Hofmobiliendepot: Untergang mit Anker und Ananas

(C) Heeresgeschichtliches Museum, Alexander Eugen Koller, Hannes Eder
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Das Schicksal von Maximilian I., dem letzten Kaiser von Mexiko, in der bisher größten Ausstellung des Museums. Möbel und Memorabilia erzählen das Drama.

Diese Geschichte hat alles, was ein Hollywood-Drama braucht: Den geltungsbewussten, zweitgeborenen Monarchen, seine wunderschöne, ehrgeizige Gattin, viele Schulden, ein unmoralisches Angebot, den Thron im exotischen Mexiko, eine Hinrichtung. Und das alles im braven Hofmobiliendepot, wer hätte das gedacht. Die bislang größte Ausstellung, die man hier ausrichtet, ist dem letzten Kaiser Mexikos, Maximilian I., gewidmet, dem tragischen Bruder Kaiser Franz Josephs.

Eine ambivalente Persönlichkeit. Vom Reisen fasziniert – er rief die Novara-Weltumseglung ins Leben. Künstlerisch hoch begabt – betrachtet man die Zeichnungen in seinem Reisetagebuch. Romantisch veranlagt – liest man die Briefe an seine Frau, Charlotte von Belgien: Das „Ideal seines Lebens“, so schrieb er ihr 1860, sei: „Wir zwei im stillen Gartenhaus von Miramar, von niemandem besucht und niemanden besuchend.“

Besessen von Herrschsucht

Man sollte ihm nicht trauen. Erstens scheint die Ehe nicht erfüllt gewesen zu sein, er soll in Mexiko sogar die Türen zu den Räumen der Gattin zumauern haben lassen. Zweitens waren beide besessen davon zu herrschen. Ihr Ziel war nicht die Abgeschiedenheit im Gartenhäuschen. Von den Ambitionen erzählen auch die Relikte, Maximilians Faible für Etikette und fürstliche Repräsentation, Pläne für Bauten, Entwurfszeichnungen für Uniformen und Porzellanservice, Menüfolgen und festgelegtes Zeremoniell. Allein das Stoffmuster, das Schloss Miramare durchzieht. Ihm liegt das alle Monarchen vereinende habsburgische Stoffmotiv mit Ananas zugrunde. Maximilian aber individualisierte das Motiv, ergänzte es durch sein Zeichen, den Anker. Die Ausstellungsgestalter von „Walking Chair“ haben gut daran getan, mit diesem Muster alles zu hinterlegen.

Der Anker. Maximilian war der erste Habsburger, der sich in die Marine verliebte. Mit 22 war er Oberbefehlshaber der Kriegsmarine. Die umgebaute Navarra brachte ihn nach Mexiko. Drei Jahre später holte sie ihn wieder ab. Als Leichnam. Als geschundenen, wie man erfährt – zweimal war er vom Wagen gefallen, einmal in einen Fluss, die Nase war abgebrochen, die Glasaugen in falscher Farbe eingesetzt. Ein Schock für die Mutter, als der Sarg in Wien geöffnet wurde. Es sind solche Details, die einen schaudern lassen. Die Weste mit den Einschusslöchern. Der letzte Brief aus dem Gefängnis an die Mutter. Das Foto eines Mannes aus El Salvador, von dem manche glauben, es sei Maximilian gewesen, der angebliche Rettungsangebote einer Freimaurer-Connection doch angenommen hatte und hier incognito alt wurde. Alt zu werden war auch seiner Witwe beschieden, die in den Wahn glitt und bis zu ihrem Tod 1927 dachte, Kaiserin von Mexiko zu sein. Ja, diese Schau ist schwerer Tobak. Sie beruht auf gründlicher Depotarbeit von Ilsebill Barta und ihrem Team, die 200 Objekte aus dem Depot ausgegraben haben, Möbel aus den Schlössern Maximilians, Bilder, Briefe. Aber auch die Erkenntnis, dass uns Maximilians Erbe wenig bewusst ist. Wer weiß schon, dass etwa die Ägyptische Sammlung des Kunsthistorischen Museums auf seinen Beständen beruht? Maximilians Geschichte, so dramatisch sie ist, wurde wenig ausgeschlachtet. In den 1980er-Jahren gab es eine Ausstellung in Triest, wo er sich mit Schloss Miramare ein Denkmal schuf, das ganz seinem Geschmack entsprechend zwischen Originalität und Kitsch schwankt – er erlebte die Fertigstellung nicht mehr. In den 1970er-Jahren wurde seiner auf Burg Hardegg gedacht. Aber sonst?

Eingang in die Kunstgeschichte

Dabei ging Maximilian als einer der wenigen Monarchen in die Kunstgeschichte der Moderne ein. Edouard Manet muss fasziniert gewesen sein von den ersten Berichten über die Hinrichtung. Sofort begann er eine Serie von Bildern, die dem Bildaufbau von Francisco Goyas Gemälde „Erschießung der Aufständischen“ folgte. Goya zeigte 1808, wie es für einige Spanier endete, die sich gegen Napoleon I. zur Wehr setzten. Manet zeigte, wie es für Maximilian endete, nachdem Napoleon III. seine Truppen aus Mexiko abgezogen hatte. Es ist nur eine von vielen Anspielungen Manets auf die Schuld Frankreichs in diesem Drama. In der vierten Version des Bildes, das im Hofmobiliendepot zumindest als hinterleuchtetes Plakatsujet prominent platziert wurde, tragen die schießenden Soldaten nicht mehr mexikanische Tracht, sondern Uniform, die frappant an die französische erinnert. Und dem zum Gnadenschuss Abgestellten wächst ein Bart, der Zeitgenossen sofort an Napoleon III. denken ließ. Das Bild war im Pariser Salon nicht erwünscht. Es wurde erst nach Manets Tod ausgestellt.

Bis 18. August. Di–So 10–18h.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.03.2013)

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