Kunsthaus Bregenz: Zerlegte Autos, zerlegte Träume

(c) Kunsthaus Bregenz: Markus Tretter
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Richard Prince hat mit banalen Bildern Weltruhm erlangt. Heute deutet er als Bildhauer die Legenden und Mythen einer ganzen Generation um.

Sein Name steht für die New Yorker Kunst der 1980er-Jahre, seine Cowboys, einst das Verkaufsmotiv einer Zigarettenmarke, und seine Witzbilder erzielen Höchstpreise auf Auktionen. Der 1949 geborene Richard Prince ist ein Starkünstler – auch wenn man eigentlich nie so recht verstanden hat, wie gerade diese banalen Bilder solch einen Weltruhm erlangen konnten. „Die Potenz der Arbeit liegt in ihrer eklatanten Seichtheit“, ist im Katalog des Kunsthauses Bregenz zu lesen. Dort findet gerade Princes erste große, institutionelle Personale in Österreich statt. Seichtheit? Diese Beobachtung würde jedenfalls zu der Vermutung passen, dass Millionen von Dollar investierende Kunstkäufer lieber Banales als komplexe, mit verzweigten Verweisen gespickte Werke kaufen. Aber die „Seichtheit“ hier ist positiv gemeint, der Katalogautor will uns damit den Weg zu Princes Werk ebnen. Wird hier ein Makel schöngeredet oder kann Banalität tatsächlich positiv verblüffen?

Princes Konzept basiert darauf, sich einige der im kollektiven Bildergedächtnis allseits bekannte Motive „anzueignen“. „Appropriation Art“, also „Aneignungskunst“, hieß diese Tendenz in den 1980ern. Der holprige Begriff konnte sich nie durchsetzen, die Methode jedoch verfolgt Prince bis heute. Anfangs fotografierte er einen einsamen Cowboy aus der Werbung ab, der durch die Prärie reitet und sich im Sonnenuntergang eine Zigarette ansteckt. Ohne das Logo und die Schrift der Zigarettenmarke holte Prince das Werbemotiv in die Welt der Bilder zurück. Später schrieb er frivole, oft politisch keineswegs korrekte oder auch wenig witzige Witze mitten auf riesige Leinwände: „Mein Arzt riet mir, mein Trinken zu beobachten. Seither trinke ich vor dem Spiegel.“ Gerne greift Prince auch softpornografische Fotografien auf, die er mit Schrift überklebt oder mit Bildern von Protestierenden kombiniert.

Heile Welt als Werbeträger

Einiges davon ist auch in Bregenz zu sehen, allerdings in einem Arrangement, das mehr als verwundert. Auf jeder Ebene stehen fahruntüchtige Autos, Chevrolet El Camino und Buick Grand National. Manche sind in Skulpturen verwandelt, die Motorhaube scheint in eine Box einbetoniert. Andere Autos sind mit Bildern von sich räkelnden, halb nackten Mädchen bedruckt. An einer Wand hängt eine Motorhaube, ein Ring darauf reicht aus, um das Autoteil als Basketballkorb zu identifizieren. Gegenüber hängen eng nebeneinander vier Autotüren. „The Doors“, also „ die Türen“, ist der Titel. Eine Fotografie weist den Weg zum Verständnis, darauf sehen wir Jim Morrison, Sänger der legendären, vierköpfigen Band „The Doors“. Mit jeder weiteren Arbeit auf den vier Ebenen des Kunsthauses wird es deutlicher: Hier geht es um Mythen und Motive der US-amerikanischen Alltagskultur, banale Elemente, ja. Aber gebrochen, umgedeutet, demoliert.

„It's a free concert“ betitelt Prince seine Schau, in der er rund um die einst legendären Autos ähnliche legendäre Größen der Popmusik arrangiert: Unten die Doors, oben eine vergrößerte Unterschrift von Jimi Hendrix, dazu Fotografien der Bands des Doo Wop genannten Musikstils der 1950er- bis 1960er-Jahre. Die allerdings hat Prince in Regale verwandelt: In kleinen Einbuchtungen stehen Shampoo oder Parfum. Diese Musik als Ausdruck einer Sehnsucht nach einer heilen Welt ist zum Werbeträger geworden – eine Umkehrung seiner Cowboy-Bildmethode, als er das Bildmotiv von der Werbung befreite.

Mit einfachen „Aneignungen“ gibt sich Prince heute nicht mehr zufrieden. Stattdessen erzeugt er ein merkwürdiges Unbehagen. Hier scheinen verborgen-verbotene Sehnsüchte herausgekramt und dann betoniert zu werden. Von Seichtheit keine Spur. Stattdessen legt Prince ein Labyrinth von Verweisen und Assoziationsangeboten an, was ein eindeutiges Verständnis verunmöglicht. Die Banalität trifft auf das Ausgangsmaterial zu. Seine in Bregenz inszenierten Werke jedoch zeigen Richard Prince als überzeugenden Bildhauer, der in einer Kühlerhaube oder einem Autoreifen eine skulpturale Herausforderung findet und in den Türen die zerlegten Träume einer vergangenen Generation.

Richard Prince, Kunsthaus Bregenz, bis 5. 10.2014

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.08.2014)

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