Kunstforum Wien: Die Trauer bei Toulouse-Lautrec

PRESSEFUeHRUNG AUSSTELLUNG 'HENRI DE TOULOUSE-LAUTREC'
PRESSEFUeHRUNG AUSSTELLUNG 'HENRI DE TOULOUSE-LAUTREC'APA/GEORG HOCHMUTH
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„Neue Seiten seiner Kunst“ verspricht eine Schau mit fast 100 Werken. Tatsächlich sieht man, dass Toulouse-Lautrec nicht nur fröhliche Sorglosigkeit darstellte.

In der Kunstabteilung eines gut sortierten Postershops gibt es drei Hits: Joan Miró, Friedensreich Hundertwasser und Henri de Toulouse-Lautrec. Nahezu jeder kennt ihre Werke. Aber trifft das tatsächlich zu? Die Albertina zeigt uns gerade auch die düsteren Bilder Mirós, für Hundertwasser plant das Kunsthaus eine Reinszenierung, und dem Meister der Plakatkunst, Toulouse-Lautrec, widmet das Kunstforum Wien jetzt mit fast 100 Werken eine große Personale. „Man glaubt ihn zu kennen, aber in dieser Ausstellung sieht man neue Seiten seiner Kunst“, verspricht Kuratorin Evelyn Benesch.

Anlass der großen Schau ist Toulouse-Lautrecs 150.Geburtstag. Als Sohn eines alten französischen Adelsgeschlechts 1864 im Süden Frankreichs geboren, starb der Künstler mit nur 36 Jahren 1901 in Paris. Seit seiner Kindheit litt er an einer seltenen Knochenkrankheit, die u.a. Kleinwuchs brachte: 1,52Meter war er nur groß. Schon früh entschied er sich für die Kunst, malte Pferde, Jagdszenen und auch Porträts – damit beginnt auch die Ausstellung in Wien.

Besonders stolz ist Benesch auf die „Wäscherin“ von 1886. Die Zusage zum Verleih kam so spät, dass die Abbildung im Katalog als loses Blatt beiliegt. Es sei das erste Werk Toulouse-Lautrecs, das eine Frau aus niederem Stand zeige – eben jenes Motiv, für das er später so berühmt wurde. Damals lebte er bereits am Montmartre, in jenem Pariser Viertel, in dem Künstler und Nachteulen aufeinandertrafen, denn hier war ein freieres und billigeres Leben möglich als im Zentrum von Paris. Hier entstand auch sein bahnbrechendes Plakat für das Tanzlokal Moulin Rouge. 3000-mal wurde es in den Straßen von Paris plakatiert und machte den Maler über Nacht berühmt. Der lockere Strich, die fast karikaturhafte Darstellung mancher Menschen, vor allem aber die Entscheidung, die Stars als zentrale Bildhelden zu feiern – diese Merkmale wurden zu seinen Markenzeichen. Bald fanden sich Sammler v.a. der kleineren Blätter und Programmhefte, die Toulouse-Lautrec alle stempelte. 30 Plakate entwarf er ab 1991 in den zehn Jahren bis zu seinem Tod, Werke, die bis heute ein Meilenstein in der Kunst der Werbung sind. Zugleich entdeckte und perfektionierte er damit auch die Kunst der Lithografie – ein Thema, das in dem Kunstforum mit einigen Werken betont wird.

Aber all das ist nicht neu. Wo also wird das Versprechen eingelöst? Dazu bedarf es eines genaueren Blicks. Da ist einerseits die frühe Malerei, die Benesch antiklassisch nennt. Denn Toulouse-Lautrec malte auf Karton statt auf Leinwand und verdünnte die Ölfarbe, was eine fast skizzenhafte Malweise ergibt und seinen Motiven entspricht. Denn sein Thema in diesem Medium sind Momente, Augenblicke, nicht die Starwelt der Plakate, sondern das einfache Leben, was besonders in seiner Serie „Maisons Closes“ auffällt: Die Huren porträtierte er nicht als erotische Motive, sondern bei alltäglichen Verrichtungen. Ob man ihn deshalb als „Chronist der Großstadt“ (Benesch) bezeichnen kann oder diese Bilder eher als einen Ausdruck seiner tiefen Verbundenheit mit dem Milieu versteht, ist Ansichtssache.

Zirkus mit leeren Bänken

Die größte Überraschung allerdings sind jene Zeichnungen, die er 1899 während seiner Entziehungskur gemacht hat und bisher in dieser Menge nur sehr selten ausgestellt wurden. Bildmotiv ist der Zirkus, allerdings mit leeren Bänken und einem eigentümlichen Kontrast zwischen der meisterlich-akademischen Darstellung (v.a. der Pferde) und den gespenstisch verzerrten Köpfen, den deformierten Hündchen oder den unpassenden Schlapfen der Artistin. Auf einem Bild notiert er „Erinnerung an eine Gefangenschaft“. In einem Brief erwähnt er, er habe sich seine Freiheit mit diesen Zeichnungen erkauft. So erklärt sich wohl die betont akademische Ausführung einiger Darstellungen, mit der er seine Ärzte von seiner Genesung überzeugen wollte. Seine letzten Werke nach dem Zwangsaufenthalt zeigen dann unübersehbar eine andere Seite des Künstlers, die Momenthaftigkeit, die Lebendigkeit in den Figuren und der Malweise, die stolzen Bildhelden sind verschwunden. Und beim zweiten Blick auf die frühe Malerei sieht man diese Traurigkeit bereits in dem Pferd von 1881. Der fröhlichen Sorglosigkeit und Starbegeisterung seiner Plakate wird hier ein tiefgründiger Maler und Zeichner zur Seite gestellt.

Bis 25.Jänner, täglich zehn bis 19 Uhr, Fr bis 21 Uhr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.10.2014)

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