Kunstmarkt: Verkannt, vergessen – verkauft?

Unheimliche Köpfe von Stefan Zsaitsits, „Maske“, 2012
Unheimliche Köpfe von Stefan Zsaitsits, „Maske“, 2012(C) Galerie Lang
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Die sechste „Art Austria“ im Leopold-Museum lässt eher unfreiwillig darüber nachdenken, ob Regionalität auch in der Kunst zurzeit Saison hat.

Fast hätte der erste Preis, den die Kunstmesse „Art Austria“ vergibt, mit einem kleinen Skandal geendet, fast hätte der Vorarlberger Gottfried Bechtold die Auszeichnung in der zugegeben wenig schmeichelhaften Kategorie „Verkannt, vergessen, vertrieben“ nicht angenommen. Dann akzeptierte er aber doch sein „Verkanntsein“, das ihm von der Jury, u. a. von Schirn-Direktor Max Hollein und Elisabeth Leopold, sozusagen schriftlich bestätigt worden war. Schließlich hatte ihn seine Galeristin Ursula Krinzinger selbst eingereicht, die bei der Messe eine Auswahl seiner ikonischen Objekte aus Beton und Autolack im Extrakammerl zeigt. Sie ist überzeugt: Man schätzt Bechtold zu wenig, vor allem in Wien hat er kein Glück, keine Professur, keine Museumsausstellungen etc. Ob sich das durch die „Art Austria“ ändert?

Das dritte Mal findet dieses seltsam anachronistische Event bereits im Leopold-Museum statt, eine Verkaufsveranstaltung an einem Ort der Bewahrung und Behütung, bei der man plötzlich in einem Saal Schiele bewundern – und im anderen gleich kaufen kann, am Stand der „Galerie bei der Albertina“ zum Beispiel, wo die Zeichnung einer voll bekleideten Schlafenden von 1914 um 560.000 Euro angeboten wird. Deshalb seltsam. Aber anachronistisch?

Die „Art Austria“ hat sich Anfang des 21. Jahrhunderts selbst auf österreichische Kunst seit 1900 beschränkt – was für viele Händler tatsächlich besser läuft als ihr Auftritt auf der international ausgerichteten „Viennafair“. „Österreich ist da sehr provinziell“, versucht Sammlergalerist Philipp Konzett am Rand des Presserundgangs eine Erklärung. „Vor allem Sammler aus den Bundesländern kaufen stark österreichische Kunst. Das Internationale hat hier eine sehr kurze Tradition.“ Provinz ist dann allerdings überall, muss man relativieren – lokale Kunst ist nicht nur bei uns die „Einstiegsdroge“.

Panoramakameras übertragen ins Internet


Vielleicht spiegelt der Erfolg der „Art Austria“ (15.600 Besucher) ja auch einen Trend, den man auch in der Spitzengastronomie beobachten kann, in der zurzeit jedes Gras und jede Faser „regional“ zu sein hat. Je wilder die Globalisierung, desto ängstlicher klammert sich das Menschlein also an seine Wurzeln? Ein starkes Bild zumindest. In diesem Sinn ist das Leopold-Museum also der Tempel dieser Bewegung, die „Art Austria“ ihre wortwörtliche Messfeier, von Panoramakameras übrigens vollständig ins Internet übertragen. Alle 4000 Werke. Alle Staudachers, Nitschs, Prachenskys, Weilers, Mario Dalpras, nach zehn Kojen beginnt das Programm ein wenig zu verschwimmen.

Aber es gibt auch Anker, sechs zur froschgrünen Skulptur gestapelten Auböck-Sessel aus seiner AK-Ausstattung der 1950er-Jahre (Lilly's Art). Die Blumenfotos von Ernst Haas, der als erster Fotograf überhaupt 1978 Farbfotografie im MoMA ausstellte (Johannes Faber). Die Kopfzeichnungen des 32-jährigen Stefan Zsaitsits (siehe Abb., ab 1100 Euro), die Galerist Lang mit abstrakten Bildern des ältesten Künstlers seiner Galerie, Franz Beer (84), kombiniert. Eine riesige grasgrüne, drei mal vier Meter hohe Brandl-Leinwand, die in seiner Deichtorhallen-Ausstellung hing (93.000 Euro, Galerie nächst St. Stephan). Der Valie Export gewidmete Stand von Charim. Hier findet man Halt in einer vor allem im edlen Museumskontext an die Grenzen des Erträglichen gehenden Präsentation. Die dichte Hängung, die im Leopold-Museum ja Tradition hat, wird hier auf eine teils groteske Spitze getrieben.

Bis 14. April, täglich ab 11 Uhr, Donnerstag bis 21 h, Freitag und Samstag bis 19 Uhr, Sonntag bis 18 Uhr. www.art-austria.info

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.04.2012)

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