Gurlitt-Sammlung kommt nach Bern, Raubkunst bleibt in Deutschland

File picture showing the facade of the Kunsmuseum Bern art museum in Bern
File picture showing the facade of the Kunsmuseum Bern art museum in Bern(c) REUTERS (ARND WIEGMANN)
  • Drucken

Das Museum verkündete seine Entscheidung zum umstrittenen Erbe von Cornelius Gurlitt. Raubkunst komme dem Kunstmuseum Bern aber "nicht über die Schwelle".

Das Kunstmuseum Bern nimmt die umstrittene Sammlung Gurlitt, die der Sammler Cornelius Gurlitt dem Museum testamentarisch vermachte, an. Das gaben Bern, Bayern und der Bund am Montag bekannt. Die Entscheidung, die der Stiftungsrat des Kunstmuseums am 22. November fiel, war bereits am Wochenende durchgesickert. Hunderte Bilder, die unter NS-Raubkunstverdacht stehen, sollen aber zunächst in Deutschland bleiben, bis ihre Herkunft geklärt ist.

Die Washingtoner Prinzipien zur Rückgabe von Raubkunst werden "werden strikt angewandt", sagte Christoph Schäublin, der Stiftungsratspräsident des Museums. Raubkunst werden folglich restituiert. "Über die Schwelle des Kunstmuseum Berns kommen keine Werke, die sich als Raubkunst erweisen oder die mit hoher Wahrscheinlichkeit Raubkunst sind", so Schäublin. Sie würde auch nicht auf Schweizer Boden gelangen.

Die Sammlung Gurlitt

Der inzwischen gestorbene Gurlitt hatte die umstrittene Sammlung von seinem Vater, einem NS-Kunsthändler, vermacht bekommen. Sie umfasst mehr als 1500 Bilder, darunter wertvolle Werke etwa von Matisse, Picasso, Renoir und Monet.

Erst wenige Jahre vor seinem Tod kamen die Behörden durch Zufall auf Gurlitts Spur. In der Schwabinger Wohnung des älteren Herrn stieß die Polizei auf eine umfangreiche Bildersammlung, die als Weltsensation gefeiert wurde.

Das Kunstmuseum Bern nahm sich für seine Entscheidung fast ein halbes Jahr Zeit. In monatelangen Verhandlungen hatten sich die Schweizer, Bayern und der Bund auf einen gemeinsamen Umgang mit den Gurlitt-Bildern verständigt. Zudem verpflichtet sich Deutschland, die Kosten für die Restitution von Bildern zu übernehmen. Die Vereinbarung sollte am Montag mit Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) und dem bayerischen Justizminister Winfried Bausback (CSU) unterzeichnet werden.

Die Verfahrensverinbarung werde anerkannt, müsse aber konkretisiert werden, sagte Schäublin. Die Ende 2013 gegründete Taskforce Schwabinger Kunstfund werde ihre Arbeit fortsetzen und auch die Funde in Gurlitts Haus in Salzburg untersuchen.

"Verhaltene Freude" bei den Schweizern

Die Sammlung passe gut in das Museum, Schäublin, auch wenn bei weitem nicht alle Werke hochkarätig seien. Daher gebe es etwas wie "verhaltene Freude" über das Erbe. Das Berner Kunstmuseum betonte die Verantwortung, die mit dieser Lösung nun einhergeht. "Triumphgefühle wären auch völlig unangebracht, angesichts der Geschichte, die auf der Sammlung lastet."

Gurlitt-Nachlass wird öffentlich gemacht

"Transparenz ist geboten", hieß es am Montag von allen Seiten. Daher werden der gesamte Nachlass und die Geschäftsbücher ab dem Nachmittag auf der Lost-Art-Webseite (lostart.de) eingestellt und zugänglich gemacht. Und die rund 240 Arbeiten, die nach bisheriger Erkenntnis der Provenienzforschung der Münchner Taskforce mit hoher Wahrscheinlichkeit Raubkunst sind, sollen auch in Ausstellungen präsentiert werden können, um den möglichen Anspruchstellern den Zugang zu erleichtern

Gurlitts Cousine streitet um Erbe

Überschattet wird das mühsam ausgehandelte Vorgehen durch einen Antrag von Gurlitts 86-jähriger Cousine Uta Werner, die vergangene Woche überraschend Anspruch auf das Erbe erhoben hat. Sie bezieht sich auf ein Gutachten, nach dem Gurlitt bei der Abfassung des Testaments unter "paranoiden Wahnideen" litt.

Uta Werners Bruder Dietrich Gurlitt (95) schloss sich dem Antrag nicht an. Er plädierte dafür, den Willen des Cousins zu respektieren und das Schweizer Museum wie vorgesehen als Alleinerben anzuerkennen.

Auch Spitzweg-Zeichnung ist Raubkunst

Zudem sei ein weiterer Raubkunst-Fall geklärt, bestätigte Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU). Die Zeichnung "Das Klavierspiel" von Carl Spitzweg wird als ein in der NS-Zeit geraubtes Kunstwerk eingestuft. Der Vater von Cornelius Gurlitt, der Kunsthändler Hildebrand Gurlitt, habe die Zeichnung weit unter Wert von dem jüdischen Sammler Henri Hinrichsen erworben. Hinrichsen starb 1942 in Auschwitz. Seine in den USA lebende Enkelin Martha Hinrichsen erhielt jetzt von der Task Force die schriftliche Bestätigung: Der Verkauf des Bildes war erzwungen. Martha Hinrichsen: "Wir warten nun auf die Rückgabe des Spitzwegs an unsere Familie."

(APA/dpa/Red.)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Kunst

Fall Gurlitt: Berner Museum nimmt Erbe an

Die Bilder, die unter NS-Raubkunstverdacht stehen, bleiben vorerst in Deutschland.
FILE SWITZERLAND ARTS GURLITT
Kunst

Gurlitt: Cousine erhebt Anspruch auf Erbe

Die Angehörige Uta Werner beantragte nach Angaben ihres Sprechers einen Erbschein. Der umstrittene Kunstsammler hatte sein komplettes Vermögen dem Kunstmuseum Bern vermacht.
Cornelius Gurlitt hatte seinen Besitz dem Kunstmuseum Bern vermacht.
Kunst

Zweifel an Gurlitt-Testament aufgetaucht

Nach Berichten der "Süddeutschen Zeitung" soll Cornelius Gurlitt unter "paranoiden Wahnideen" gelitten haben.
Kulturmontag mit 'Der seltsame Herr Gurlitt'
Kunst

Fall Gurlitt: Taskforce braucht länger als geplant

Ob sich im Nachlass des Kunsthändlers Cornelius Gurlitt auch NS-Raubkunst befindet, kann erst 2015 geklärt werden.
Kunst

Jüdischer Weltkongress warnt Gurlitts Erben

Cornelius Gurlitt vermachte seine umstrittene Kunstsammlung dem Berner Museum. Bei Annahme drohe dem Musem jedoch eine Prozesslawine, warnte nun der Präsident des Jüdischen Weltkongresses.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.