Essl und das optische Rauschen

Christine Wratschko:
Christine Wratschko: "Single", 2013.(c) Essl-Museum
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In seiner Reihe „Emerging Artists“ präsentiert das Essl-Museum nun österreichische Malerei. Allzu viel lässt sich bei den 50 Künstlern aber nicht entdecken.

Das Essl-Museum hat sich der Förderung junger österreichischer Kunst verschrieben. Dafür wurde Anfang des Jahres eine offene Bewerbung ausgeschrieben, versehen mit dem Zusatz, dass es kein Alterslimit gebe. Wenn „jung“ nicht über Lebensjahre definiert ist, was kann dann damit gemeint sein? Genau, es zielt auf die Sichtbarkeit auf dem Markt ab: Ohne Bindung an eine „international agierende Galerie“ und „noch nicht stark auf dem Kunst- und Ausstellungsmarkt sichtbar“ sollten die Künstler und Künstlerinnen sein, die sich mit Malerei und Grafik für eine Ausstellung im Essl-Museum in der Reihe „Emerging Artists“ bewerben.

Vor zwei Jahren waren unter demselben Titel schon Künstler aus New York, vor vier Jahren aus Indien zu sehen. Jetzt also Österreich: 756 Bewerbungen gingen ein, davon kamen 50 in die engere Wahl. Nach den Atelierbesuchen schränkte die Jury aus hauseigenen Kuratoren die Zahl auf 23 ein – die jetzt in Klosterneuburg unter dem viel sagenden Titel „Die Zukunft der Malerei“ ausgestellt sind.

Qualität via Ausschreibung finden?

Um den arg hohen Anspruch etwas zu relativieren, verspricht der Untertitel nur „eine Perspektive“. Denn die Malerei ist ein schwieriges Feld: Jeder malt gern, mit ein wenig Übung ist naturgetreue Wiedergabe leicht erreichbar, aber Malerei ist das noch lange nicht. Die beginnt erst, wenn nicht nur die Wiedererkennbarkeit, sondern Farben und Formen den Ausdruck schaffen – und zwar einen, der der Vorlage noch ein Moment hinzufügt. Warum auch sollte die Wirklichkeit nur abgemalt werden? Solche Meisterschaft ist schon lange kein Qualitätsmerkmal mehr – zumal es ein Foto genauso gut schafft. Diesen Ansprüchen also muss sich die Malerei heute stellen, und wird das auch in Zukunft tun müssen, verbunden mit der Hoffnung, auch noch Überraschendes im eigenen Medium mitzubringen, denn Malerei ist immer auch Malereigeschichte. Ist es da nicht verwegen, übersehene Qualität in einer offenen Ausschreibung zu finden? Sicherlich, aber es ist auch spannend. Ende der 1980er-Jahre wurde etwa der Schweizer Autodidakt Jean-Frédéric Schnyder entdeckt, der zurückgezogen auf dem Land lebte. Wiederentdeckt, denn ganz unbekannt war sein Werk natürlich nicht. Ist solch ein Coup auch dem Essl-Museum gelungen?

Gleichzeitig abstrakt und figurativ

Zunächst fällt auf, dass viele Bilder gleichzeitig abstrakt und figurativ angelegt sind, Menschen, Tiere und Landschaften schweben in einem rein malerischen Raum. Das sei eine Tendenz der Einreichungen gewesen, einen Trend möchte das Kurator Günther Oberhollenzer aber nicht nennen. Die interessantesten Werke allerdings zeigen eine klare Entscheidung, Suse Kravagnas serielle Abstraktionen etwa. Die in Wien lebende Künstlerin geht von Formen aus, die in Anordnungen auftreten und trotzdem Abweichungen aufweisen – ein Prinzip, dem auch ihre Bilder folgen. Ihr Werk ist in Wien durchaus bekannt.
Eine Entdeckung sind die wilden Zeichnungen von Adel Dauood, 1980 in Syrien geboren, ausgebildet in Damaskus. Seine Malerei sei „eine Art rebellische Reaktion auf Schmerz und Grausamkeit, verursacht durch unsere vielen, nicht enden wollenden Kriege“, schreibt er. Aber nicht immer finden Künstler für ihre inneren Beweggründe eine derart überzeugende Bildsprache – auch das zeigt diese Ausstellung.

Eine weitere Überraschung sind die Holzschnitte von Lena Göbel, die auf dem Land in Niederösterreich lebt. In einer unkonventionellen Mischung aus bedruckten Papieren, Lack und malerischen Partien thematisiert sie Jagd, Wilderei und Zwischenwelten wie in ihrem kleinen Bild „Meine erste Goldhaube“: Es zeigt einen gespenstischen Katzenmenschen. Die metergroßen Druckstöcke stellt sie selbstbewusst neben die Bilder. Göbel, 1983 geboren, studierte bei Gunter Damisch in Wien und lebte fünf Jahre in Berlin – ganz unbeobachtet ist auch ihr Werk nicht.
Das ist auch die Erkenntnis, die man aus dieser Ausstellung mitnehmen kann: Es wird viel gemalt, abends nach Feierabend, im hohen Alter, zur Lebensbewältigung oder als mediale Herausforderung wie Robert Muntean, der seine Bildmotive in ein „optisches Rauschen“ überführt. Die Zukunft der Malerei allerdings kann man nicht prophezeien – und die meisten der zu sehenden Werke sind zu Recht unentdeckt.

Essl-Museum, Klosterneuburg, bis 8. 2. 2015

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.10.2014)

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