Essl-Museum: Einsame, todernste Malerei

Mischa Nawrata, Sammlung Essl Privatstiftung
Mischa Nawrata, Sammlung Essl Privatstiftung(c) Mischa Nawrata, Sammlung Essl Privatstiftung
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In Retro-Zeiten ist Malerei wieder en vogue. Da wird auch das sperrige Werk von Kurt Kocherscheidt wiederentdeckt. Jetzt in Klosterneuburg.

Der Drang zu Neuem ist vom Blick in die Vergangenheit abgelöst worden, statt Avantgarde nur mehr Rückblicke: „Retromania“, wie es der englische Popkritiker Simon Reynolds nannte, ist der Geist unserer Zeit. In der bildenden Kunst äußert er sich auch dadurch, dass vor allem der Kunsthandel ständig auf der Suche nach Wiederentdeckungen ist – und die Institutionen schnell folgen. So ist in Krems gerade Kiki Kogelnig (1935–1997) zu sehen, und in Klosterneuburg jetzt eben der in Klagenfurt geborene Kurt Kocherscheidt (1943–1992). Dessen Werke seien unter den ersten Ankäufen seiner Sammlung gewesen: So erklärt Karl-Heinz Essl die Entscheidung zur großen Kocherscheidt-Retrospektive, zu der er den ehemaligen Museumsdirektor Veit Loers als Kurator eingeladen hat. 26 Werke stammen aus der eigenen Sammlung. Weitere 15 sind ausgeliehen, der Großteil davon vom Freiburger Morat-Institut.

Nach seinem Tod 1992 schnell vergessen

Sammler Armin Morat, dessen Vater sein Vermögen mit Erfindungen wie einer Rundstrickmaschine gemacht hatte, kaufte schon früh und kontinuierlich die wichtigsten Werke Kurt Kocherscheidts – und hat mit seiner Monopolstellung zugleich den Weg einer breiten Anerkennung zumindest verzögert: Wenige Sammler bedeuten eben auch wenige Fürsprecher, vor allem, wenn der Tod plötzlich und viel zu früh kommt. Denn Kocherscheidt schien 1992 gerade der internationale Durchbruch zu gelingen, mit Ausstellungen in Belgien und Holland, als Höhepunkt lud ihn Jan Hoet zur Documenta IX. nach Kassel ein. Am 13.November starb er dann an Herzversagen.

Danach brach das Interesse an seinen Werken ab. Während etwa Kogelniks aus Packpapier ausgeschnittene Schablonen – „Hangings“ – in vielen Sammlungen und Gruppenausstellungen zu sehen sind, verschwanden die Bilder Kocherscheidts aus dem Betrieb. Bald vertrat keine Galerie mehr das Werk, einzig die Witwe Elfie Semotan erinnerte immer wieder an diese beeindruckende Malerei. Selbst in den österreichischen Museen sind die Werke weit nach hinten gerutscht, Bilder sucht man in Ausstellungen vergebens, und seine große Skulptur sei im Mumok unauffindbar, erzählt Semotan.

Jetzt aber beginnt eine Neubewertung. Ende des 20.Jahrhunderts galt die Malerei als unzeitgemäßes Medium. Kunst über Kunst war verpönt, Können schien überflüssig. Stattdessen sollte alles konzeptuell, möglichst noch politisch und am besten transmedial sein. In Zeiten der Retromania kommen wieder die alten Werte zum Zug, und Malerei ist so gefragt wie nie zuvor. Zwar passt Kocherscheidt in diesen Trend nicht ganz nahtlos hinein, sind seine Bilder doch viel zu sperrig, zu düster und zu einsam. Aber sie tragen zu einer „Neudefinition der Malerei“ bei, erklärt Veit Loers. Denn hier werden weder Geschichten erzählt, noch wird uns eine plakativ-fröhliche Deko geschenkt. Stattdessen sehen wir rohe Formen ohne illusionistische Tiefe, in denen die Farbe derartig dicht in vielen Schichten übereinanderliegt, dass die Bilder skulpturale Qualitäten entwickeln.

„Die Blume ist nichts“

Gitter, Spiralen, Splitter, Steine, Masken und Köpfe – die Bildmotive sind zwar benennbar, tragen aber keine gesicherte Bedeutung. „Die Blume ist nichts. Erst wenn ich sie als Maler zertrete, wird sie zum Motiv“, beschrieb es Kocherscheidt einmal. Veit Loers nennt es eine „metaphorische Malerei“.

Der gestische Pinselstrich erinnere ihn „in der Wucht und Energie“ manchmal an Baselitz. Aber Kocherscheidts Malerei sei „todernst“, vor allem im Spätwerk geprägt von Todessymbolen. Als Kurator habe er sich erst zögerlich mit den Bildern beschäftigt, sei jetzt aber begeistert und überzeugt, dieses Werk sei völlig zu Unrecht vergessen worden. Das scheint auch die Berliner Galerie Contemporary Fine Arts zu teilen, die diese Ausstellung in Berlin zeigen und den österreichischen Maler international vertreten wird.

Bis 11.November.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.09.2013)

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