Krinzinger: Magische Kunst – nur im richtigen Licht

(c) Galerie Krinzinger
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Nichts für den schnellen Kunstmarkt: Die Wiener Galerie Krinzinger zeigt Werke der indischen Künstlerin Mithu Sen.

Plötzlich sind die Menschen verschwunden. Goldene Blumen, Glitter auf Steinen, bunte Vögel, rote Farbspuren und silbergrau glänzende, winzige Raben bleiben übrig. Idyllisch, fast wie eine chinesische Tuschezeichnung ist diese Bildwelt. Kaum jedoch werfen die Scheinwerfer ihr Licht auf die Zeichnungen, erkennen wir die Werke kaum wieder: Die rote Farbe wird zu Blutspuren, zu Flammen auf Häusern, die abstrakten dunklen Spuren werden zu brennenden Köpfen, die Raben zu Boten von Gewalt und Gräuel. Zwischen den verträumten Pflanzen liegen verletzte und verrenkte Körper.

Es sind außergewöhnliche Zeichnungen, die Mithu Sen hier in der Galerie Krinzinger ausstellt. Die indische, 1971 geborene Künstlerin entwarf dafür einen dreischichtigen Rahmen: eine Box für das Papier, darüber eine Plexiglasscheibe und darüber ein Schutzglas. In die mittlere Schicht sind ganz fein einzelne Figuren eingeritzt, die bei richtigem Lichteinfall den Zeichnungen eine zweite Bildebene hinzufügen. Immer wieder deckt man das Licht mit der Hand ab, so perfekt sind diese Schatten in die Zeichnungen integriert – nein, die Linien sind nicht auf dem Papier. Sie sind wirklich nur flüchtige Lichtspuren. 12.000 Euro kosten die großen Zeichnungen, dem schnellen Kunstmarkt erteilt Sen eine Absage. Denn diese Werke können nicht irgendwo an eine Wand gehängt werden, sondern benötigen eine exakt ausgerichtete Beleuchtung, die automatisch gedimmt wird. Erst dann entfalten sie ihre magische Schönheit.

Kryptische Performance.
Drei Jahre habe sie an dieser Form experimentiert, erzählt die Künstlerin. Schon lang suche sie einen Weg, das Nichtsichtbare zu zeigen, jene Ebene, die unser Leben oft mehr beeinflusst als die physisch-materielle Welt. Auch in ihrer Performance sucht sie einen Weg, das Unbewusste, das Ungehörte ins Licht zu rücken. Durch den Raum gehend, liest Sen während der Eröffnung aus ihrem Gedichtband vor. Was wir hören, ergibt keinen Sinn. Es sind keine Worte. Sen nennt es „asemische Schriften“, Laute voller Emotionen, sprachlos und doch voller Ausdruck. In ihrem Buch stehen dafür nur kryptische Zeichen.

Mithu Sen gehört zu einer jungen Generation von indischen Künstlern, die erst nach dem Kunstmarktboom bekannt wurden. Nach der Jahrtausendwende setzte eine große Nachfrage nach zeitgenössischer indischer Kunst ein, auf Auktionen gingen die Preise für Jitish Khallat, Bharti Kher oder Subodh Gupta bis in den dreistelligen Bereich. 2006 setzte Christie's mit moderner indischer Kunst 17 Millionen Dollar um. Mittlerweile kosten frühe Werke von bekannten Vertretern der Moderne wie M. F. Husain oder F. N. Souza bis zu einer Million Dollar. In Europa zeigte ein Museum nach dem anderen Überblicksausstellungen, das Interesse an der Bildsprache des Subkontinents war enorm.

Heute ist die Zeit der Indishness vorbei – wie die offensiv indisch erscheinende Bildsprache genannt wird. Jetzt müssen es nicht mehr ornamental verzierte Tiere, Elefanten, schräg stehende dunkle Augen und ähnliche Bildelemente sein. Vorbei sind auch die Länderausstellungen. Jetzt folgen konzentrierte Einzelausstellungen. Letztes Jahr zeigte das Vanabbemuseum Eindhoven die Documenta-Künstlerin Sheela Gowda, am 12. September eröffnet der Superstar Subodh Gupta eine große Solo-Schau im Frankfurter Museum Moderner Kunst. Und auch Mithu Sen zeigt in der Wiener Galerienausstellung, wie vielschichtig zeitgenössische Kunst aus Indien ist.


Galerie Krinzinger, Wien, Seilerstätte 16, 3. 9.-25. 9. 2014

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2014)

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