Wienerische Wagner-Grüße via Compact Disk

Wienerische Wagner Gruesse Compact Disk
Wienerische Wagner Gruesse Compact Disk(c) EPA (David Ebener)
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Rechtzeitig vor dem Auftakt zur Festspiel-Saison kamen „Ring“-Aufnahmen aus der Staatsoper in den Handel.

In deutschen Medien kann man schon nachlesen, was an der Neuerscheinung alles zu bemängeln ist – die klassische Anwendung der Parabel vom Fuchs, dem die Trauben zu sauer sind, weil sie ihm zu hoch hängen. Die Deutsche Grammophon hat den Livemitschnitt jener Aufführung des „Rings des Nibelungen“ auf CD herausgebracht, den Christian Thielemann in der Saison 2011/12 an der Staatsoper dirigiert hat. Wer das Ergebnis hört, darf schon ernstlich die Frage stellen, in welchem anderen Opernhaus so etwas möglich wäre: Man spielt einmal den „Ring“, hat keine Chance, irgendetwas zwecks Korrektur nachzuschneiden – und heraus kommt eine der intensivsten „Ring“-Gesamtaufnahmen, die im Handel erhältlich sind.

Jeder weitere Kommentar ist eigentlich überflüssig. Dass bei einem solchen Unterfangen nicht jede Viertelnote perfekt an ihrem Ort sitzt, versteht sich wohl von selbst. Gerade das macht den Reiz dieser Aufnahme aus: Das Staatsopernorchester erreicht unter Thielemann eine Art Perfektion der Imperfektion. Wenn es hie und da zu leichten tektonischen Verschiebungen im gewaltigen Wagner'schen Orchesterkosmos kommt, kann der Hörer förmlich fühlen, wie der Dirigent in diesem Moment gerade gestalterisch eingreift, zu intensiven dramaturgischen „Kommentaren“ ausholt.

Auch wenn Wotan die Stimme verliert...

Das packt unmittelbar. Ganz abgesehen davon, dass etliche Soli der Musiker jeden im Studio modellierten Versuch an derselben Phrase in berühmten – auch eigenen – Plattenaufnahmen egalisieren, wenn nicht übertreffen. An Spontaneität kommen diesem „Ring“ nur die aktweise unter Furtwängler bzw. Karl Böhm produzierten Plattenversionen (EMI bzw. Philips) gleich, auf denen freilich manche Partie besser gesungen wird als 2011 in Wien.

Dennoch werden Wagnerianer glücklich sein, dass trotz des Ausfalls von Eric Halfvarson im dritten Akt der „Götterdämmerung“ – er wurde durch Attila Jun ersetzt – die Aufnahme (mit zwei Hagen-Sängern) in den Handel kam.

Als Zugabe: Der erste Akt einer ebenfalls durch einen Sängerausfall berüchtigten „Walküren“-Aufführung: Anlässlich der Premiere der aktuellen Inszenierung verlor Wotan die Stimme. Legendär blieb der unter Hochspannung stehende, wotanlose erste Akt, in dem Nina Stemme, Johan Botha und Ain Anger vollendet sangen, und Franz Welser-Möst das Orchester zu einer Steigerungswelle animierte, die zuletzt orkanartigen Beifall auslöste. Eine Sternstunde zumindest bis zur Pause – auch sie ist jetzt (bei Orfeo) auf CD dokumentiert. sin

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.07.2013)

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