Ausstellung: Pfauenhafte Paradiesvögel

(C) Lentos Museum
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Das Lentos-Museum in Linz huldigt der Ära des „Glam“, der in der Rockmusik und in der Mode seinen Niederschlag fand. David Bowie & Co. waren stilbildend.

Die „Factory“, Andy Warhols Kunstfabrik in Manhattan, war eine Hochburg des Artifiziellen, ausgekleidet mit Alufolie und silbern besprüht. Hier erlebte die Pop-Art ihre Geburtsstunde, hier hob der Meister mit der Silberhaarperücke eine Band namens Velvet Underground aus der Taufe. Als Ende der 1960er-Jahre ein junger Londoner Musiker zwecks Inspiration zu ihm ins Studio pilgerte, mochte der ihm Talent und Coolness nicht absprechen. Nur die Hippie-Frisur des Besuchers war ihm nicht geheuer.

Monate später hatte sich das Chamäleon David Bowie in ein androgynes Wesen verwandelt, die Mähne wich einem Kurzhaarschnitt – die erste der Metamorphosen, die noch folgen sollten. Und er widmete Warhol, neben Bob Dylan, auf dem Album „Hunky Dory“ einen eigenen Song. Der bekennende Eklektiker Bowie schuf wie sein Vorbild aus bestehenden Strömungen eine neue Person, er nahm Anleihen bei Künstlerfreunden und suchte die Kooperation mit Lou Reed, Brian Eno, Iggy Pop oder Mott the Hoople.

Mal stilisierte sich Bowie – benannt nach einem US-Pionier des 19. Jahrhunderts – zu Major Tom, mal zu Ziggy Stardust oder zu Aladdin Sane samt rot gefärbtem Haar und Listrich: eine Kunstfigur, halb Mann, halb Frau. Zusammen mit seinem Freund Marc Bolan, dem Gründer der Band T. Rex, versprühte er Glamour und begründete eine Ära, die kaum fünf Jahre dauern sollte: den Glam-Rock.

Das Lentos-Museum in Linz beschwört in der Ausstellung „Glam!“ die kurzlebige, aber nichtsdestoweniger einflussreiche Epoche in der ersten Hälfte der 1970er-Jahre herauf – und setzt den Titel stilgetreu in glänzende Goldschrift. Schwelgerische Opulenz, schrille Kostüme, das Spiel mit der sexuellen Identität, Narzissmus und Dandytum vor allem in Musik und Mode, mit Abstrichen in der Kunst sind Charakteristika jener Zeit, die schließlich als popkulturelles Phänomen in die Rock-Operetten von Queen und das Kult-Musical „Rocky Horror Picture Show“ einfließen.

Die britische Avantgarde, allen voran Bowie, fungiert als Posterboy jener Generation, die ihre Prägung an den Kunsthochschulen erfuhr – Protagonisten wie die Gründerfiguren von Roxy Music. Das hautenge dunkelrosa Kostüm Brian Ferrys und erst recht der Glitzeranzug des Brian Eno, des pfauenhaften Paradiesvogels, fangen geradezu die Essenz der Ära ein, die schillernde Extravaganz, die Aufhebung der Geschlechterrollen. Lou Reeds Album „Transformer“ – mit dem Hit „Walk on the Wild Side“ – und Jürgen Klaukes gleichnamige Figur stehen programmatisch für die Überschreitung von Grenzen. Kokett outete sich Bowie im „Playboy“ als bisexuell, seine Frau Angie will ihn prompt mit Mick Jagger in flagranti unter der Bettdecke ertappt haben – womöglich nur eine Legende.

Crossdressing und Maskeraden waren angesagt, eine Zeitlang waren Paillettenjacken der letzte Schrei. „Born to be chic“ lautete das Motto Marc Bolans. Die Selbstinszenierung war alles, der Schein bestimmte das Sein – dies war nicht zuletzt, wie die Schau demonstriert, ein Rückgriff auf Andy Warhol.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.12.2013)

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