Wenn Künstler mit Boykott drohen

Die Präsidentin Südkoreas (mit rotem Oberteil) als Vogelscheuche, gehalten von einem Militär, ist links im Bild: Das zehn Meter lange Gemälde „Sewol Owol“ wurde von der Gwangju- Biennale in Südkorea entfernt.
Die Präsidentin Südkoreas (mit rotem Oberteil) als Vogelscheuche, gehalten von einem Militär, ist links im Bild: Das zehn Meter lange Gemälde „Sewol Owol“ wurde von der Gwangju- Biennale in Südkorea entfernt.Hong Seong-dam
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In Südkorea wehren sich derzeit Künstler gegen staatliche Zensur. Oft protestieren auch Festival-Teilnehmer gegen Sponsoren, deren Geschäfte ihnen dubios erscheinen, unlängst etwa in der Türkei.

Warum protestieren Künstler, drohen gar mit Boykott? Oft ganz pragmatisch wegen Entscheidungen von Kuratoren, etwa, wenn ihnen die zugewiesenen Räume nicht passen. So warfen 1964 zehn deutsche Künstler dem Documenta-Rat „Unkenntnis“ und „Nachgiebigkeit gegenüber dem internationalen Kunsthandel“ vor: Deutsche Maler würden „nur auf dem Dachboden“, ausländische Künstler dagegen in den großen unteren Räumen platziert.

Politische Motive hatte dagegen der Künstlerprotest 1968 auf der Venedig-Biennale: Als Reaktion auf die Studentenunruhen errichtete die Polizei ihr Hauptquartier im italienischen Pavillon. Daraufhin verdeckten einige Künstler ihre Werke, drehten sie um oder eröffneten ihre Ausstellungen erst gar nicht. Auf der Documenta 1982 protestierten Maler und Bildhauer gegen Atomwaffen. 2013 gab es in Wien einen kleinen Boykott: Leonid Tishkov ließ sein Werk aus der Sammlungsausstellung der Gazprombank in der Albertina entfernen, als Zeichen des „Protests gegen die Ölförderung in der Arktis, die von Gazprom durchgeführt wird“.

In den vergangenen Jahren steht immer häufiger die oft bigotte Verbindung von Sponsor und Ausstellung zur Debatte. Etwa bei der Biennale 2013 in Istanbul. Dort hatte die Polizei auf die Demonstranten im Gezi-Park geschossen, mit Waffen, wie sie die Koç Holding verkauft – deren Kulturableger, die Vehbi-Koç-Stiftung, ist Hauptsponsor der Biennale, und die stellte sich auf die Seite der Gegner der Parkbebauung.

Folgenreicher war ein Sponsorkonflikt in Australien: Anfang 2014 initiierte der Australier Matthew Kiem eine Kampagne gegen die Sydney-Biennale, die 1973 vom Industriellen Franco Belgiorno-Nettis gegründet wurde, dessen Firma Transfield seither ihr Hauptsponsor ist. Sie erhielt nun vom australischen Staat den lukrativen Auftrag, Flüchtlingslager in dem Staat Nauru und auf der Insel Manus zu bauen und zu verwalten. Vier australische Künstler schlossen sich als „Working Group“ dem Protest an, mit Kiem forderten sie die sofortige Beendigung der Zusammenarbeit mit dem Sponsor, der von der „Abschiebungsindustrie Australiens“ profitiere. 24 Künstler zogen ihre Werke zurück, weil sie nicht mit den „unethischen Praktiken“ und dem „Verstoß gegen die Menschenrechte“ assoziiert werden wollten. Die Biennale-Organisatoren hielten zunächst an ihrem Hauptsponsor fest, dann gab dieser selbst auf. Luca Belgiorno-Nettis, Sohn des Gründers und Transfield-Direktor, trat als Biennale-Vorstand zurück – wohl nicht zuletzt, weil durch den enormen Medienrummel auch internationale Geldgeber laut über ihren Rückzug nachdachten.


Zensur. Derzeit läuft ein Künstlerboykott in Südkorea, diesmal aus Anlass einer staatlichen Zensur. 1980 demonstrierten Studenten gegen die Militärregierung und für demokratische Rechte. Der Aufstand wurde blutig niedergeschlagen. In Erinnerung daran eröffnete im Vorfeld der zehnten Gwangju-Biennale die Ausstellung „Süße Frische – Nach 1980“. Die Stadt Gwangju, mit ca. zwei Millionen Euro Hauptsponsor der Biennale, stieß sich jedoch an einem Bild und verlangte die Entfernung – woraufhin jetzt 13 Künstler mit einem Boykott der Ausstellung drohen. Anlass der Zensur ist Hong Seong-dams satirisches, zehn Meter langes Gemälde „Sewol Owol“, das das Fährunglück im April 2014 aufgreift, bei dem von 476 Menschen nur 174 überlebten. Der Künstler zeigt Koreas Präsidentin, Park Geun-hye, als Vogelscheuche, die von einem Militär festgehalten wird. Zwar überarbeitete er sein Bild noch schnell, verwandelte die Präsidentin in ein Huhn, das Bild musste trotzdem entfernt werden. Daraufhin trat der Kurator zurück: Zensur entspreche nicht dem „Geist von Gwangju“. Auch Yongwoo-Lee, 1980 an den Protesten beteiligt, Mitbegründer und Präsident der Biennale, legte seine Ämter nieder – er hatte die Zensur mitgetragen. Inwiefern sich der Boykott auf die Biennale auswirken wird, wird man nächste Woche nach der Eröffnung sehen. Denn die Künstler erhielten Flankenschutz von einem japanischen Museum: Die gewünschte Ausleihe eines Werks von Käthe Kollwitz erfolge nur, wenn „Sewol Owol“ ausgestellt wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2014)

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