„Wollte das Monstrum austreiben“ Ein tiefer Blick hinter die Kulissen

Johannes Holzhausen
Johannes Holzhausen (c) Stanislav Jenis
  • Drucken

Er studierte Kunstgeschichte und Regie. Mit seiner Dokumentation über das Kunsthistorische Museum schließt sich für Johannes Holzhausen der Kreis.

Bereits als Student der Kunstgeschichte habe ihn das „Monstrum“, wie Johannes Holzhausen das Kunsthistorische Museum in Wien bezeichnet, gestresst. Geradezu einschüchternd sei seine imperiale Architektur gewesen. „Und ich habe ja in meinen sechs Studienjahren nicht gerade wenig Zeit dort verbracht“, sagt der 54-Jährige. „Auch, weil ich mit einem Restaurator gut befreundet war und er mir schon damals Einblicke ins Innenleben des Museums gewährte.“

Sein neuer Dokumentarfilm „Das große Museum“, der nächsten Freitag ins Kino kommt, sei daher eine Art Abrechnung im positiven Sinn. „Ich wollte dieses Monstrum austreiben und das Museum als lebendigen Organismus zeigen“, betont der Regisseur. „Dabei geht es mir keinesfalls darum, die Kunst zu erklären, sondern darum, das Museum als soziales Gefüge, also im Kontext von Arbeit, zu zeigen.“ Mehr als zwei Jahre nahm er sich mit seinem Team dafür Zeit. Allein die Dreharbeiten dauerten 14 Monate.

Kuratoren, Restauratoren, Direktoren, sie alle fängt der Film in abwechslungsreichen Szenen ein – und zwar im Direct-Cinema-Stil, ohne Offkommentar, Interviews und Begleitmusik. Oft ist die Perspektive starr, mittig und symmetrisch, nur die Menschen des Museums bringen Leben in die gesammelte Materie. „Dieses unübersichtliche, statische Gebäude als Rahmen für dynamische Prozesse zu zeigen war eine der größten Herausforderungen“, sagt Holzhausen. „Schließlich arbeiten 400 Menschen im Kunsthistorischen Museum und müssen sich ihre Tätigkeitsbereiche fast jeden Tag aufs Neue ausmachen. Das ist ein immenser logistischer Aufwand.“

Alltag im Museum

Eindrucksvoll ist der Blick in einen opulenten leeren Ausstellungssaal, den ein Arbeiter betritt und in der Mitte seine Spitzhacke ins Parkett krachen lässt. Oder wenn Bedienstete mit Schweiß auf der Stirn ein Schiffsmodell zusammenbauen, sie mit Lampe, Pinsel und Pinzette auf der Jagd nach Motten sind und mit Einweghandschuhen vorsichtig Preziosen der Monarchie auf Vitrinenpolster betten. Konzentrierte Stille und Emsigkeit wechseln einander im Alltag der Museumsleute ab. Wie groß dieses Museum ist, zeigt eine lange Kamerafahrt hinter einem Mitarbeiter, der auf seinem Roller die langen Räume der Münzsammlung auf dem Weg zum Kopiergerät durchmisst.

„Der Film hat mehrere Erzählebenen, vor allem aber erinnert er uns an die Vergänglichkeit“, meint Holzhausen. Tatsächlich gelingt dem gebürtigen Salzburger ein tiefer Blick hinter die Kulissen eines bedeutenden staatlichen Museums, das den Spagat zwischen gestern und heute schaffen muss: Das mit seinen Ausstellungen den Bezug zur Gegenwart herstellen will, sich aber auch fragt, wie sehr es in der Welt der Habsburger gefangen ist. Und zugleich als Tribut an den Tourismus mit seinem Kommerz einigen Abteilungen das Wort „kaiserlich“ voranstellt. Das zum Stolz der Nation gehört, aber immer mehr sparen muss.

So wie der österreichische Film, der international hohes Ansehen genießt, „in Österreich aber nicht zum kulturellen Selbstverständnis der Menschen gehört“, beklagt Holzhausen, der seit 1996 Mitbegründer und Gesellschafter der Produktionsfirma Navigator Film ist und dessen Filme „Wen die Götter lieben“ (1992), „Auf allen Meeren“ (2001) und „Der Gang der Dinge“ (2005) auf allen großen Dokumentarfilmfestivals in Europa liefen. „In die Oper zu gehen und sich drei Stunden lang in unbequemen Sitzen bei schlechter Sicht abzuquälen, ist hingegen das Normalste der Welt.“

Zudem würde man sich in Österreich oft „im Blick des anderen aufwerten“, was an Filmen deutlich werde, die erst im Ausland Erfolg hätten, bevor man hierzulande auf sie aufmerksam würde. Filme wie „Die Fälscher“ beispielsweise vervielfachten ihre Besucherzahl, nachdem sie internationale Auszeichnungen (Oscar!) erhielten. „Die Ironie dabei ist ja“, so der Regisseur, „dass die meisten eh begeistert sind, wenn sie einen österreichischen Film sehen. Aber bis sie ihn sehen, ist viel Öffentlichkeitsarbeit und vor allem Mundpropaganda nötig.“

ZUR PERSON

Dokumentarist. Johannes Holzhausen wurde 1960 in Salzburg geboren. Nach der Matura studierte er sechs Jahre lang Kunstgeschichte in Wien, anschließend besuchte er die Filmakademie – dort entstand sein erster Dokumentarfilm „Wen die Götter lieben“. Holzhausen ist Mitbegründer und Gesellschafter der Produktionsfirma Navigator Film. Seine neue Dokumentation „Das große Museum“ über das Kunsthistorische Museum feierte seine Premiere bei der diesjährigen Berlinale und kommt am nächsten Freitag ins Kino.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.08.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.