Die Lederjacken der Gestapo

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Eine ausgezeichnete Ausstellung über Stefan Zweig. Sie beschäftigt sich vor allem mit den Jahren des Exils und zeigt Wesentliches seiner Autografensammlung.

Im Innenhof des Palais Lobkowitz ist der prachtvolle ornamentale Teppich eines Grandhotels aufgerollt, als ob eben dichtgemacht würde. Ein zweites Zeichen des Aufbruchs: Im Hintergrund hängt ein riesiges Poster mit den Weiten des Atlantiks. Eine rote Laufschrift darüber bringt kurze Zitate über die Härten der Fremde. Inmitten des grauen Himmels und des Ozeans auf dem Foto dampft ein Passagierschiff Richtung Westen. Auf dieser Scythia machten sich am 25. Juni 1940 Stefan Zweig und seine Frau Lotte von Liverpool nach New York City auf, zu den letzten Etappen eines Exils, das bereits 1934 in Salzburg mit der Flucht dieses jüdischen österreichischen Schriftstellers vor dem Faschismus begonnen hatte.

Nicht einmal eineinhalb Jahre nach ihrer letzten Überfahrt aus Europa wird sich das Paar in Brasilien gemeinsam das Leben nehmen. Aus Hoffnungslosigkeit offenbar. Einen Tag zuvor hatte Zweig Ende Februar 1942 das Manuskript seiner „Schachnovelle“ zur Post gebracht, in den letzten Jahren in der Fremde hatte er noch seine Erinnerungen an den alten Kontinent, an das Habsburgerreich geschrieben, „Die Welt von Gestern“. Die war damals längst ausgelöscht.

Diese beiden Werke stehen auch im Zentrum der Ausstellung „Wir brauchen einen ganz anderen Mut! Stefan Zweig. Abschied von Europa“, die mit der symbolischen Ouvertüre im Eingangsbereich des Wiener Theatermuseums beginnt und in zwei anschließenden Räumen in immenser Dichte die Jahre des Exils vermittelt. Die von Klemens Renoldner konzipierte und von Peter Karlhuber gestaltete Schau ist klug und sinnlich gemacht, sie wird durch einen reich illustrierten Band mit Essays (Christian Brandstätter Verlag) perfekt ergänzt.

Originale von Kafka und Roth im Karton

Noch im Eingangsbereich hat man in einer Vitrine die Emigration, die zuerst auf Jahre nach England führte, als Amtsvorgang veranschaulicht: Passfotos, Visumanträge, Empfehlungen. In weiteren Schaukästen sieht man den ungeheuren Erfolg dieses internationalen Autors, der in Dutzenden Sprachen erhältlich war. Zwar brach ihm nach 1933 ein Großteil des deutschen Marktes weg, seine Bücher wurden verbrannt, doch ein Foliant, in dem Zweig penibel Ausgaben, Übersetzungen, Verfilmungen, Dramatisierungen eintrug, beweist seine anhaltende Popularität. Seine hier dokumentierten Theaterstücke waren seinerzeit ebenfalls erfolgreich, sie wurden auch am Burgtheater aufgeführt.

Die zwei Haupträume sind dramatisch inszeniert. Rechts wird das Thema Aufbruch durch offene Umzugskartons aufgenommen. Sie dienen als Schaukästen. Bilder berühmter Autoren und Künstler sind in diesem Salon bereits abgehängt, man kann sie durchblättern. An der Wand stecken nur noch Haken, ein Luster ist halb herabgesenkt. Das Wesentliche bleibt aber die Schrift. Den Großteil seiner Handschriftenkollektion hat Zweig der Theatersammlung der Nationalbibliothek vermacht, deren Nachfolger das Theatermuseum ist. Viele Stücke sind erstmals ausgestellt, etwa von Kafka, Thomas Mann, Joseph Roth. Zudem wurden Originale aus Archiven in den USA und Israel zur Verfügung gestellt. Zweig sammelte nicht nur Manuskripte, sondern auch Korrekturfahnen, Entwürfe, ihn interessierte der Schaffensprozess.

Im linken Raum begegnet man unverstellt dem Terror. Ein imposantes, beleuchtetes Modell des Luxushotels Métropole steht im Zentrum. In ihm liegt ein Teppich wie jener vom Innenhof. Das Haus am Franz-Josefs-Kai wurde nach dem Anschluss Österreichs an Deutschland 1938 von der Gestapo zu ihrem Hauptquartier gemacht. Dort wurde gefoltert. Die dunklen Mäntel der Peiniger hängen nun hier an der Wand, verbreiten intensiven Ledergeruch. Rings um das Modell reihen sich Exponate: Tondokumente, Filme (mit Zweig und aus der Verfilmung der „Schachnovelle“ mit ihrem Bezug zum Métropole), das Schach des Autors, Briefe in der charakteristischen lila Tinte. Man liest von einem, der Pazifist und Europäer war, der sich bis zuletzt um Mitmenschen kümmerte, schließlich keine Illusionen mehr hatte, dem nur noch das triste Exil blieb.

„Stefan Zweig. Abschied von Europa“: bis 12.1.2015, täglich außer Di, 10–18 Uhr, Wien 1, Lobkowitzplatz 2

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.04.2014)

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