Berühmte Kunst stehlen ist (oft) leicht – trotzdem tun es fast nur Dumme

MUNCH - Der Schrei
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Ausgerechnet der berühmteste Kunstraub wurde von einem Mann mit laut Psychologen äußerst schlichten Geistesgaben begangen. Auch sonst ist der geniale und feinsinnige Kunstdieb ein Klischee.

Vincenzo Peruggia, der 1911 die Mona Lisa stahl, wurde von jenen, die nach seiner Festnahme mit ihm zu tun hatten, als Mann von sehr geringer Intelligenz beschrieben – nicht gerade als idiotisch, aber fast. Das entspricht nicht dem Kino-Klischee des genialen Kunsdiebes.

Vom Drogenhandel zur Kunst. Die meisten realen Kunstdiebe sind aber auch nicht naive Idealisten wie Peruggia. Stattdessen handle es sich einfach um Berufs-Kriminelle, die schon viel Erfahrung mit Drogen und Autodiebstählen hätten, sagt der Museums-Sicherheitsberater Ton Cremers. „Sie lesen in der Zeitung, dass diese Bilder Millionen wert sind, und sie planen ihre Kunstraubzüge ganz professionell. Sie planen aber nicht, was sie danach tun werden.“ Dieses Danach ist nämlich das eigentliche Problem.

Denn die berühmten Gemälde sind ja legal nicht zu verkaufen, und auf dem Schwarzmarkt ebenfalls kaum. Und auch das „Artnapping“, also das Fordern von Lösegeld, funktioniert meist nicht. Eine Ausnahme war der Kunstraub aus der Frankfurter Schirn Kunsthalle 1994. Drei Männer ließen sich nach Ende der Öffnungszeit im Museum einschließen und überwältigten anschließend den Nachtwächter. Gestohlen wurden „Nebelschwaden“ von Caspar David Friedrich und zwei Bilder von William Turner. Aufsehen erregte in der Folge nicht zuletzt, dass die Tate Gallery den Hehlern die Turner-Bilder, die ursprünglich in ihrem Besitz waren, abkaufte.

Oft sind diese Diebe talentierte Kriminelle, aber miserable Geschäftsleute. Anders als Klügere, die nur weniger bekannte „Ware“ stehlen, überlegen sie nur, wie sie der Bilder habhaft werden können, aber nicht, welche Probleme sie sich damit aufhalsen. Dass sie dann oft mit allen Mitteln versuchen würden, das Gestohlene an den Mann zu bringen, spiele den Ermittlern in die Hände, erzählt ein Experte auch. Nicht zuletzt, weil die Wahrscheinlichkeit, am Schwarzmarkt auf einen interessierten Käufer zu treffen, der in Wahrheit ein Polizeiagent ist, sehr hoch ist.

Dass die Diebe auf den Kunstwerken sitzen bleiben, kann auch für Letztere gefährlich werden. Nach dem spektakulären Rotterdamer Kunstraub, bei dem Bilder u.a. von Picasso, Matisse und Monet gestohlen wurden, soll die Mutter eines Hauptverdächtigen Bilder im Ofen verbrannt haben, um das „Beweismaterial“ zu vernichten.

Im Fall des Elsässers Stéphane Breitwiesers, der zwischen 1995 und 2001 239 Kunstwerke im Wert von 200 Millionen Euro stahl, ist es Gewissheit: Nach der Festnahme des Sohnes zerschnitt die Mutter die Bilder und warf sie in den Müll beziehungsweise in den Rhone-Kanal. Ein Teil der Bilder konnte gerettet werden. Breitwieser versuchte Selbstmord zu begehen, als er davon hörte. Er gehört zu den wenigen Dieben, die berühmte Gemälde stahlen, um sie privat zu genießen.

Oft braucht es nicht nur keine Leidenschaft für die Kunst, sondern nicht einmal überdurchschnittliches kriminelles Geschick, um ein berühmtes Kunstwerk aus einem Museum zu entwenden. Und öfter als man denkt, macht auch hier die Gelegenheit Diebe.

Was, so leicht? Wiener Schlamperei half dem Saliera-Dieb, und 2010 schnitten im Pariser Museum für Moderne Kunst Diebe ein Fenster auf, stiegen ein und nahmen u. a. einen Picasso und einen Matisse mit – die Alarmanlage war seit Wochen defekt. Auch in Rotterdam war der Diebstahl einfach, zwei Minuten und 48 Sekunden sollen die zwei Täter gebraucht haben, um die sieben Bilder an sich zu bringen. Er habe gedacht, es seien Fälschungen, sagte im Prozess einer der Angeklagten. „Ich konnte nicht glauben, dass man sie so leicht bekommt.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.12.2013)

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