cola, überall Screens, wie es die Filme vorgegeben haben, und fahren mit dem Joystick herum, zoomen eine Familie in Pakistan heran, die gerade auf dem Hausdach isst – und bumm, nur noch ein Krater. Die Presse schweigt. Auch im Ausland. So hat etwa auch niemand über den „National Defense Authorization Act“ berichtet, den Obama unterschrieben hat. Dieser besagt, dass jeder in den USA nur auf Verdacht hin verhaftet und ohne ein Gerichtsverfahren für immer festgehalten werden kann. Das ist Fakt, keine Verschwörungstheorie. Das erinnert mich an unsere eigene unglückselige jüngere Geschichte. Auch da wollte niemand etwas wissen.

Die Situation zu durchschauen war damals allerdings einfacher.

Das ist richtig. Aber wenn man berichtete, was wirklich vorgeht, würde es unser Weltbild in den Grundfesten erschüttern. Das nennt man dann lieber „Verschwörungstheorie“.

Das erinnert an den Woody-Allen-Spruch „Nur weil man Paranoia hat, heißt das noch lange nicht, dass sie nicht trotzdem hinter dir her sind.“ Trotzdem leben Sie in den USA.

Amerika hat immer noch viele Qualitäten. Ich liebe dieses Land, dem ich viel verdanke, und ich habe meine Familie und viele Freunde da.

Und die Qualität Irlands, wo Sie auch einen Wohnsitz haben, waren die Steuervorteile?

Die Steuervorteile hat die EU schon lange gekippt. Ich bin der einzige Österreicher, der immer noch dort ist.

Mitterer und Ransmayr?

Alle schon weg.

Aber Sie kommen deswegen nicht zurück?

Nur mit der Ausstellung in der Albertina. Es ist die erste in Wien seit 1985, die ebenfalls in der Albertina war. Das war damals das Ende meines ersten Lebensabschnitts als Künstler. Danach ging ich nach Deutschland, habe meine Arbeitsweise radikal geändert.

Werden die Reaktionen wieder so heftig?

Es war eigentlich ein großer Erfolg, die Räume waren überfüllt. Aber ich war auf dem Höhepunkt meiner Feindschaft mit dem Kunstestablishment, die Kritiker hassten mich. Es war ein würdiger Abschied.

Heutzutage erschüttert Ihr Hyperrealismus Kunstkritiker eher weniger. Dafür sind Ihre Themen aktueller denn je.

Der Kindesmissbrauch in den Heimen wird erst jetzt, mit großer Verzögerung, breit diskutiert – aber zu dem Zeitpunkt, als er stattgefunden hat, habe ich die Bilder der verletzten Kindern gemalt. Ausstellungen wurden z.T. abgesagt, man hat mich als geisteskrank bezeichnet.


Von Ihrer Kindheit weiß man, dass sie streng katholisch war. Wurden Sie missbraucht?

Nicht wirklich, aber natürlich wurde ich geschlagen. Es war das ganze Klima, das für mich so schrecklich war. Das ist mein einziges Thema. Alles, was ich gemacht habe, war ein Abwehrkampf gegen die Umwelt. Um zurückzuschlagen. In meiner Kunst steht das Kind im Mittelpunkt. Das hat in dieser Ausschließlichkeit niemand vor mir gemacht.

Auch Ihr Äußeres ist recht ausschließlich, Sie tragen immer ein Kopftuch und Totenkopfringe. Sehen Sie sich als Rockstar?

Es gefällt mir einfach. Vielleicht bin ich ja stecken geblieben, wo ich in der Jugend war. Die meisten Leute in meinem Alter sehen aus wie Kommerzialräte. Das ist auch nicht so verlockend.

Eine andere unangenehme Frage: Immer wieder wurden Sie in die Nähe von Scientology gebracht. Was ist faszinierend daran?

Dazu kann ich nur eines sagen: Ich bin tiefgläubiger, bekennender D...

Ich weiß, Sie sagen jetzt Donaldist.

Genau. Das ist meine Religion.

Aber was hat das mit Scientology zu tun?

Anfang der 1990er-Jahre haben ein paar evangelische Pfarrer in Deutschland eine Hexenjagd gegen alles unternommen, was nach Sekte ausgesehen hat. Im Zuge dieser Kampagne haben sie auch mich attackiert. Ich habe mich dagegen gewehrt und beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eine Verfassungsklage eingereicht. Die sieben Richter des ersten Senats haben mir einstimmig recht gegeben. Damit war das Thema für mich erledigt. Seitdem äußere ich mich nicht mehr dazu.

Es käme einem bei Ihnen nicht so abwegig vor, bewegen Sie sich doch in der Nähe von Hollywoodstars.

Ich kenne Sean Penn, Arnold Schwarzenegger, Lou Reed, Marilyn Manson – die haben alle nichts damit zu tun. Tom Cruise habe ich noch nie in meinem Leben getroffen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.02.2013)

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