Elfie Semotan: Grenzgängerin

In Mode und Kunst zu Hause: Die Kunsthalle Krems würdigt Fotografin Elfie Semotan mit einer Einzelausstellung.

Sie pendelt zwischen New York und Wien, nennt den Modedesigner Helmut Lang und das österreichische Mannequin Cordula Reyer als Weggefährten und ist in Kunst und Mode zu Hause. Dass Elfie Semotan, eine der bedeutendsten heimischen Modefotografinnen der letzten Jahrzehnte, im Schatten ihrer Karriere als Profifotografin auch ein beachtliches künstlerisches Werk geschaffen hat, zeigt jetzt die Kunsthalle Krems in einer großangelegten One-Woman-Show.

In zwei Wochen startet die Ihnen gewidmete große Ausstellung in der Kunsthalle Krems. Es ist – jedenfalls für österreichische Verhältnisse – ungewöhnlich, dass eine Fotografin, die vor allem durch Mode berühmt wurde, eine Einzelausstellung in einem Museum bekommt.

Ich war stets mit Kunst und Künstlerinnen konfrontiert und habe mich sehr an der Kunst orientiert. Ich dachte, dass es möglich sein müsste, in der kommerziellen Welt Dinge zu platzieren, bei denen es nicht nur um den Verkauf geht, sondern auch andere Ziele.
Ich habe neben meiner professionellen Arbeit Landschaften und Situationen, die mich beeindruckt haben oder mir wichtig waren, festgehalten. Die Frage „Was ist Kunst und wann ist es Kunst?“ hat sich natürlich immer wieder gestellt. Oft kristallisiert sich erst im Lauf der Zeit heraus, was Kunst ist und was nicht. Ich habe mich immer geweigert, mich als Künstlerin zu bezeichnen oder als kommerzielle Fotografin einordnen zu lassen.

Bald nachdem Sie bekannt wurden, haben sich der Mode-, Lifestyle- und Kunstbetrieb aufeinander zubewegt. Wie sehr hat Sie das in Ihrer Arbeit beeinflusst?

Als ich zu fotografieren begonnen habe, war das noch nicht so, oder besser gesagt: Das gab es schon sehr viel früher. Das wurde im Mumok mit der Ausstellung „Reflecting Fashion“ sehr ausführlich dokumentiert. Zu einem Trend ist es erst später geworden. Labels wie Prada und Rei Kawakubo begannen, anspruchsvolle Advertising-Fotos zu benützen. Gar nicht zu reden von Helmut Lang: Er hat Sujets gebracht, die eher seine Gesinnung gezeigt haben, als dass sie Werbung für die Kleidung gewesen wären.
Ich habe mich in diesem Raum bewegt, die Positionen hinterfragt und in meinen Modeserien die Rolle der Frau offengelegt oder die bestehenden Muster zitiert und so bewusst gemacht. Ich habe Frauen, die Pelze tragen, Masken aufgesetzt, das hatte eine kurze Krise zur Folge. Heute allerdings sind alle glücklich mit dieser Serie. Bei einer anderen Kampagne habe ich ein sehr großes Modell verwendet und sie zusammen mit Studentinnen fotografiert, die sie um Kopfeslänge überragt hat, um so ihre von vornherein spezielle und außergewöhnliche Position klarzustellen und zu übertreiben.

Richtig bekannt wurden Sie hierzulande mit Werbefotografien für zwei österreichische Firmen: Die Palmers-Kampagne „Trau dich doch“ sorgte in den späten 1970er-Jahren für einen Skandal. Und Mitte der 1980er halfen Ihre Fotografien mit, Römerquelle auf dem Markt zu platzieren. Wie weit konnten Sie dabei Ihre eigenen Ideen realisieren?

Die Palmers-Kampagne fand zu einer Zeit statt, zu der ich noch nicht so viel Bewegungsfreiheit hatte. Die Plakate sind ein Zitat der Pin-up-Zeichnung und Fotografie der 1950er-Jahre, wobei die Frauen in einer sehr selbstbewussten Pose gezeigt wurden. Für den Text hatte ich schon Reinhard Prießnitz gewonnen, ich war sicher, er würde die richtigen Worte finden, um der Kampagne eine zweite poetische Ebene zu geben. Dazu kam es leider nicht. Ich hätte mir damals andere Worte gewünscht.
Die Römerquelle-Werbung zeigte als roten Faden eine Dreierkonstellation. Es war wichtig, neben den Models auch Menschen zu fotografieren, die dem Werbeideal sicher nicht entsprochen haben und auch keine Profis waren, aber eine eigene Attraktivität und Schönheit besaßen: Edek Bartz etwa, Beat Furrer oder Franz Kogelmann.

Würde so ein Ansatz heute noch funktionieren?

Heute werden für viele Kampagnen Stars gebucht. Ich habe diese Personen damals fotografiert, weil sie auf eine sehr persönliche Weise gut aussahen, eine starke Ausstrahlung hatten und glaubwürdig wirkten. Dieser Ansatz war ungewöhnlich und hatte großen Erfolg. Damals haben die Agenturen ihre Kampagnen – zumindest für Palmers und Römerquelle – langfristiger angelegt. Die Entscheidungen wurden von einzelnen Personen getragen und nicht, wie heute, von großen Teams. Das macht einen großen Unterschied.

Wie sind Sie zur Mode gekommen?

Ich komme ursprünglich vom Modedesign. 1960 war Mode in Österreich nicht vorhanden, es gab keine Modefotografen, auch keine Modezeitschriften. So bin ich mit zwanzig Jahren und 700 Schilling in der Tasche nach Paris gegangen. Ich musste schnell etwas finden, womit ich Geld verdienen konnte – das war das Modeln. Ich habe alle Haute-Couture-Salons angerufen und gefragt, ob sie jemanden brauchen könnten, Lanvin hat Ja gesagt, am nächsten Tag begann ich, dort zu arbeiten. Ich habe dann neun Jahre in Paris gelebt. Ende der 1960er-Jahre bin ich aufgrund privater Umstände wieder nach Österreich zurückgekehrt.

Wann haben Sie zu fotografieren begonnen?

Ich war einige Zeit mit dem Fotografen John Cook zusammen, während dieser Zeit habe ich zu fotografieren begonnen. Anfangs habe ich alle Jobs, die er fotografiert hat, in meinem Badezimmer entwickelt, voller Panik, etwas zu verpatzen oder die Filme zu ruinieren. Jedenfalls habe ich auf diese Weise sehr schnell fotografieren gelernt, vor allem, mit Licht umzugehen. Es war wichtig, sehr genau zu wissen, welches Licht notwendig ist, sonst musste ich das mit Nacharbeit in der Dunkelkammer teuer bezahlen.

Welche Möglichkeiten zu arbeiten hatten Sie nach Ihrer Rückkehr nach Wien? Konnten Sie Modestrecken fotografieren?

Ich bin immer wieder nach Paris gereist, um für französische, deutsche und Schweizer Zeitschriften zu fotografieren. Hier gab es später einige Magazine und Firmen, die Kataloge produzierten.

Wie verhalten sich für Sie Modefotografie und Werbefotografie?

Je perfekter die Werbung wurde, umso unattraktiver wurde sie für mich. Mir war es wichtig, Konzepte zu entwickeln und mit Formen zu experimentieren, die Mode war dafür wunderbar geeignet. Ich habe dasselbe Foto einmal in Farbe, einmal in Schwarz-Weiß und dann mit anderem Hintergrund aufgenommen, immer wieder dasselbe Foto wiederholt. Eine andere Serie habe ich wie einen Rorschachtest angelegt. Solche Ideen sind heute selbstverständlicher, zu dieser Zeit wurden sie oft nicht verstanden oder belächelt. Ich habe meine Konzepte dann oft an den Redakteurinnen vorbeigeschmuggelt und mich mit der Art-Direktion verbündet.

Sie haben sehr lange eng mit Helmut Lang zusammengearbeitet. Wie haben Sie zueinandergefunden?

Wie das im Einzelnen war, kann ich gar nicht mehr genau sagen. Aber ich habe bewundert, was er gemacht hat, und er fand meine Fotos gut.

Wie sehr hat diese Arbeitsbeziehung Ihre eigene Arbeit beeinflusst?

Solch eine Zusammenarbeit beeinflusst immer. Es ist schön, sich mit einer intelligent konzipierten Arbeit auseinanderzusetzen und gemeinsam zu einem Ergebnis zu kommen. Man muss fähig sein zu begreifen, was der andere macht. Helmut war sehr informiert und hat schnell die Verbindung zum internationalen Modegeschehen hergestellt, indem er Leute wie Jerry Hall auf seinen Laufsteg geholt hat.

Haben Sie Lieblingsmodels?

Es gibt Models, mit denen ich besser als mit anderen arbeiten kann, aber Cordula Reyer ist sicher eines meiner Lieblingsmodels und gleichzeitig eine Freundin.

Die Ausstellung in der Kunsthalle Krems zeigt Ihre Modefotografie zusammen mit freien Arbeiten. Wie weit haben Sie die Ausstellung mitgestaltet?

Die Auswahl wurde gemeinsam mit den Kuratorinnen getroffen. Eine besondere Herausforderung stellte für mich die große Ausstellungshalle dar. Für diesen sehr großen und hohen Raum werde ich einige Fotos aus der Serie „Wegwerffotos“ stark vergrößern, ebenso Werke aus der Serie „Division Street“, für die ich von meinem New Yorker Apartment aus immer wieder ein und dieselbe Stelle fotografiert habe. Sonst sind die Arbeiten in dem Format zu sehen, für das ich sie konzipiert habe.

Wie würden Sie das Verhältnis zwischen Ihrer Modefotografie und Ihrem künstlerischen Ansatz beschreiben?

Ich mache Porträts von Menschen, die Kleider tragen. Die Ästethik der Modefotografie weiterzutreiben ist wichtig, aber nicht mein allererstes Anliegen. Mich hat interessiert, wie Frauen dargestellt werden und was ich tun kann, um diese Positionen klarzumachen. Es ist mir wichtig, ein Frauenbild zu zeigen, das ich gut finde. Mode hat viele Dimensionen und gibt Menschen die Möglichkeit, sich zu definieren und darzustellen.

Gibt es für Sie eine Grenze zwischen Ihren Modefotos und den künstlerischen Arbeiten?

Die Grenzen sind für mich fließend.

TIPP

Kunsthalle Krems: „Elfie Semotan“, 14. Juli bis 6. Oktober. Siehe auch www.kunsthalle.at

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.