Kunsthalle Krems: Vergessen wir die Murano-Köpfe!

Kunsthalle Krems Vergessen MuranoKoepfe
Kunsthalle Krems Vergessen MuranoKoepfe(c) Clemens Fabry
  • Drucken

Diese Ausstellungen waren längst überfällig: Kiki Kogelnik war bisher grob unterschätzt. Und Fotografin Elfie Semotan schlägt sich wacker an der Kunstfront.

Es gibt auch einen Fluch des späten Erfolgs: Drei Jahre vor ihrem Tod 1997 begann die US-österreichische Künstlern Kiki Kogelnik in Murano bunte Glasköpfe produzieren zu lassen. Ein voller finanzieller Erfolg, der ihr früheres Werk in der öffentlichen Wahrnehmung praktisch auslöschte. Jetzt, in der ersten großen Kogelnik-Ausstellung seit 1998, als das Belvedere bereits posthum eine Retrospektive eröffnen musste, ist dieses Kapitel nur eine Fußnote, gerade einmal zwei Objekte am Ende der Kremser Schau weisen auf diese Gratwanderung zwischen Kunst und Kitsch hin. Davor aber spielt es sich derart bildgewaltig ab, dass einem bang der Verdacht aufsteigt – schwer unterschätzt.

1961 schon nach New York ausgewandert platzte Kogelnik mitten ins Herz der Pop-Art, wo sie mit ihrer knallbunten Malerei bestens aufgehoben war. Es gibt unzählige Anekdoten darüber, wie die schöne umtriebige Kärntnerin sich dort behaupten konnte, während man in Wien noch nicht einmal wusste, wie Andy Warhol überhaupt aussah. „Kann der Typ dort drüben nicht endlich aufhören zu fotografieren?“, beschwerte sich etwa der mit Kogelnik in einem New Yorker Lokal sitzende Peter Noever, später legendärer MAK-Direktor. „Das ist Andy Warhol“, merkte Kogelnik knapp an. Nachzuhören in einem TV-Porträt von Ines Mitterer, das ebenfalls in der Ausstellung läuft.

Punk, Kitschkunst – sie nahm viel vorweg

Mit ihrer „Space Art“ ist Kogelnik damals mehrfach durchgestartet, die Bilder vereinen Pop, Feminismus, Weltallbegeisterung. Ihr Selbstbild als Malerin hält sie 1975 in einem atemberaubenden Porträt fest – wie eine farbbekleckste Untote erscheint sie in „The Painter“. Neben dieser Rolle verblasst alles, ein schwacher Umriss nur neben ihr gibt eine männliche Figur zu erkennen. Ihr Sohn? Ihr Mann? Die restliche Welt? Friedensbewegung, Punk, Selbstinszenierung, mexikanischer Totenkult, die postironische Kitschkunst Jeff Koons' – Kogelnik war extrem aktuell bzw. hat Themen vorweggenommen, die erst Jahre später „Trend“ wurden.

Seit 2010, als Kogelnik in der Gruppenschau „Power up“ der Wiener Kunsthalle vertreten war, wird sie langsam wiederentdeckt. 2012 wurde ihr Frühwerk etwas überraschend im Hamburger Kunstverein gewürdigt. Die Kremser Ausstellung, kuratiert von Brigitte Borchhardt-Birbaumer und Direktor Hans-Peter Wipplinger, verschafft den längst fälligen Überblick. Keine Enttäuschung, ganz und gar nicht.

Längst fällig war es auch, dass das Werk der Wiener Modefotografin Elfie Semotan einmal umfassend auf seine Eigenständigkeit abgeklopft wird. Parallel zu Kogelnik ist ihr in Krems eine Retrospektive gewidmet, die zeigt, wie die Witwe der Künstler Kurt Kocherscheidt und Martin Kippenberger seit den späten 1960er-Jahren um eine ihren eigenen Worten nach „subversive“ Modefotografie bemüht war. Ihr nur allzu menschlicher Hang zu Schönheit und Sinnlichkeit steht ihr dabei aber im Weg: Zwar fallen die Fotos, die aus einer langen Karriere für internationale Modemagazine gewählt wurden, durch eine gewisse Herbe auf, am Ende aber behalten sie ihren artifiziellen Charakter, merkt man ihnen die Pose der Modelle und die gefällige Inszenierung allzu sehr an. Die Serie „Flowers“ sticht dabei heraus, hier wird die immer betonte Intimität zwischen Fotografin und Modellen plötzlich tatsächlich spürbar. Eine Eigenschaft, die Semotan gerade bei Künstlerporträts zu Hilfe kommt; die Aufnahmen speziell von Raymond Pettibon und Martha Jungwirth sind genial. Die versuchte Konzeptkunst, bei der serielle Aufnahmen aus dem Fenster der New Yorker Wohnung oder „Wegwerffotos“ plötzlich größere Qualitäten als die des Zufalls zugesprochen werden sollen, oder Semotan-Fotos, farblich diffizil abgestimmt übermalt, ist dagegen ziemlich verzichtbar.

Bis 6. Oktober, täglich von 10 bis 18 Uhr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.07.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.