Ars Electronica: Gedanken-Fotos und Muezzin-Rufe vom Kirchturm

Madame Tutli Putli
Madame Tutli Putli(c) Ars Electronica
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Die Ars Electronica wurde eröffnet. Sie stellt sich heuer Fragen zur Ökonomie der Kunst. Und die Auseinandersetzung mit dem öffentlichen Raum erlebt ein Comeback.

Das große österreichische Festival zu Kunst, Technik und Medien, die Ars Electronica hat heute, Donnerstag, wieder seine Toren geöffnet. Am Freitag beginnt der heurige Schwerpunkt zum Thema "A New Cultural Economy".

Das Kunstschaffen von heute ist immer schwerer am realen Raum festzumachen, wird immer virtueller. Musik- und Filmdateien lassen sich frei kopieren wie elektronische Texte. Auch Video- und Medienkunst lässt sich leicht vervielfältigen. Für die Kunstschaffenden wird es schwieriger, jenen Anspruch auf Exklusivität aufrechtzuerhalten, für den Kunst-Konsumenten gerne viel Geld ausgeben. So braucht es nicht nur neue ökonomische Modelle für Popmusik und Hollywood. Sondern bald auch für die "ernste" Medien-Kunst. Wie diese neue Kultur-Ökonomie aussehen soll, sollen die kommenden Tage klären. Bevor es aber zum theoretischen Teil geht, wurden die Ausstellungen eröffnet.

Fotografierte Gedanken

Als weiterer Schwerpunkt lässt sich die Grenze zwischen Realem und Virtuellem bei der Ars Electronica ausmachen. Der menschliche Körper, die virtuellen Seiten realer Räume und sogar die Gedanken werden öffentlich zugänglich gemacht: In der Landesgalerie blickt ein "Gedankenprojektor" bis an die Rückseite des eigenen Auges und versucht dort Abbilder der innersten Gedanken zu finden. Zwischen Retina, Augenhintergrund und Iris formen sich da esoterische Bilder, die an Aura-Fotografie erinnern.

Im O.K. Centrum zeigt man bis 5. Oktober "CyberArts". Hier sind die ausgezeichneten und gewürdigten Einreichungen zum "Prix Ars Electronica" zu sehen. Der Hauptpreis, die "Goldene Nica" ging dabei an ein Projekt, das zwischen Wirtschaftskritik, Umweltschutz und Laserkunst angesiedelt ist: Bei "Nuage Vert" wurden im Februar 2008 Emissionen einer Fabrik in giftig-grünes Laserlicht getaucht.

Der Muezzin vom Kirchenturm

Die Auseinandersetzung mit dem öffentlichen Raum, mit dem sich die Künstler vor allem in den 1990ern gerne beschäftigt haben, ein Comeback in der elektronischen bzw. Medien-Kunst, sagte Ars Electronica-Leiter Gerfried Stocker.

Wie stark öffentliche Räume mit Bedeutung aufgeladen sind, machte Johannes Gees bei seiner Intervention "Salat" in Zürich bewusst: Er installierte heimlich mobile Lautsprecher-Systeme auf fünf Kirchtürmen, und ließ dann von dort den muslimischen Gebetsaufruf herab erschallen. Im O.K. Centrum die Gerichtsakten zu dem Projekt zu sehen. Ein Verfahren wurde zwar eingestellt, die Gerichtskosten musste aber der Künstler zahlen.

Dresden 1945 und "Super Mario Bros."

Mit den Schrecken des Luftangriffes auf Dresden im Februar 1945 beschäftigt sich "touched echo". Ein mit Tönen aufgeladenes Geländer überträgt den Kriegslärm über die aufgestützten Ellenbogen auf die Arme und zuletzt auf die Ohren - aber nur, wenn man sich mit den Händen die Ohren zuhält. Mit einer Goldenen Nica im Bereich "Digital Musics" wurde der interaktive Musiktisch "reactable" ausgezeichnet. Mit diesem kann man elektronische Musik gestalten, indem man verschiedene Gegenstände auf einen Tisch legt.

Ein bisschen leichte Unterhaltung darf nicht fehlen: Bei "Moving Mario" wurde das legendäre Computerspiel "Super Mario Bros" real nachgebaut.

Zehn Stunden Kurzfilme

Beim Animations-Festival, das zeitgleich zum Linzer O.K. Zentrum auch im net.culture.space im Wiener MuseumsQuartier mitzuverfolgen ist, werden rund 100 Computer-animierte Filme mit einer Gesamtdauer von zehn Stunden gezeigt. Wie etwa "Madame Tutli Putli" von Chris Lavis und Maciek Szczerbowski. Die computeranimierte Hauptfigur unternimmt mit dem Nachtzug eine Reise in die Vergangenheit.

(APA/Red.)

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