Baselitz: "An der Zeichnung wurde gefummelt"

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Der farbige Holzschnitt - Clair-obscur genannt - faszinierte die Menschen der Renaissance. Und er fasziniert den deutschen Malerstar Georg Baselitz - die Albertina zeigt jetzt Blätter seiner Sammlung. "Die Presse" fragte ihn, warum.

Das kann man sich vorstellen: „Es ist eine sehr einsame Sache, Clair-obscur-Holzschnitte zu sammeln“, sagt Georg Baselitz der „Presse“. Die meisten Leute wissen wohl nicht einmal, wovon einer der erfolgreichsten deutschen Maler der Gegenwart dabei spricht. Clair-obscur-Holzschnitte – also Helldunkel-Holzschnitte – wurden um 1500 in Deutschland erfunden. Sie brachten erstmals die Farbe in die Druckgrafik, mit zwei, drei, später bis zu sieben übereinander gedruckten Platten wurde so ein rein lineares, schwarz-weißes Motiv zu einem malerischen Spiel der Schattierungen.

Wer so etwas sammle, sei meist ziemlich verschroben, gibt Baselitz zu. „Jetzt bin ich aber zeitgenössischer Maler und gar nicht einsam, sondern in bester Gesellschaft. Aber auf diesem Gebiet wollte ich immer Konkurrenz, wollte ich immer, dass auch ein anderer Kollege anfängt mit Clair-obscur. Aber in 50 Jahren habe ich nie jemanden gefunden, der auch nur einen Finger hebt bei einer Auktion. Einer sammelt indische Malerei, Richard Tuttle sammelt zum Beispiel französische Grafik des 18.Jahrhunderts. Aber auf meinem Gebiet – niemand.“

Ein Schicksal, das sich vielleicht ändert durch die aktuelle Ausstellung von Baselitz' Sammlung in der Albertina – insgesamt 200 Blätter, die Hälfte davon aus den Beständen des Malers, zeichnen die Geschichte dieser Technik nach. Der Albertina-Kurator für italienische Kunst, Achim Gnann, ergänzte die Baselitz-Sammlung mit Albertina-Beständen; Gnann kennt die Leidenschaft des Malers gut, schon 2007 hat er für das Frankfurter Städel die Ausstellung „Parmigianino und sein Kreis: Druckgrafik aus der Sammlung Baselitz“ zusammengestellt.

Baselitz entdeckte die Grafik in Rom

Als Jungkünstler 1965 in Florenz, so Baselitz, habe er die Druckgrafik für sich entdeckt. Er hatte ein Stipendium der Villa Romana, war auf die Manierismus-Bibel „Die Welt als Labyrinth“ von Gustav René Hocke gestoßen und studierte deshalb im Deutschen Kunsthistorischen Institut die Grafik. Nachdem er „unbedingt Dokumente von dem, was ich in Rom damals erlebt habe, mit nach Berlin nehmen wollte, habe ich angefangen, Druckgrafik zu kaufen, was relativ billig war.“ Was natürlich nicht für die Clair-obscur-Preziosen gilt – manchmal wurde nur ein einziger Abzug gemacht, von anderen, die flugblattähnliche Funktion hatten, existieren heute trotzdem nur noch drei, vier Stück. In Baselitz' Sammlung befindet sich etwa die Grafik „Heiliger Georg mit dem Drachen“ von Hans Burgkmair dem Älteren, gemeinsam mit seinem Gegenstück, einem Kaiser Maximilian auf dem Pferd, einem der ältesten Beispiele der Clair-obscur-Technik. Wer sie wirklich erfunden hat, ist fraglich, erklärt Gnann, hat Lucas Cranach d. Ä. seinen „Hl. Christoph“ doch im Nachhinein auf 1506 vordatiert, um seine Vorreiterrolle zu behaupten, die ihm wohl auch zusteht. Müssen Burgkmairs Blätter für Maximilian laut einem Schriftverkehr wohl als „direkte Antwort“, so Gnann, auf Cranachs Entwicklung gelesen werden. So weit, so kunsthistorisch. Auch damals kämpfte die Avantgarde um ihre Plätze. Wie Baselitz, der sich, als alle anderen den Siebdruck propagierten, bewusst im Holzschnitt übte: „Ein halbes Jahr nur, dafür als außenseiterischer Avantgardist. Ich wollte etwas dagegensetzen. Ich wusste es immer besser“, sagt er. 75 Jahre ist er jetzt. Die Albertina feiert diesen Geburtstag gleich doppelt, mit einem Blick auf Baselitz als Sammler – und mit einem auf sein Spätwerk, von dem das Museum unglaubliche 120 Werke beheimatet. 110 davon sind zurzeit in der Kahn-Galerie ausgestellt.

In London wird der Geburtstag weitergefeiert, das British Museum und die Gagosian Gallery zeigen dieses Frühjahr große Baselitz-Ausstellungen, die Clair-obscur-Schau wandert ein wenig verkleinert in die Royal Academy weiter. Es ist interessant, was Baselitz gerade an diesen farbigen Renaissance-Holzschnitten so fasziniert. Warum keine Handzeichnungen, gelten diese doch als unmittelbarster Ausdruck eines Künstlers? „Bei alten Zeichnungen kann man sich aber genau darauf nicht verlassen“, erklärt Baselitz. „Sie sind alle leidend an der Zeit und an Manipulationen, die andere vorgenommen haben. Da traut sich jeder dran, überall wurde da herumgefummelt. Das stört mich irrsinnig. Bei Druckgrafiken tut das niemand. Daher sind die für mich authentischer. Eingeklebt in Alben haben sie 400 Jahre ohne Verlust überdauert.“

ZUR PERSON

Georg Baselitz wurde 1938 als Hans-Georg Kern in Deutschbaselitz geboren. Sein Markenzeichen ist das auf den Kopf gestellte Motiv. Er zählt heute zu den erfolgreichsten Malern der Gegenwart. Die Albertina feiert seinen 75. Geburtstag mit den Ausstellungen seines Spätwerks (bis 12.2.) und seiner Clair-obscur-Sammlung (bis 16.2.). [ EPA ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.01.2014)

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