MAK-Ausstellung: „Wege der Moderne“:

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Das MAK, 1863 als Institut der Geschmacksbildung gegründet, zeigt „Josef Hoffmann, Adolf Loos und die Folgen“ – und fragt schließlich: Was kann „informierter Konsum“ heute sein?

Der eine suchte nach neuen Formen für alte Werte. Der andere wollte neue Inhalte für neue Menschen finden. Und doch prägten beide maßgeblich dieselbe Epoche: Josef Hoffmann und Adolf Loos sind die zentralen Leitfiguren der Wiener Moderne. Mit ihren Entwürfen und Schriften initiierten sie weitreichende Entwicklungen und sind heute trotz aller Unterschiede wieder höchst aktuell.

In zweieinhalb Jahren Vorbereitungszeit hat das MAK den beiden Heroen der Moderne jetzt eine faszinierende Ausstellung gewidmet. Anhand von rund 600 Objekten – Sitzmöbeln, Schränken, Glaswaren, Entwurfszeichnungen, Fotografien – werden die Voraussetzungen, Richtungen und Folgen dieser „Wege der Moderne“ aufgezeigt. Beginnend in der Mitte des 18.Jahrhunderts: Damals ist entstanden, was MAK-Kurator Christian Witt-Dörring den „neuen Konsumenten“ nennt, das bürgerliche Individuum mit eigenen Geschmacksvorstellungen. Was uns heute so selbstverständlich erscheint, musste erst durch die Abnabelung von höfischen Vorschriften erreicht werden. Die Sicherheit der Normen wurde verlassen, es folgte der Schritt in „die Unsicherheit des Gefühls und der Weg in das Neue, Unbekannte“: Statt einem etablierten Stil zu folgen, musste man aus vielen Möglichkeiten wählen, der individuelle Geschmack, so Witt-Dörring, wurde zum „Gradmesser auf dem Weg zum gesellschaftlichen Erfolg“. Für das entsprechende „informierte Konsumieren“ gab es ab 1780 Fach- und Modejournale als Orientierungshilfen. Heute wird diese Unsicherheit der Auswahl oft durch blinde Markentreue überspielt...

Der Schein von Reichtum

Um die wachsende Menge an „neuen Konsumenten“ bedienen zu können, schuf erst die industrielle Revolution die produktionstechnischen Voraussetzungen. Dafür wurden Ersatzmaterialien erfunden: Statt Gold wird eine Paste benutzt, statt soliden Silbers erzeugt eine dünne Silberfolie den Schein von Reichtum. Aufwendig geschnitzte Bilderrahmen werden durch geprägtes Goldpapier ersetzt, teure Intarsien in Möbeln durch Kupferstiche auf Holz – die wunderschönen Objekte in der Ausstellung zeugen von großem Erfindungsreichtum. Die Motive und Stile wurden dafür aus allen Epochen und Kulturen zusammengeklaubt. Über die Jahre führte dieser Eklektizismus zu einer enormen Verflachung, ähnlich wie die ebenso eklektizistische Postmoderne Ende des 20.Jahrhunderts.

Zurück in die Geschichte: In Reaktion auf die Herausforderung der neuen Stilvielfalt wurde 1863 das MAK als Vorbildsammlung gegründet, um Entwerfer und Handwerker geschmacklich zu bilden und die Qualität wieder zu steigern. In diesem Sinn wirkte auch der österreichische Architekt und Stadtplaner Otto Wagner: Er lehnte den Eklektizismus ab, betonte die Funktion vor der Form. In der Ausstellung wird er als prototypischer Entwerfer der Moderne dargestellt, der aus dem „Jammertal der überholten Stilarchitektur“ (Otto Wagner) ins moderne Leben führt. 1902 entwarf er für das Depeschenbüro „Die Zeit“ eine in ihrer stilistischen Reduzierung revolutionäre Fassade, die 1985 rekonstruiert wurde und jetzt im MAK zu sehen ist.

Diese Fassade steht in der Ausstellung als markantes Zeichen. Danach beginnt das zentrale Thema: die beiden Wege von Loos und Hoffmann. Während Hoffmann zusammen mit den Künstlern der Secession neue Formen und einen neuen Stil suchte, forderte Loos eine neue Haltung. Hoffmann sah Architektur und Design als Kunst, Loos dagegen verstand Kunst als autonomen Bereich, scharf abgetrennt von der angewandten Kunst.

Zwei sehr gegensätzliche Schlafzimmer

Wie schafft es das MAK, diese zwei „modernen Einstellungen“ auszustellen? Hier helfen Gegenüberstellungen, besonders überzeugend von zwei exemplarischen Innenräumen: Hoffmann baute 1902 ein Schlafzimmer in der Wohnung des Ehepaares Salzer, das hier als Originalensemble aufgebaut ist. Das strenge, auf Quadraten basierende Design kontrastiert aufs Heftigste mit Loos' plüschigem Privatschlafzimmer von 1903: Hier fließt alles fast hippiemäßig ineinander, verbunden durch weiße Tücher und einen riesigen Flokatiteppich. Zwei ästhetische Welten knallen hier aufeinander!

Ähnlich krass sind die Rekonstruktionen von Hoffmanns Entwurf eines Boudoirs für einen Theaterstar von 1937, neben dem im MAK eine der Wohnungen steht, die die ehemalige Loos-Mitarbeiterin Margarete Schütte-Lihotzky 1927 für berufstätige, alleinstehende Frauen entwarf: Hier sind die Attribute umgedreht, Hoffmanns luxuriöses Zimmer gegen Schütte-Lihotzkys sachlich-strenge Kammern.

Die Ausstellung endet damit, dass die einst unversöhnlichen Wege im späten 20. Jahrhundert unerwartet zusammenfinden, erst in der Postmoderne der 1980er-Jahre in den frechen Collagen von Hans Hollein und Hermann Czech. Und dann in der Haltung der jungen Generation, die heute wieder die Idee eines „informierten Konsums“ aufgreift, dabei den ökonomisch-emanzipatorischen Weg betonend: Konsum und Verantwortung gehören heute zusammen, wie bei Loos ist eine klare Haltung gefordert, die wie bei Hoffmann innovative Formen annimmt. Und hier wird dann nächstes Jahr die Vienna Biennale die Staffel übernehmen, die unter dem Motto steht: Wie wollen wir leben? Welche Art von Konsum verträgt unsere Welt heute?

Bis 19.April 2015, Mi–So: 10 bis 18 Uhr, Di: 10 bis 22 Uhr

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.12.2014)

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