Kunsthalle Wien: "Salon der Angst"

Kunsthalle Wien Salon Angst
Kunsthalle Wien Salon Angst(c) Kunsthalle Wien
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Seit Frühjahr war sie geschlossen, jetzt eröffnet der neue Direktor Nicolaus Schafhausen die Wiener Kunsthalle mit der vage gehaltenen Ausstellung "Salon der Angst" neu. Eine mutige Vision sieht anders aus.

Furcht und Angst kann man leicht verwechseln. Dabei ist es recht einfach – man kann sich leicht fürchten vor so etwas Konkretem wie dem Besuch einer Ausstellung, die „Salon der Angst“ heißt. Oder aber es beschleicht einen mitten in dieser Ausstellung plötzlich das irrationale Gefühl, dass alles um einen versinkt, man in Beliebigkeit ertrinkt, die Kunst am Ende ist, den Kuratoren gar nichts mehr einfällt und das Leben sinnlos ist. Das einer Kunstkritikerin zumindest. Das ist alles, was die Kunst heute zur Angst zu sagen hat? Einen weniger leidenschaftlichen Besucher lässt dieser blutleere Zwischenstand vermutlich kalt. Der zuckt höchstens ratlos die Schultern mitten in all dem internationalen Stoff, der hier so chic wie konfus zu einem hauptsächlich schwarz-weißen Diskursteppich zusammengewebt wurde. Denn was Nicolaus Schafhausen hier als Auftakt seiner Leitung der Wiener Kunsthalle abliefert, ist vor allem eins: vage.

Nicht, dass man nicht gewarnt worden wäre. Man solle sich nur ja nicht erwarten, dass hier alle Arbeiten direkt mit Angst zu tun hätten, so Schafhausen bei der etwas wirren Pressekonferenz. Warum auch in einer Ausstellung, die „Angst“ im Titel trägt? Munchs „Schrei“ hätte sich hier rein technisch tatsächlich niemand erwartet, darüber brauchte Schafhausen keine Witzchen zu machen. Aber die Latte zumindest ein wenig höher als das Erwartbare zu legen, wäre einem vielversprechenden Neuanfang gut angestanden.

Kein Katalog, keine These

Große These gibt es genauso wenig wie einen Katalog, der erst am Ende erscheinen soll, um auch die Inhalte eines Symposiums mitaufzunehmen. Die Theorie sollen also die anderen liefern. Nicht einmal den Titel können die Kuratoren Schafhausen und Catherine Hug, die demnächst ans Kunsthaus Zürich wechselt, originell erklären. „Salon der Angst“ lasse sich eben so super international vermarkten, er müsse nicht einmal übersetzt werden, meint Schafhausen. Und, genau, die Werke würden doch miteinander kommunizieren. Wie man das im Salon eben so tut. Auch kunsthistorisch wäre der Begriff verankert, im Pariser „Salon“. Was der zwingend mit „Angst“ zu tun haben soll, kann man allerdings nur ebenso kurios assoziieren wie manche der ausgestellten Arbeiten. Rainer Ganahls Film über die von ihm mitorganisierten klassischen Konzerte in einem heruntergekommenen New Yorker Ramschladen zum Beispiel. Peter Wächtlers Zeichentrickfilm über den öden Alltag einer Ratte. Oder die von Zin Taylor zur Fototapete vergrößerte Flechte, die an psychedelische Drogenfantasien erinnern soll, die der Wissenschaft zur Erforschung von Psychosen diente. Kapiert?

Es gibt viel zu verstehen hier und wenig zum Ängstigen. Zum Teil sind es tolle Arbeiten, die ans Eingemachte gehen, wie das Sexvideo der kubanischen Los Carpinteros, bei denen die Protagonisten während des Aktes immer älter und älter werden. Angst vor dem Tod ist genauso ein Leitmotiv wie Angst vor dem Fremden. Dazu werden Stars wie Thomas Hirschhorn angerufen, der in Collagen Hochglanz-Modefotografie mit Kriegsfotografie verbindet. Oder Kader Attia, der in einer zumindest beklemmenden Regalinstallation ziemlich platt die 19.-Jahrhundert-Propaganda gegen alles Fremde anprangert – anhand historischer Illustrationen zu Menschenfressern und Frauenhändlern.

Eine der spannendsten Arbeiten kommt von Marcel Odenbach, der im Doppelvideo „Außer Rand und Band“ Filmmaterial aus der Mühl-Kommune einer Inszenierung gegenüberstellt, in der Kinder beim spielerischen Toben Freuds (nachgestelltes) Behandlungszimmer auseinandernehmen. Abreaktion mit und an der Psychoanalyse. Wien kann man eben nicht entkommen bei der Analyse der Angst. Die Frage ist eher, warum Schafhausen es überhaupt versucht! Was hätte man hier doch statt neutraler Biennale-Internationalität, statt angestrengten Kamel-Gestöhnes aus drei Lautsprechern, aufgenommen von einem belgischen Künstler, statt der trockenen polnisch-amerikanischen Identitätsrecherche des unlängst verstorbenen Allan Sekula, der sonst in der Generali Foundation gebucht ist, alles vernetzen, vertiefen, verdichten können?

Kuratiere lieber unpersönlich

Aber Schafhausen wollte es unbedingt unpersönlich, es gehe hier weder um seine eigenen Ängste, noch um Wien als Stadt der Psychoanalyse, betonte er. Beide Zugänge wären spannender gewesen. So bleibt, neben einigen exzellenten Arbeiten vor allem der Hautgout des schnellen Trend-Kuratierens – die Mischung aus historisch und zeitgenössisch etwa, vertreten hier durch James Ensor, Alfred Kubin, und, eher rätselhaft, Ferdinand van Kessels Erdteilgemälden aus dem KHM. Auch ein bisschen „Outsider“-Art muss sein seit dieser Biennale in Venedig: Kinderzeichnungen aus dem Irak über Superhelden und Prinzessinnen. Gugging wird von der jungen, ebenfalls aus Venedig durch ihre Installationen bekannten Tschechin Eva Kotátková vertreten, deren Arbeit eine Einzelausstellung hergeben würde.

Doch hier sollte zu Beginn geklotzt werden. Auch um die neuen alten Hallen herzuzeigen, die angeblich die letzten Monate architektonisch „bereinigt“ (Schafhausen) werden mussten. Vor allem ist der Eingang jetzt auf die (weniger einsehbare) Seite, unter den Aufgang zum Mumok verlegt worden. Der Kassenbereich wurde zugunsten optischer Eigenständigkeit von dem der Veranstaltungshallen nebenan getrennt, praktisch also verdoppelt. In der oberen Halle ist kein wesentlicher Unterschied merkbar, außer dass die Emporen aus feuerpolizeilichen Gründen jetzt nicht mehr bespielt werden dürfen. Im Erdgeschoß wurden Zwischenwände entfernt. Und im Untergeschoß befindet sich ein Filmvorführraum, so wie vorher auch, nur hatte er damals noch einen Sponsorinnennamen. Viel Geld, viel Leerlaufzeit – wofür? Was soll man sagen. Ein mutiger Neuanfang, eine Vision sieht anders aus.

Bis 12.Jänner, tägl. 10–19 h, Do 10–21 h

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.09.2013)

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