Schiff mit zwölf Segeln für Paris

FRANCE LOUIS VUITTON FOUNDATION
FRANCE LOUIS VUITTON FOUNDATION(c) APA/EPA/CHRISTOPHE ENA / POOL
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Stararchitekt Frank Gehry hat die Fondation Louis Vuitton, ein Museum am westlichen Stadtrand von Paris, gebaut. Es ist ein imposanter Glaspalast.

Am Montag hat Präsident François Hollande mit Bernard Arnault, dem Eigentümer der Luxusgruppe LVMH, und dem kanadischen Architekten Frank Gehry am westlichen Stadtrand von Paris die Fondation Louis Vuitton eröffnet. In diesem spektakulären Bau werden neben Kunstwerken aus Arnaults Sammlung auch Ausstellungen zeitgenössischer Künstler zu sehen sein. Das von einem reichen Kulturbetrieb verwöhnte Paris ist damit um ein Museum reicher, hat aber dank Gehrys waghalsiger Architektur wohl auch einen Anziehungspunkt bekommen, der ab sofort auf dem Programm aller Stadtbesichtigungen stehen muss.

Wer setzt da wem ein Denkmal? Das fragte man sich bei der Eröffnung. Wird in ein paar Jahren oder Jahrzehnten noch der Name des Gründers der größten Luxusindustriegruppe der Welt, Louis Vuitton, genannt werden? Oder heißt demnächst die neue Stiftung nach ihrem generösen Mäzen und leidenschaftlichen Sammler, Bernard Arnault, den die Franzosen schlicht als den Reichsten ihrer Landsleute kennen?

Gehry-Schau im Centre Pompidou

Sehr wahrscheinlich ist es, dass Gehry mit diesem Bau, der einem Schiff mit zwölf Glassegeln ähnlich sieht, sein eigenes Vermächtnis geschaffen hat. Nicht zufällig widmet das Centre Pompidou – das im Vergleich zur Fondation Vuitton geradezu altertümlich wirkt – ihm derzeit eine umfassende Retrospektive.Der heute 86-jährige Gehry meint zwar bescheiden, der Erfolg eines Projekts hänge vor allem vom Auftraggeber ab. Doch er versteht es, die Träume seiner Kunden Realität werden zu lassen. Auch wenn er, wie im Fall seines Modells für den Bau im Bois de Boulogne, zuerst nicht weiß, ob und wie seine auf Papier gebrachten Pläne mit der durch technische und materielle Grenzen beschränkten Baukunst umgesetzt werden können.

Leichter als das Guggenheim-Museum

Arnaults ursprüngliche Vorstellung war zwar poetisch, aber in architektonischer Hinsicht nicht sehr präzise. Er erzählt, welcher „Schock“ es für ihn war, als er 2001 Gehrys Guggenheim-Museum in Bilbao besuchte. Als Gehry und er dann das Baugelände beim Jardin d'Acclimatation besichtigten, hätten sie sich Marcel Proust vorgestellt, der hundert Jahre zuvor in diesem Park flanierte. In jener Epoche bekam die Weltstadt Paris so erstaunliche Konstruktionen wie den Eiffelturm oder den Grand Palais, einen Glaspalast, der Gehry inspiriert hat.

Dieser zeigt mit dem neuesten Beispiel für seinen Dekonstruktivismus auch, dass er aus der Kritik gelernt hat und zu Innovation fähig ist: Die Fondation Louis Vuitton sieht leichter aus und fügt sich besser in die Landschaft als das Museum in Bilbao. In einem Punkt aber sei er beharrlich, erklärt Gehry: Er respektiere stets das Budget seiner Auftraggeber. So stimme es nicht, dass das Guggenheim mehr als geplant (80 Millionen Euro) gekostet habe. Auch in Paris habe er sich an die (geheime) Vorgabe gehalten, angeblich 400 bis 500 Millionen Euro. Geld ist für Bernard Arnault, dessen Vermögen auf 24 Milliarden geschätzt wird, kein Thema.

„Gehrys Zeichnungen haben uns sofort begeistert“, erinnert sich Arnaults Kunstberater Jean-Paul Claverie: „Doch die Technologie, die es braucht, um ein solches Gebäude zu erstellen, existierte anfänglich nicht. Man musste alles dafür erst erfinden.“ Rund 30 Patente, vor allem im Bereich der Herstellung von Spezialglas, wurden eingereicht. 3600 kompliziert gekrümmte Glasteile mussten in Italien vom französischen Spezialisten Saint-Gobain für dieses transparente Mosaik hergestellt werden. Dessen Schönheit entfaltet sich aber vor allem im sehr hellen Inneren mit den sichtbaren Verstrebungen aus Metall und den wuchtigen Trägern aus Lärchenholz aus dem Schwarzwald.

Wenige flache Wände

Für den Anfang sieht das Museum ein wenig leer aus. Das Hauptereignis ist das Haus selbst. Wie häufig bei solchen Gebäuden mit nur wenigen geraden Linien und flachen Wänden stellt sich aber die Frage, wie darin Bilder aufgehängt werden können. Natürlich entspricht das Innere mit seinem Labyrinth von Räumen auf mehreren Ebenen auch überhaupt nicht dem klassischen Ausstellungskonzept, das Besucher von A bis Z und von Saal zu Saal führt.

Zu sehen sind derzeit neben Gehrys Zeichnungen und Modellen (und seinen unter dem Dach des Restaurants aufgehängten Fischen) vor allem Bilder von Gerhard Richter, Werke von Olafur Eliasson und Thomas Schütte sowie ein kleiner Teil aus der Sammlung von Arnault. Dieser hat sich mit seiner Stiftung einen Traum verwirklicht, auf den sein ewiger Rivale im Luxusgeschäft und Mäzenatentum, François Pinault, Eigentümer u.a. von Gucci, verzichten musste.

Pinault wollte ursprünglich seine reiche Sammlung auf der Seine-Insel auf dem Gelände einer ehemaligen Renault-Fabrik unterbringen, das ehrgeizige Vorhaben scheiterte an politischen Einwänden und bürokratischen Hindernissen, er wich auf den Palazzo Grassi in Venedig aus. So war es an Gehry und Arnault, Paris um ein Wahrzeichen reicher zu machen. Das in 50 Jahren der Stadt gehört: Dann geht laut Vereinbarung die Fondation in deren Besitz über.

Die Fondation Louis Vuitton befindet sich an der Avenue Mahatma Gandhi8 im Bois de Boulogne. Metro-Haltestelle: Sablons. Der Eintritt kostet 5 bis 14Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.10.2014)

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