Liaunig-Museum: Goldies aus Österreich

(c) APA (Gert Eggenberger)
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Am Freitag eröffnet in Kärnten Österreichs zweites großes Privatmuseum.

Herbert Liaunig gibt die Kontrolle nicht gern ab. Er ist ein gewissenhafter Sammler seiner Künstlergeneration, seit vier Jahrzehnten. Und er ist ihr auch ein gewissenhafter Hüter. Man kann ihn beobachten, wie er bedächtig das Licht abdreht, nachdem eine Gruppe durch sein neues Museum geschritten ist. Und er beobachtet auch uns – von seinem Schloss in Neuhaus, genau am anderen Hang gegenüber vom Museumseingang. Tatsächlich, mit einem Feldstecher, gibt er belustigt über sich selber zu. Der Industrielle ist eben ein strenger Hüter seiner Gegen(über)welt. Aber einer, der teilt.

Heute, Freitagabend, eröffnet Bundespräsident Heinz Fischer das zweite große Privatmuseum eines Einzelsammlers in Österreich (nach Karlheinz Essls Klosterneuburger Bau). Acht bis neun Millionen Euro hat Liaunig sich diesen nach einem fruchtlosen Wettbewerb letztendlich von der Wiener Architektengruppe Querkraft verwirklichten Traum kosten lassen. Ohne – wie anfänglich zugesichert – Unterstützung des Landes. So ist das Haus auch nur nach Voranmeldung und mit Führung zugänglich. Was dafür den großen Vorteil der bestmöglichen Vermittlung bietet. Drei Stunden sollte man sich Zeit nehmen, das spektakuläre Haus, das sich von oben gesehen stocksteif wie ein metallischer Stollen durch die Unterkärntner Hügellandschaft zieht, zu erforschen. 160 Meter ist der Schauschlauch lang, 13 Meter breit. Trotz dieses extremen Maßes wirkt das Innere überraschend geräumig.

300 von 2150 Werken

Doch von Anfang an. Das seitliche Entrée führt vorbei an einem großzügig bemessenen Schaulager. Noch halb leer, wie Ausstellungskurator Peter Baum, der einst als Direktor das Lentos in Linz bauen durfte, fast wehmütig betont. 2150 Werke zählt Liaunigs Sammlung zurzeit. Rund 300 nur wurden im Museum untergebracht, 135 davon im schlauchartigen Hauptraum. Hier fächerte Baum das breite Spektrum der österreichischen Kunst von 1950 bis 2000 auf, mit den großen, aber auch weniger bekannten Namen. In rund zehn stilistische Gruppen geteilt kann hier die größte Schausammlung österreichischer Nachkriegskunst abgeschritten werden, die hierzulande permanent angeboten wird. Ein Manko, das man zwar am liebsten in Wien selbst behoben gesehen hätte. Aber dort herrscht die Konkurrenz der Sonderausstellungen, die selbst Essl bereits erfasst hat. In Neuhaus dagegen kann sich Liaunig diesen Luxus locker leisten. Mit einer großen (bewussten) Lücke – dem Wiener Aktionismus. Der, so Liaunig, ist im Wiener Mumok umfassend genug dargestellt.

Eigene Lücken gibt er selbst offen zu – etwas Großes von Herbert Brandl und Hubert Scheibl etwa fehle ihm noch. Zu sammeln begonnen hat Liaunig schon in den 70er-Jahren mit Grafik. In den 80ern, als er mehr verdiente, erwarb er dann, was er sich zuvor nicht leisten konnte: Gemälde, von Arnulf Rainer, Maria Lassnig etc. Mitte der 80er kam die noch teurere Skulptur dazu, die sich heute aufschlussreich zwischen die Bilder reiht: Eine bemalte Holzplastik von Oswald Stimm aus den späten 60er-Jahren steht da etwa, sich notgedrungen jeden Kommentar verkneifend, neben einer durchaus vergleichbaren bemalten Holzplastik Erwin Wurms von 1983.

Rundherum toben die damals noch jungen Wilden, Schmalix, Klinkan, Damisch, Anzinger. Prachensky, Rainer, Mikl, Hollegha folgen hier wie das Amen im Gebet – dazu erworben wurde aber vor kurzem ein prächtiges Großformat von Georges Mathieu, der 1959 mit einer legendären Schüttaktion im Theater am Fleischmarkt viele bewegte, von den Abstrakten bis zu den Aktionisten. Seine spontan erscheinende gestische Malerei wirkt neben einem mit vollem Handeinsatz auf die Leinwand gestrichenen Rainer-Bild fast grazil, fast geckenhaft. Große Installationen von Meina Schellander, Cornelius Kolig, Bruno Gironcoli ziehen vorbei, Brigitte Kowanz hat eigens für den Abgang in die Schatzkammer (Gold aus Afrika als Kontrast!) eine wunderschöne Lichtinstallation an die Decke gezaubert.

Mitten in diese Nabelschau schummeln sich internationale Fundstücke – Tony Cragg, Robert Motherwell, selbst Paul Klee findet man in der feinen Grafik-Abteilung. Was man (bisher) sicher nicht hier findet, sind Fotografie, Videokunst und Künstlerjahrgänge über 1970. Diesen vollständigen Überblick zu bieten ist aber Aufgabe eines staatlichen Museums, nicht eines Privatsammlers. Der kann zeigen, was er will. Diese Freiheit ein wenig wilder auszuleben, ein wenig neugieriger zu erforschen könnte für Liaunig allerdings noch spannend werden.

DAS NEUE MUSEUM BEI NEUHAUS IN KÄRNTEN: VOR ALLEM ÖSTERREICHISCHE KUNST SEIT 1950

Gründer: Der Industrielle Herbert Liaunig (*1945) sammelt seit 40 Jahren.

Museum: 160 m lang, 13 m breit, Architekten Querkraft. (Architekturkritik folgt im „Spectrum“, 23.8.) Präsentiert wird überwiegend österreichische zeitgenössische Kunst, zusammengestellt von Peter Baum (dem ehemaligen Direktor des Lentos Linz). Im Annex: 600 afrikanische Goldobjekte.

Lage: Neuhaus/Suha in Kärnten, Besichtigung ausschließlich nach Voranmeldung, Infos: www.museumliaunig.at.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.08.2008)

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