La Barbe: Conchita Wurst à la française

La Barbe
La Barbe(c) Wikipedia
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Den Bart hatten sie schon lange vor Conchita Wurst: Das feministische Kollektiv La Barbe aus Frankreich kämpft mit Bärten gegen Sexismus.

„Unsere aufrichtigen Glückwünsche an Conchita Wurst!“, schreibt das feministische französische Kollektiv La Barbe, zu Deutsch Der Bart, auf Facebook, und weiter, an die Leser gewandt: „Sie müssen zugeben, dass unsere neueste Werbekampagne bei der Eurovision richtig gut gelaufen ist.“ Über den österreichischen Sieg beim Songcontest sind die Französinnen begeistert: „Mit unseren Bärten werden wir immer sofort von der Bühne geworfen. Umso mehr freuen wir uns, dass Conchita es geschafft hat.“ Das Kollektiv kämpft in Frankreich seit Jahren gegen die männliche Vorherrschaft in Politik und Gesellschaft und gegen die Sexualisierung der Frau: mit Flashmobs, dem Stürmen politischer Veranstaltungen, „Flittchenmärschen“, Demos – immer mit Bart.

Mit Wurst gemeinsam hätten sie den Einsatz für Toleranz und sexuelle Freiheit, erklärt eine Aktivistin von La Barbe, die Marine genannt werden will. Der Name Conchita stehe im französischen Sprachgebrauch für Putzfrauen aus dem spanisch-portugiesischsprachigen Raum. Es bedeute außerdem das weibliche Geschlechtsorgan und werde ausschließlich abwertend verwendet. Doch dank des Songcontests hätten die Aktivistinnen verstärkt Anfragen von Leuten, die sich für ihre Aktionen interessierten, freut sich Marine.

„Frauen machen Babys“

Vor fünf Jahren in Paris gegründet, hat La Barbe inzwischen Ableger in mehreren französischen Städten. Anfang Mai intervenierten die bärtigen Aktivistinnen bei der 30-Jahr-Feier einer Pariser Kunststiftung, plädierten für mehr Frauen in der Kunst. Ironisches Motto der Aktion: „Frauen machen Babys, Männer machen Kunst.“ In den vergangenen 20 Jahren sei bei der Stiftung nicht einmal jede fünfte Ausstellung von einer Frau gewesen, schrieben die Aktivistinnen in einem Brandbrief. Das Lob an die Organisatoren der Feier strotzte vor Sarkasmus: „Es war die Anwesenheit von einigen wenigen Frauen, die die Schaffenskraft und Stärke der Männer erst richtig zur Geltung brachte.“

Am Samstag wird La Barbe fünf Jahre alt. Mit einer großen Feier wird in Paris auf zahlreiche Aktionen zurückgeblickt. Mit dem eigenen Buch „La Barbe – fünf Jahre feministischer Aktivismus“ hat sich die Gruppe bereits ein Denkmal gesetzt. Vorgestellt wurde es auf der Pariser Buchmesse im März. Dort ließen sich Aktivistinnen der Gruppe immer wieder mit Männergruppen ablichten: mit Autoren, männlichen Besuchern und vor einer Wand bedeutender – und zumeist männlicher – Erfinder des Landes. Gleichzeitig erinnerten die französischen Conchitas an die nicht allzu ferne Vergangenheit: Ein Volksbegehren für mehr weibliche Mitbestimmung hatte erst 100 Jahre zuvor eine halbe Million Französinnen mobilisiert. Erst 30 Jahre später ist in Frankreich das Frauenwahlrecht eingeführt worden. In Österreich durften Frauen „schon“ ab 1918 wählen – ob mit oder ohne Bart.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.05.2014)

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