Der Online-Shop: Lernen von Damien Hirst

A visitor poses with artist Damien Hirst´s artwork ´Because I Can´t Have You I Want You´ at the Frieze Art Fair in London
A visitor poses with artist Damien Hirst´s artwork ´Because I Can´t Have You I Want You´ at the Frieze Art Fair in London(c) REUTERS (LUKE MACGREGOR)
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Galerien, aber auch Museen bieten zunehmend Krimskrams im Internet an: von Warhol-Konfektdosen bis zu Skiern mit Motiven von Basquiat.

Galerien verkaufen Kunst meist aus ihren Ausstellungen heraus, manchmal auch als Vermittler. Dieses klare Geschäftsmodell ändert sich jetzt. Die Zukunft des Kunstverkaufs wird zunehmend im Internet gesucht. Im Juli kündigte das Auktionshaus Sotheby's eine Kooperation mit der digitalen Plattform eBay an, in Live-Stream-Auktionen sollen dort Uhren, Wein, Schmuck, Design und Kunst angeboten werden. Auch das Londoner Auktionshaus Christie's und das Wiener Dorotheum bestätigen, dass immer mehr Käufer über das Internet kommen.

Der ehemalige Mitbesitzer der Viennafair, Serge Skaterschikov, weist in seiner Analyse von Kunstmessen sogar das Ende des analogen Handels nach. Mit fröhlichen Zahlenspielen sieht er digitale Plattformen wie Artsy als wachsende Konkurrenz für Kunstmessen, denn der Web Traffic dort sei deutlich höher als im realen Raum. Sogar die Art Basel habe mehr Internet- als Messebesucher, Artsy (www.artsy.net) und Artnet (www.artnet.de) zusammen haben mehr Unique Visitors als die achtzig größten Kunstmessen innerhalb eines Jahres. Ob Skaterschikov auch die Besuchsdauer und Nachhaltigkeit eingerechnet hat? Den Sammlern schiebt er das Argument unter, sie würden Window Shopping online bevorzugen, um „mehr in weniger Zeit zu sehen“. Liegt also die Zukunft des Kunsthandels im Internet?


Haring-Konfektdosen. Einige Galerien scheinen daran zu glauben. In der Menüliste ihrer Internetseiten befindet sich neben den Stichworten „Künstler“ und „Ausstellungen“ jetzt auch ein „Shop“. Vorreiter in Österreich ist die in Salzburg und Paris ansässige Galerie Thaddaeus Ropac. Sein Internet-Angebot reicht von Jack-Pierson-Kerzen für 40Euro, Andy-Warhol- und Keith-Haring-Konfektdosen für 14Euro bis zu einer limitierten Auflage einer „Big Mac Box“ von Tom Sachs für 16.800Euro, vertrieben in Kooperation mit Ligne Blanche Paris.

Noch erstaunlicher ist das Angebot der Schweizer Galerie Hauser & Wirth. 32 Produkte stehen zur Auswahl: Musik, Bücher und Vermischtes. Dazu gehören Poster von Allan Kaprow für stolze 182Euro, ein Sonnenschirm von Anri Sala für 100Euro oder eine 20er-Edition von Roman Signer für 4200 Euro. Erschreckend ist das Angebot bei der New Yorker Galerie Gagosian, die seit 2009 auf der Madison Avenue einen eigenen Shop betreibt und die Ware auch im Internet anbietet: Skier mit Motiven von Jean-Michel Basquiat, unlimitiert, für stolze 2500Dollar, Teller mit Bildfetzen von Baselitz oder Gilbert & George ab 120Dollar.


„Best Seller“. 13 Kategorien sind aufgelistet, beginnend mit „Best Seller“ und endend mit „Murakami“. Der japanische Künstler entdeckte schon früh, wie gewinnbringend Merchandising auch für Künstler sein kann, ein unlimitiert produziertes Plüschtier von ihm kostet 1500Dollar. Damien Hirst folgte ihm bald mit seinen mittlerweile drei „Other Criteria“-Shops in London plus einem in New York. Das Angebot der Liegestühle für 450Pfund, T-Shirts und Kaffeebecher für 20Pfund bis zu „abstrakten Landschaften“ für 50.000 Pfund ist umfangreicher als jede seiner Ausstellungen. Im Gegensatz zu den in Absprache mit den Stiftungen bewilligten Tellern, Kerzen und all dem Kunstplunder entwerfen Takashi Murakami, Damien Hirst und auch Yoshitomo Nara ihre Waren selbst.

Dahinter steht eine Entwicklung, die in den Museen zunächst als Museumsshop begann. Das Museum hat sich in kürzester Zeit weltweit als ein „besonderer Einkaufsort“ etabliert. Wolfgang Ulrich fasste es einmal treffend zusammen: „Erstmals ist der Konsum selbst zur Kultur geworden.“ In den USA folgte im nächsten Schritt der Online-Shop. Schauen Sie einmal auf die Seite des für seine fantastische Kunstsammlung berühmten New Yorker MoMA (www.moma.org). Sie werden staunen, auf welchem Niveau deren Online-Angebot liegt – das hat nichts mit unserem Verständnis von Kultur zu tun, das ist banale Kaufhausware. Dieses Ausmaß an Kommerzialisierung der Museen ist bisher in Europa so noch nicht angekommen. Die Staatlichen Museen zu Berlin bieten vor allem Bücher und Kataloge. Im Web-Auftritt des Louvre in Paris muss man den Shop erst einmal suchen und findet dort eng mit den Sammlungen verbundene Bücher und Repliken. In Österreich sind die Museen noch zurückhaltender, die Albertina verzichtet noch auf einen Online-Shop, das MAK hat seit 2008 keine neue Edition mehr aufgelegt und das Mumok bietet mit Ausstellungen verbundene Editionen. Einzig das Kunsthistorische Museum hat neun Kategorien. Ob man Velázquez' „Infantin“ auf einer Umhängetasche oder Vermeers „Malkunst“ auf einem T-Shirt mag, kann diskutiert werden. Immerhin stehen aber sogar die Puzzles, Spielkarten und der Schmuck in motivischer Verbindung zur Sammlung.


Symbolhafter Konsum. Grund des Shop-Angebots in den österreichischen Museen ist die 1998 eingeführte Vollrechtsfähigkeit, durch die die Museen ihre Einnahmen behalten können – und im Zuge dessen auch mehr und mehr Einnahmen lukrieren müssen. Aber warum nehmen Galerien Krimskrams in ihr Sortiment auf? Um neue Kunden anzulocken? Wohl kaum, Kaffeebecherkäufer haben selten das Kapital für die teure Kunst dieser Galerien. Ist es ein demokratischer Akt wie bei Joseph Beuys' preisgünstigen Multiples? Kaum, denn es handelt sich um brutal an die Objekte angepasste Motive, die möglichst simpel großen Namen zugeordnet werden können. Glauben die Galerien, die Zukunft des Handels liege im Internet? Vielleicht. Sicherlich aber ist diese Entwicklung ein Ausdruck unserer Zeit. Denn symbolhafter Konsum schafft Lebensstil – und sei es nur durch eine Konfektdose in Bananenform von Andy Warhol.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.11.2014)

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