La Strada: Der Surrealismus der Straße

GRAZ: EROEFFNUNG INTERNATIONALES FESTIVAL FUeR STRASSENKUNST UND FIGURENTHEATER 'LA STRADA'
GRAZ: EROEFFNUNG INTERNATIONALES FESTIVAL FUeR STRASSENKUNST UND FIGURENTHEATER 'LA STRADA'APA/LA STRADA 2014/NIKOLA MILATO
  • Drucken

Zur Eröffnung des Straßentheaterfestivals wurde in Graz ein besonderes Bühnenbild präsentiert: ein lang verschollenes Original von Salvador Dalí.

Im Jahr 1944 bemalte Salvador Dalí eine Leinwand, neun mal 15 Meter groß, mit zwei Figuren, in rissige Umhänge gehüllt, die eine mit einer Pusteblume als Kopf, die andere mit wie von Spinnweben verbundenem Gesicht. Die Leinwand war Bühnenbild für das Ballett „Mad Tristan“ (inspiriert von Wagners Oper „Tristan und Isolde“), das Dalí gemeinsam mit dem russischen Choreografen Léonide Massine auf die Bühne der Metropolitan Opera in New York brachte. Danach hat die Öffentlichkeit das Bild lange nicht gesehen. Erst 2009 wurde es wiederentdeckt – in einer Holzkiste im Lager der Metropolitan Opera. Eine anonyme europäische Kunstsammlung kaufte das Werk. 2010, kurz nach Weihnachten, war der Schweizer Choreograf, Clown und einstiger Cirque-du-Soleil-Regisseur Daniele Finzi Pasca gerade damit beschäftigt, das Abendessen vorzubereiten, als das Telefon läutete. Ein Kunstsammler fragte ihn, ob er Dalís Leinwand für eine Show verwenden würde. Eine Hommage an den großen Surrealisten – so wie er zuvor mit seinem Programm „Donka“ Tschechow geehrt hatte. Finzi Pasca sagte Ja.

Nun ist die Leinwand (und die Show) auch in Österreich zu sehen. Die Compagnia Finzi Pasca eröffnete mit „La Veritá“ in der Grazer Oper das Straßentheaterfestival La Strada. Die kanadisch-schweizerische Gruppe verwandelt Dalís Ästhetik in eine poetische und atemberaubende Zirkusshow. Die typischen Motive aus Dalís Kunstwerken finden hier auf die Bühne: Auf den Krücken, die bei Dalí den Himmel halten oder allerlei Dinge stützen, turnt ein Artist Überschläge – stets ausweichend vor dem Stier auf der Scheibtruhe. Die Doppelhelix aus der DNA-Struktur, die Dalí gar für einen Gottesbeweis gehalten hat, wird zum geschwungenen Trapez. Daneben wird in surrealen Kostümen jongliert, auf Klavieren und mit Marionetten getanzt, auch ein Akteur mit Dalí-Maske tänzelt im roten Tutu über die Bühne. Das alles vor einem verträumten Hintergrund aus fließenden Farben, überdimensionalen Pusteblumen und eben der lange verschollenen Leinwand.

Strawinsky am Bahnhof

Seit 17 Jahren bringt das Festival La Strada internationale Artisten- und (Figuren-)Theatergruppen nach Graz, die die Grazer Spielstätten, aber vor allem öffentliche Plätze bespielen. 24 Produktionen werden noch bis 9.August das Stadtbild prägen, einige bei freiem Eintritt. Der französische Komponist Pierre Sauvageot etwa hat mit den Klängen des Grazer Hauptbahnhofs – Lautsprecherdurchsagen, dem Quietschen der Zugräder – Igor Strawinskys „Frühlingsweihe“ neu vertont. Das Publikum kann die Komposition mit Kopfhörern am Bahnhof hören. Das freie Grazer Theater „t'eig“ bietet auf einer brachen Industriewiese ein Mitmachtheater, bei dem sich die Zuschauer als Dorfbewohner versuchen müssen. Man folgt den Darstellern zu den verschiedenen Bastionen des Landlebens – Kapelle, Feuerwehrhaus, Dorfgreißler – und erfährt nach und nach die dunklen Geheimnisse der Bewohner, deren Welt nicht so heil ist, wie Blumenschmuckwettbewerb und Niedrigenergiehäuser vermuten lassen.

Akrobatik vom Feinsten bieten die französischen Artisten „Akoreacro“ im Zirkuszelt im Augarten. Sie zeigen kleine, genial komische Szenen, in denen Musik, Artistik und übertriebenes Showgehabe verschmelzen. Da steht ein Mann auf dem Trapez. Turnt er? Nein! Er spielt Akkordeon und springt sogleich mitsamt seinem Instrument in die Arme seiner Kollegen. Der Konzertflügel wirbelt quer über die Manege, die Geige landet auf dem Hochtrapez. Und am Ende verabschiedete sich die Gruppe noch in charmant bescheidener Art vom Publikum: „Bleiben Sie, wie Sie sind.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.08.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.