Fall Gurlitt: Staatsanwalt will Werke rasch zurückgeben

Max Liebermanns Zwei Reiter am Strand Sammlung Gurlitt
Max Liebermanns Zwei Reiter am Strand Sammlung Gurlitt(c) EPA (PUBLIC PROSECUTOR OFFICES AUGSBU)
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Kunstwerke, die nicht im Verdacht stehen, NS-Raubkunst zu sein, soll der Kunsthändler-Erbe bald zurückbekommen.

Mehr als eineinhalb Jahre nach der Beschlagnahmung will die Staatsanwaltschaft Augsburg dem Kunsthändler-Erben Cornelius Gurlitt zahlreiche Bilder so schnell wie möglich zurückgeben. Dabei geht es um Kunstwerke, die nicht im Verdacht stehen, NS-Raubkunst zu sein und "zweifelsfrei im Eigentum des Beschuldigten stehen". Diese Bilder sollen Gurlitt "unverzüglich zur Rücknahme angeboten werden", wie der Leitende Oberstaatsanwalt, Reinhard Nemetz, am Dienstag mitteilte. Insgesamt hatte die Staatsanwaltschaft laut "Sicherstellungsverzeichnis" 1406 Kunstgegenstände beschlagnahmt. Das bayerische Justizministerium hatte 1280 beschlagnahmte Werke gemeldet - der Unterschied erklärt sich wohl daraus, dass manche Kunstwerke aus mehreren Einzelteilen bestehen.

Bei etwa 970 Bildern wird überprüft, ob es sich um von den Nazis als "entartete Kunst" verfemte Werke der klassischen Moderne oder um Raubkunst handelt. Somit würden mehrere hundert Werke verbleiben, bei denen es keine Zweifel gibt und die Gurlitt zustehen. Es handelt sich nach Angaben des Justizministeriums um Bilder, die "eindeutig keinen Bezug zur sog. "Entarteten Kunst" oder "NS-Raubkunst" haben".

Kann sie nicht mehr in der Wohnung aufbewahren

Doch dabei stellen sich allerdings praktische wie rechtliche Fragen, wie Rechtsexperten im bayerischen Landtag sagen. Das praktische Problem: Wenn Gurlitt die Bilder zurückbekommt, kann er sie nie mehr in seiner Schwabinger Wohnung in München aufbewahren - weil sie dort vor Kunstdieben nicht sicher wären. Schließlich ist seine Adresse inzwischen bundesweit bekannt. Was seine Sammlung wert ist, ist unbekannt. Erste grobe Schätzungen hatten die Bilder sogar auf einen Wert von mehr als einer Milliarde Euro taxiert.

Gurlitt wurde im September 2010 von Zollfahndern überprüft. Der Durchsuchungsbeschluss kam dann erst ein Jahr später, die Beschlagnahmung folgte dann wieder ein halbes Jahr später vom 28. Februar bis 2. März 2012.

Am 28. November soll Bayerns Justizminister Winfried Bausback (CSU) dem Rechtsausschuss im Landtag Rede und Antwort stehen. Die rechtliche Frage: Durfte die Staatsanwaltschaft die Bilder überhaupt so lange behalten? Soweit bekannt, hat Gurlitt nach wie vor keinen Anwalt. In einem am Wochenende veröffentlichten Interview des Nachrichtenmagazins "Spiegel" hatte der Kunsthändler-Erbe betont, er wolle alle Bilder wieder haben: "Freiwillig gebe ich nichts zurück."

Gurlitt will Bilder nicht zurückgeben

Die Erben des jüdischen Kunsthändlers Alfred Flechtheim (1878-1937) fordern für Deutschland ein Bundesgesetz zur Rückgabe von NS-Raubkunst. Als Vorbild nannten ihre Anwälte Österreichs Kunstrückgabe-Gesetz, das 1998 beschlossen wurde. Dieses sieht im wesentlichen vor, dass Objekte, die während der NS-Zeit in Österreich konfisziert wurden und sich in den Bundesmuseen befinden, an die ursprünglichen Besitzer bzw. deren Erben zurückgegeben werden. Über die Rückgabe entscheidet ein Beirat.

Die Weigerung von Gurlitt, Bilder aus dem Münchner Kunstfund zurückzugeben, sei "eine schmerzhafte Nachricht für die noch lebenden Opfer des Nationalsozialismus und ihre Nachkommen", erklärten die Erben Flechtheims am Dienstag. Die Aussichten, Werke zurückzubekommen, seien bei der derzeitigen Rechtslage verschwindend gering.

(APA/dpa)

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