Hundertwassers verschollenes Millionenerbe

Hundertwassers verschollenes Millionenerbe
Hundertwassers verschollenes MillionenerbeAP
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Als der Meister im Jahr 2000 starb, hinterließ er seiner Tochter nichts außer Schulden. Angeblich. Heute legen Dokumente nahe, dass Hundertwassers Vertraute der damals 18-Jährigen nicht die ganze Wahrheit sagten.

Friedensreich Hundertwasser starb am 19. Februar 2000 an Bord des Luxus-Kreuzfahrtschiffes Queen Elizabeth 2. 1928 in Wien als Friedrich Ernst Josef Stowasser zur Welt gekommen, war er einer der prominentesten und kommerziell erfolgreichsten Künstler Österreichs.

Allein: Von all dem soll – zumindest finanziell – nichts geblieben sein. So berichteten es im Laufe der 2000er-Jahre zahlreiche Magazine und der ORF. So erzählte es der Vorstand der Hundertwasser-Stiftung auch der einzigen Hinterbliebenen, einer unehelichen Tochter. Der Jahrhundertkünstler, so hieß es zu Beginn des neuen Jahrtausends, habe mit seinem aufwendigen Lebensstil all die vorher verdienten Millionen bis auf den letzten Cent durchgebracht.

13 Jahre nach seinem Tod wackelt diese Theorie. Recherchen zeigen Widersprüche auf, legen den Verdacht nahe, dass Hundertwasser zum Zeitpunkt seines Todes zwar nicht über ein üppig gefülltes Bankkonto, aber über eine ganze Reihe anderer und zum Teil erheblicher Vermögenswerte verfügt haben könnte. Vermögenswerte, die dann seiner Tochter im Verlassenschaftsverfahren um den Pflichtteil verschwiegen worden wären. „Wären“ deshalb, weil die Verantwortlichen, die Hundertwasser Privatstiftung und ihr Vorstand, Hundertwassers ehemaliger Manager und Vertrauter Joram Harel, jedwede Schädigungsabsicht bestreiten. Trotz Hinweisen auf das Gegenteil.

Der mögliche Schaden ist enorm. Anstatt angeblicher Schulden geht es um Nutzungsrechte für Hundertwasser-Kunst in nicht abschätzbarem Ausmaß, es geht um Grundstücke in Venedig und Neuseeland, die jeweils zweistellige Millionen-Eurobeträge wert sein könnten, und es geht um die Verwertung des inzwischen um mehrere Millionen Euro verkauften Kunsthauses in Wien, das gegenüber der damals jugendlichen Erbin als wertlos und überschuldet dargestellt wurde.

Im Zentrum der spannenden Geschichte um das Vermächtnis des weltberühmten Künstlers steht eine heute 30-jährige Frau, die einer Beziehung Hundertwassers zu einer Österreicherin entsprang. Bis zu seinem Tod verweigerte der Vater laut Freunden der Familie jeglichen Kontakt zu ihr, überwies jedoch stets pünktlich die Alimente. Nachdem der prominente Maler und Architekt an Bord des Kreuzfahrtschiffes an Herzversagen gestorben war, wagte es der damalige Teenager noch einmal: Gerade 18 Jahre alt geworden versuchte sie, wenigstens posthum in die bunte Welt des Meisters einzutauchen. Und vielleicht, so die Hoffnung, hatte ihr der berühmte Vater sogar etwas hinterlassen.

Hatte er nicht. Als Alleinerbin setzte Hundertwasser in seinem Testament nämlich die von ihm gegründete Stiftung ein. Zwar entstand diese weniger als zwei Jahre vor seinem Tod und wäre damit dem erblichen Pflichtteil (50 Prozent) für die Tochter zuzurechnen gewesen. Nur leider, so stellte es Stiftungsvorstand und Hundertwasser-Manager Joram Harel gegenüber dem Gericht und der Tochter dar, war eben diese Stiftung hoffnungslos überschuldet. Trotz der kolportierten Millionenhonorare für die Errichtung von Bauwerken wie der Therme Blumau soll er kein Geld hinterlassen haben, keine Verwertungsrechte, kein einziges Werk. Die der Tochter vorgelegte Bilanz eines weltweit die Kassen füllenden Künstlerlebens: 44.257,76 Euro für den Viertelanteil am Kunsthaus Wien, 2061,10 Euro Pensionsguthaben und 654,06 Euro für eine Liegenschaft im Waldviertel. Dem gegenüber standen die anhängige Millionenklage eines Unternehmers, eine Kredithaftung für das Kunsthaus in Höhe von 1,5 Mio. Euro und eine Zahnarztrechnung (12.206,13 Euro).

Schlechtes Geschäft

Harel bot der jungen Frau damals 140.000 Euro und ein Bild ihres Vaters aus seinem Privatbesitz an. Aus Respekt vor der Tochter seines Freundes, die gerade den Vater verloren hatte, der sie ihr ganzes Leben lang ignoriert hatte. So soll er es zumindest ihr gegenüber dargestellt haben. Im Gegenzug musste die Tochter auf ihre Pflichtteil-Ansprüche verzichten. Sie willigte ein.

Aus heutiger Sicht wohl ein Fehler. Recherchen im historischen Grundbuch zeigen, dass das angeblich unverkäufliche Kunsthaus Wien, das seinerzeit mit dem Einheitswert bewertet worden war, im Jahr 2010 um satte 4,3 Mio. Euro an die Sans Souci Invest ging. Hundertwassers Viertelanteil war also nicht 44.257,76, sondern über eine Mio. Euro wert.



Mit der Kredithaftung in Höhe von 1,5 Mio. Euro verhielt es sich ähnlich. Tatsächlich bürgten Hundertwasser und Harel nämlich solidarisch für die Summe, was bedeutet, dass die angeblichen Verbindlichkeiten, sofern sie zum Zeitpunkt des Erbes noch nicht abbezahlt waren, tatsächlich nur 750.000 Euro betrugen.

Luxusimmobilien

Das wahre Vermögen Hundertwassers lag jedoch anderswo. Zum Beispiel in Grundstücken. Dass der Künstler in Neuseeland einen Landstrich besaß, auf dem er sich auch begraben ließ, war zu Lebzeiten bekannt. Nach der Auskunft eines Beteiligten am damaligen Pflichtteil-Verfahren wurde dieses mit folgender Begründung nicht berücksichtigt: Hundertwasser, das behauptete die Stiftung gegenüber der Erbin, sei neuseeländischer Staatsbürger und sein Besitz im Ausland daher für das österreichische Verlassenschaftsverfahren nicht relevant. Eine Anfrage bei den Meldebehörden heute ergibt das Gegenteil: Die österreichische Staatsbürgerschaft des Verstorbenen ist nie erloschen.

„Die Presse am Sonntag" hat die Tochter des Künstlers in Österreich aufgespürt. Nach außen verbirgt sie ihre Abstammung. Sie arbeitet unter dem Familiennamen ihrer Mutter im wissenschaftlichen Bereich und möchte öffentlich unerkannt bleiben. Nachdem sie sich ihre Pflichtteilsansprüche am vermeintlichen Schuldenberg seinerzeit hatte abkaufen lassen, bereiste sie die Welt auf den Spuren ihres Vaters, traf Freunde und Bekannte von ihm, und erfuhr dabei Erstaunliches. Unter anderem die Tatsache, dass der angeblich nahezu wertlose Dschungel (120.000 Euro) am anderen Ende der Welt (Neuseeland) in Wahrheit ein 370 Hektar großes Strand- und Naturparadies in der Bay of Islands ist. Wert? Schwer zu beziffern. Nur zum Vergleich: Ein mit 61 Hektar deutlich kleineres Grundstück mit Landhaus wird in der Region derzeit für umgerechnet drei Mio. Euro verkauft.

Doch Hundertwasser besaß außerhalb Österreichs noch mehr. Auf der Inselgruppe Giudecca in Venedig steht ein Palazzo mit Fernblick auf den Dogenpalast. Sozusagen im Hinterhof befindet sich ein Park. Das Gelände umfasst fast 18.000 Quadratmeter und ist eine Immobilie für Superreiche. Bereits für deutlich kleinere Objekte werden in Venedig seit Jahren Spitzenpreise erzielt. Derzeit in der Nachbarschaft im Angebot eines Luxusmaklers: Eine viel kleinere Immobilie (1500 Quadratmeter) mit Villa für 7,5 Mio. Euro. Der Palazzo mit Park an der Adresse Fondamenta della Croce gehörte zu Lebzeiten Hundertwassers einer Grüner Janura AG aus der Schweiz. Ihr Alleineigentümer: Friedensreich Hundertwasser.

Die Schweiz-Connection

So steht es in einem Bericht des vom Gericht bestellten Stiftungsprüfers der Hundertwasser-Stiftung. Und in dem Bericht steht noch mehr. Nämlich, dass die 50 Stammaktien des Unternehmens nach dem Tod Hundertwassers „auf dem Erbweg" an die Stiftung gingen (siehe Protokoll am Ende des Absatzes). Und damit wohl ebenfalls dem erblichen Pflichtteil zuzurechnen gewesen wären.

Doch in der Grüner Janura AG, die heute Namida AG heißt und ihren Sitz seit jeher im schweizerischen Glarus hat, schlummern noch mehr Werte. Etwa die kostbaren Werknutzungsrechte Hundertwassers, die dieser - Kritiker meinen: um Steuern zu sparen - schon vor langer Zeit an seine eigene Firma übertragen hatte. Exmanager und Stiftungsvorstand Joram Harel bestätigte das 2008 in der ORF-Sendung „Kulturmontag". Allerdings stehe die Grüner Janura AG in keinem Zusammenhang mit Hundertwassers Erbschaft. Zitat aus einem Fax: „Die Stiftung hat damit nichts zu tun und lukriert daher auch nichts."

Ein klarer Widerspruch zu den Angaben seines eigenen Stiftungsprüfers. Und ein Widerspruch zur von der Steuerberatungskanzlei Hübner & Hübner durchgeführten Unternehmensbewertung von Harels ehemaligem Einzelunternehmen Joram Harel Kunstmanagement. In dem Gutachten hielten die Prüfer fest: „Herr Harel verfügt über die alleinigen Verwertungsrechte der Werke Friedensreich Hundertwassers auf unbegrenzte Zeit." (siehe folgendes Dokument)

Warum die unschätzbar wertvollen Rechte mit dem Hundertwasser-Geschäft danach sogar in Harels eigenen Bilanzen auftauchen, obwohl sie doch eigentlich bei der Grüner Janura lagen, wollte Harel auf Anfrage der „Presse am Sonntag" genauso wenig beantworten wie die übrigen offenen Fragen. Über seinen Anwalt Georg Zanger, der ihn schon gegen Hundertwassers Tochter im Verlassenschaftsverfahren vertrat, ließ er nur pauschal ausrichten, dass die „dargestellten Vorwürfe unwahr sind". Als Beleg dafür legte er den Einstellungsbescheid für ein Ermittlungsverfahren wegen Betrugs bei der Staatsanwaltschaft bei. Die Begründung der betrauten Staatsanwältin lautet - trotz der genannten Fakten - so: „Die Einstellung erfolgte, weil kein tatsächlicher Grund zur weiteren Verfolgung besteht." Ein Fortführungsantrag ist anhängig.

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