Ist die Kulturszene einer der letzten Horte der Bargeldzahlung? Ja. Wodurch Künstler wie Matthias Hartmann oder Hermann Nitsch ins Zwielicht geraten.
Rita Nitsch, Finanzministerin im Reich des Wiener Aktionisten, klingt weniger empört als traurig am Telefon aus Frankfurt, wo Nitsch ab morgen im Kunstraum Dreieich ausstellt. Sie sieht die „völlig überraschende“ Razzia der Steuerbehörde in Nitschs Schloss in Prinzendorf, in einer Wiener Wohnung und in einer ehemaligen Mietwohnung Nitschs als ruf- und dadurch auch geschäftsschädigend an. Insgesamt 50 Beamte gleichzeitig wären wohl mit der Durchsuchung beschäftigt gewesen, schätzt sie, allein neun hätten sich in der 70 Quadratmeter kleinen Wiener Wohnung aufgehalten – „da können gar nicht alle hineingegangen sein“.
20 waren es auf Schloss Prinzendorf – wegen der angeblich vielen hier beschäftigten Schwarzarbeiter sowie der Millionen und der Brillanten im Tresor, die man suchte, es standen sogar Koffer dafür bereit, erzählt Nitsch. Hinter derartigen „Informationen“ stecke die Anzeige des Privatdetektivs Dietmar Guggenbichler („Lucona-Aufdecker“), den sie nach dem Einbruch ins Schloss voriges Jahr im ersten Schock engagiert habe, so Rita Nitsch. Damals waren aus dem Safe 400.000 Euro und Schmuck im Wert von 100.000 Euro gestohlen worden, Rücklagen für das nächste Sechs-Tage-Spiel, so Nitsch.
Bisher fand weder die Kripo, die damals zwei DNA-Spuren sichern konnte, noch zwei Privatdetektive etwas heraus. Mit Guggenbichler – der Detektiv sei in der Justizszene „mehr als bekannt“, so ein Anwalt zur „Presse“ – gab es später Streit um sein Honorar. Daher, so Nitsch, wohl auch die Anzeige, dass bei dem Überfall nicht „nur“ 400.000 Euro, sondern eine Million Euro gestohlen worden seien. „Völliger Blödsinn“, meint Nitsch. Millionen habe man der Steuer jedenfalls sicher nicht hinterzogen. Zurzeit habe sie trotzdem keine gesteigerte Lust, nach Österreich zurückzukommen, aber „wenn man mich ruft, komme ich natürlich“.
„Da brauchte man einen großen Koffer“
Nachdem Matthias Hartmann kurz nach seiner Entlassung als Burgtheater-Direktor auch noch Selbstanzeige bei den Steuerbehörden gemacht hat, ist die Aufregung bei Nitsch nun umso größer. In Deutschland geriet voriges Jahr mit Georg Baselitz, einem der teuersten Maler der Gegenwart, ein anderer Künstler ins Visier der Steuerfahnder. Eine Geschichte, die der „Spiegel“ aufbrachte. Danach hörte man nichts mehr von einem Verfahren. „Bis auf einen Minibetrag, den Baselitz auf irgendeinem Uraltkonto vergessen hatte, wanderte die ganze Sache schnell zu den Akten“, so Baselitz' Galerie Thaddaeus Ropac. In diesen Gefilden des Kunstmarkts sei es auch nicht mehr üblich, mit Bargeld zu bezahlen. „Das wäre mir neu. Bei uns zahlt keiner bar – man brauchte in den meisten Fällen wohl auch einen ziemlich großen Koffer“, so Arne Ehmann von der Galerie Ropac.
Wobei in einem anderen Kunstbereich, im Theater, Barzahlungen offenbar immer noch üblich sind. Dass er sich 230.000 Euro bar auf die Hand auszahlen ließ, erklärte Matthias Hartmann als „absolut üblichen Vorgang“. Helga Rabl-Stadler, Präsidentin der Salzburger Festspiele, bestätigte das den „Salzburger Nachrichten“ auch für ihre Institution. 2006 sollen noch 6,83 Mio. Euro bar ausbezahlt worden sein, 2013 immerhin noch 791.000 von insgesamt 30 Millionen. Nach einer Empfehlung des Rechnungshofs gibt es Barzahlungen heute nur mehr im Ausmaß von einigen wenigen hundert Euro.
Im Allgemeinen, so der auf Kunstbelange spezialisierte Wiener Anwalt Nikolaus Lehner, könne man die Kunstszene aber sehr wohl noch als einen der letzten Horte der Bargeldzahlung bezeichnen. Aber warum das automatisch nicht rechtens sein soll, versteht Lehner nicht. „Solange das Bargeld versteuert wird natürlich.“ Er habe durchaus Verständnis für diese Vorliebe mancher Künstler, deren Gewohnheiten sowieso nicht an jenen des Durchschnitts zu messen seien. „Ein Kunstwerk wird in der Regel ja auch persönlich übergeben und nicht per Post geschickt.“ Schwarzgeld sei dabei überhaupt nicht das Thema, so Lehner. Da pflichtet ihm Steuerberater und Anwalt Johannes Prinz von der Kanzlei CHSH bei: Man könne Kultureinrichtungen und Schauspielern nicht als Hauptmotiv die Steuerhinterziehung unterstellen. Allerdings könnten ausländische Wohnsitze in Zeiten vereinfachter grenzüberschreitender Überweisungen kein Argument mehr für das bargeldlose Zahlen sein. Dass man in einem Großbetrieb wie dem Burgtheater immer noch mit Bargeld bezahlt hat, hält er aber für zumindest ungewöhnlich.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2014)