René Burri: Der Mann mit den drei Augen

SWITZERLAND RENE BURRI OBIT
SWITZERLAND RENE BURRI OBIT(c) APA/EPA/WALTER BIERI
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Mit seiner Leica bereiste René Burri die Welt, und ob er Menschen oder Situationen einfing, immer sprach Respekt aus seinen Fotos. Am Montag ist 81-jährig gestorben.

Es hieß immer, ich sei prominentengeil. Das stimmt überhaupt nicht. Dank der Fotografie konnte ich einige Leute, wie beispielsweise Picasso oder Le Corbusier, persönlich kennenlernen“, erklärte der Schweizer René Burri in einem Interview vor drei Jahren. Ein Paparazzo sei er nie gewesen. Burri gilt als einer der größten Fotografen unserer Zeit, reiste wie kein anderer durch die Welt, konnte Menschen, Städte und Situationen verewigen und fing so das Leben ein. Jetzt ist er tot, am Montag 81-jährig in Zürich nach langer Krebserkrankung gestorben.

Schon mit 13 Jahren schoss er das erste Foto eines Prominenten, als er Winston Churchill vor einer Menschenmenge einfing. Ab 1956 arbeitete er als Fotoreporter und wurde 1962 mit seiner als Buch veröffentlichten Reportage der beiden Seiten des geteilten Deutschlands bekannt, dem er später Bilder des wiedervereinigten Berlin hinzufügte. Berühmt allerdings machte ihn ein Foto von Che Guevara, auf dem der Revolutionsführer eine Zigarre raucht und arrogant aus dem Bild herausschaut.

Mir 22 Jahren zu Magnum

Burri war 1963 nach Kuba gefahren, um das Interview von Starreporterin Laura Bergquist zu begleiten. Drei Stunden lang fotografierte er den damaligen Industrieminister. „Während dieser Zeit hat er mich keines Blickes gewürdigt“, erinnerte er sich später. Nicht einmal ein Licht zum Ausleuchten des Raumes ließ Che Guevara zu. Das Bild erschien erstmals beschnitten im „Look“-Magazin, „entgegen der ganzen Magnum-Doktrin“, wie er anmerkt. „Es war in der Zeitschrift auch überhaupt nicht erkennbar, dass es später so berühmt werden würde.“ Reich habe ihn das Bild auch nie gemacht.

Magnum war eine damals noch junge aber höchst einflussreiche Agentur. 1955 reichte der in Zürich geborene Burri dort als gerade 22-jähriger Absolvent der Fotofachklasse seine Fotoreportage über die Arbeit einer Musikpädagogin mit taubstummen Kindern ein – und wurde prompt als korrespondierendes Mitglied aufgenommen. Und nicht nur das, diese Serie wurde auch im Magazin „Life“ publiziert. Drei Jahre später erhielt er dann den Status als volles Mitglied. Das bedeutete auch, Aufträge von der Agentur zu erhalten, die für den jungen Fotografen oft einen Sprung ins kalte Wasser bedeuteten.

Magnum war 1947 mit dem Ziel gegründet worden, die Rechte an den eigenen Bildern gegenüber den großen Agenturen und Magazinen zu sichern. Eine wesentliche Maxime von Magnum waren und sind das Verantwortungsgefühl und der Respekt des Fotografen gegenüber der Welt und ihren Bewohnern – ein Anspruch, den man in jedem Bild Burris eingelöst findet. Ob er ungarische Flüchtlinge im Kanton St. Gallen (1956) fotografierte, in São Paulo vier Menschen mit den langen Schatten auf einem Hochhaus (1960), ein Pferd, das an einem Swimmingpool entlang zu seinem von Luis Barragan entworfenen Stall geführt wird (1976) oder Dokumentationen aus Krisenregionen, immer spricht dieser Respekt aus seinen Bildern.

Anfang dieses Jahres waren René Burris Arbeiten in der Galerie Ostlicht in Wien zu sehen, im vergangenen Jahr widmete das Zürcher Museum für Gestaltung Burri eine große Ausstellung, in der die weniger bekannten Farbbilder zusammen mit seinen berühmten Schwarz-Weiß-Serien zu sehen waren. Dort begegnete man Picasso in seinem fast schon als Markenzeichen geltenden, gestreiften Hemd, dem nachdenklichen Architekten Le Corbusier – aber man sah auch präzise festgehaltene Momente aus Vietnam oder Shanghai und seine Fotos von der Suezkrise oder der Demonstrationen am Tian'anmen-Platz 1989.

Drei Augen habe er besessen, sagte er einmal. Das dritte war seine Leica, mit der er fünf Jahrzehnte lang die Weltgeschichte protokollierte, Geschichte und Gesichter verband. Seine Reportagen von den großen Ereignissen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts publizierte er in Magazinen wie „DU“, „Life“, „Stern“, „GEO“ oder „Paris Match“. 16 Pässe soll er besessen haben und 165 weitere verloren, wird von ihm erzählt.

Nachlass geht an ein Schweizer Museum

René Burri hat wie nur wenige die Fotogeschichte des 20. Jahrhunderts geprägt. Seine Bildessays archivierte Burri als Kontaktkopien. Daran lässt sich studieren, wie er sich seinen Themen und Sujets näherte, wie er seine Bilder komponierte und dies auch dann, wenn das Ergebnis wie ein sekundenschneller Schnappschuss aussieht. Dem Museum für Gestaltung schenkte Burri eine große Zahl seiner Bilder und erzählte zu jedem die Geschichten, die jetzt im digitalen Archiv des Museums im Originalton zu hören sind. Seinen noch etwa 30.000 Fotografien umfassenden Nachlass vermachte Burri dem Museum Elysee von Lausanne.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.10.2014)

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