Jochen Höller: „Kunst ist ein Luxusgut“

(c) Christine Ebenthal
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Seine neuesten Arbeiten widmet der Künstler Jochen Höller der Faszination des Geldes und lässt dabei fast alchemistische Wortgefüge entstehen.

Einen Besuch von Jochen Höllers Einzelausstellung „Geld“ beziehungsweise die Auseinandersetzung mit seinem gesamten, freilich noch nicht unüberblickbaren Werk (der Künstler ist 1977 geboren) ist neben Kunstbeflissenen auch Bibliophilen anzuraten. Schließlich könnte es zu einem Neudenken des Verhältnisses zur Weltliteratur führen, wenn man weiß, dass Dostojewskis „Schuld und Sühne“ als eine 2011 Meter lange Textschleife Gestalt annehmen kann. „Zwei Monate habe ich dafür gebraucht, den Text aus zwei Büchern auszuschneiden, damit der Text fortlaufen kann“, so Höller. Aus dieser Textschleife wurde dann ein üppig um eine Büste wucherndes Textobjekt, das allerdings nicht Teil der aktuellen Schau ist.

Traktat-Skulptur. Das Material, mit dem Jochen Höller bevorzugt arbeitet, ist also Papier, und zwar im Regelfall ein mit Worten bedrucktes. Zumeist sind es Bücher, manchmal auch Seiten aus Zeitungen und Magazinen. So oder so ist das Gedruckte selbst, also der Inhalt, auch wesentlich für den Charakter der jeweiligen Arbeit. Von „konzeptionellen Textcollagen“ spricht Höller, und als sein bisheriges Meisterwerk sieht er den „Wittgenstein-Generator“ – eine unendlich ausgeklügelte, komplexe Apparatur. Für dieses große Objekt, das sich wie eine Wortmaschine ausnimmt, hat er den „Tractatus logico-philosophicus“ in seine Bestandteile zerlegt und alle Worte in axiomatisch korrekter Reihenfolge auf nebeneinander montierte Scheiben aufgebracht. „Ich wollte den ,Tractatus‘ in eine Skulptur überführen, in der der ganze Text vorhanden sein sollte. Die Form der Skulptur selbst, die Anzahl, der Durchmesser und die Breite der Scheiben, wird von dem Text vorgegeben, wenn man mein System befolgt. Jeder Satz des ,Tractatus‘ ist rekonstruierbar“, sagt Höller. Ergänzend ließ er ein Computerprogramm schreiben, das aus den gegebenen Komponenten neue Kombinationen generiert. Deren Anzahl? Lässt sich mit einer 125-stelligen Zahl beschreiben.

Um üppige Nummernspiele geht es im Grunde auch in der aktuellen Einzelausstellung von Jochen Höller, die dem Thema Geld gewidmet und auch so betitelt ist. Insgesamt achtzig Bücher hat er dafür verarbeitet. Ratgeber, ökonomische Theorien, Romane, Überblickswerke, philosophische Werke: Höller nahm sich seiner Auswahl auf besonders intensive Weise an. Der Ausgangspunkt seiner Überlegungen war freilich ein anderer: „Geld steckt überall drin, das fängt schon in der Märchenliteratur an. Das arme Mädchen, das den reichen Prinzen trifft. Oder Hänsel und Gretel, die nach dem Tod der Hexe Edelsteine finden und reich nach Hause zurückkommen. ,Tischlein deck dich‘; ,Frau Holle‘, die Goldmarie und die Pechmarie: Das wird den Kindern vorgelesen, und damit werden sie auf das System vorbereitet.“

Im Sog des Geldes. Bei einigen der ausgestellten Arbeiten von Jochen Höller wird den Büchern das Geld regelrecht entzogen. Etwa in einer großen Spirale, die sich aus allen Nennungen von „Geld“, allein oder in Zusammensetzungen, in der „Macht des Geldes“ von Georg Simmel zusammensetzt. Oder in der „Geldschleuder“, einer Installation, bei der alle Geld- Lexeme aus 25 ausgesuchten Werken entzogen und zu einem kompakten Worthaufen unter einem hohlen Buchzylinder arrangiert werden: „Aus 13.000 Seiten habe ich etwa 25.000 Mal das Wort ,Geld‘ herausgeschnitten.“

In der Skulptur „Zauberformel Geld“ fließen indessen die klugen Sätze aus fünf verschiedenen Ratgebern zur weiter gefassten Frage „Wie werde ich reich?“ und münden am Ende in ein neues Standardwerk – sozusagen den ultimativen Bereicherungshelfer. „All diese Bücher geben vor, einem zu erklären, wie man reich wird. Und wenn man sich das alles durchliest, denkt man wirklich: Wie blöd muss ich eigentlich sein, wenn ich nicht reich bin?“ Das Augenzwinkern des zeitgenössischen Alchemisten ist hier nicht zu übersehen. Gegen Geld, so Höller, habe er aber naturgemäß nichts, und er freue sich auch über die pekuniär positive Entwicklung seiner Situation in den letzten Jahren. Dennoch: „Wenn Reichtum eines meiner Ziele gewesen wäre, hätte ich wohl kaum Kunst studiert.“ Ob die Wahrnehmung der Kunstwelt als eines nicht lukrativen Betätigungsfeldes sich durch den Erfolg von Großverdienern wie Damien Hirst und Konsorten verändert hat, ist natürlich eine andere Frage. Zugleich impliziert eine Galerieausstellung zum Thema Geld unweigerlich eine Auseinandersetzung mit dem Markt.

„Natürlich übe ich mit der Ausstellung auch Kritik am Kunstmarkt und der Kunstmarktblase. Als ganz unproblematisch sehe ich die Situation nicht, und ich denke auch nicht, dass es zum Beispiel auf der Art Basel noch lang so weitergehen wird wie in den vergangenen Jahren.“ Einige besonders erfolgreiche und berühmte Künstler werden aber in bestimmten Ausprägungen des öffentlichen Diskurses als erfolgreiche Selfmademillionäre dargestellt. Ist Kunst ohnehin etwas für reiche Leute? „Definitiv, Kunst ist ein Luxusgut“, sagt Höller. „Viele sehr reiche Menschen investieren ja einen Großteil ihres Vermögens in Kunst von alten Meistern, weil sie als sehr wertbeständig gilt. Mit junger Kunst kann man wiederum sehr schnell sehr viel Geld machen – oder auch verlieren.“

Tipp

„Geld“ von Jochen Höller ist noch bis 14. 2. bei Mario Mauroner in Wien zu sehen.

Weitere Informationen und Sätze aus dem Wittgenstein-Generator auf www.jochenhoeller.com

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