Tracht mit schusssicherer Weste

ARCHIVBILD: VORARLBERG / KUNSTHAUS BREGENZ ZEIGT ROSEMARIE TROCKEL
ARCHIVBILD: VORARLBERG / KUNSTHAUS BREGENZ ZEIGT ROSEMARIE TROCKEL(c) KUNSTHAUS BREGENZ/MARKUS TRETTER (MARKUS TRETTER)
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Die letzte Ausstellung von Rosemarie Trockel für die nächsten sieben Jahre findet im Kunsthaus Bregenz statt: Sie zeigt eine ironische Feministin, die in keine Schublade passt.

Ihrem Ruf, medienscheu zu sein, machte Rosemarie Trockel bei der gestrigen Pressekonferenz zu ihrer Ausstellung im Kunsthaus Bregenz alle Ehre: indem sie diese schwänzte. Dabei will sie erst in sieben Jahren zu ihrem 70.Geburtstag wieder eine große Museumsschau machen, wie Kunsthaus-Chef Yilmaz Dziewior verriet. Die aktuelle Schau ist die erste repräsentative in Österreich seit über 20 Jahren. Laut aktuellem „Kunstkompass“ belegt die deutsche Künstlerin nach Gerhard Richter und Bruce Naumann Rang drei der weltweit wichtigsten Künstler; durch ihre Strickbilder und mit Herdplatten bestückten Skulpturen ist sie bereits Legende.

Beide Genres sind in Bregenz nur beispielhaft vertreten: Letztere durch eine Edition bzw. ein in einen Acrylrahmen eingehaustes Bild. Das ist natürlich nicht von der Künstlerin eigenhändig gestrickt; dass sie sich so als „alte“ Feministin outet, ist allerdings klar – eine, die sich sehr ironisch mit weiblichen Verhaltensmustern auseinandersetzt und mehr fragt als Antworten gibt.

„Märzoschnee und Wieborweh“

Dieses Uneindeutige, in jeder Weise unschubladisierbare ist typisch für Trockels Kunst. Bereits vor zwei Jahren war sie bei der Gruppenausstellung „Liebe ist kälter als das Kapital“ im Kunsthaus mit dabei. Ihre neue Ausstellung hat sie nun auf dessen Architektur bzw. die Region, in der es steht, zugeschnitten. Das drückt sich schon in dem Nichtalemannen unverständlichen Titel der Schau „Märzoschnee und Wieborweh sand am Moargo niana me“ aus („Neuschnee im März und Frauenschmerz sind am nächsten Morgen verschwunden“). Der Titel dürfte mit einer Ausstellungsfigur zu tun haben. Sie heißt „The Critic“, kommt auf den ersten Blick aber wie eine Bregenzerwäldlerin in typisch schwarz gefältelter Tracht daher. Aber der Rock ist hinten sexy geschlitzt, der Oberkörper mit schusssicherer Weste geschützt, behängt mit archaischen Schutzamuletten. Das blonde Haar der Kritikerin von was auch immer ist über riesige Lockenwickler gelegt. Und als Hut trägt sie einen Topf, gefüllt mit den Trophäen für die von ihr erlegten Jäger in Form prächtiger Gamsbärte.

Anderswo scheinen eigenartig berührende Objekte von den Wänden zu rutschen. Sie sehen aus wie Abformungen aus Gips, sind in Wahrheit aber aus weiß glasierter Keramik und realistische Abformungen von unterschiedlich Fleischigem. Reizvolle Zwitter sind auch die aus bunten Acrylwollen „gemalten“ Bilder, die durchaus als konkrete Zitate großer Kollegen zu lesen sind. Ob die Künstlerin mit ihrer von Spinnweben überzogenen Staffelei sagen will, dass die Malerei eine verstaubte Angelegenheit ist, konnte man sie jedenfalls in Bregenz nicht fragen.

Andere Objekte muten wie Sitzmöbel an, das scheinbar weich Gepolsterte ist aus rostigem Eisen oder Keramik. Trockels „Tagebuch“ hängt in der Form von 68 Prints, die durch ihren in Beton gegossenen Rahmen mit der Architektur des Kunsthauses zu verwachsen scheinen. Was sie zeigen, ist teilweise lapidar, teilweise ganz exakt inszeniert und zu Szenarien verdichtet, die die Intelligenz des Betrachters herausfordern – dieser soll merken: Da und dort stimmt etwas nicht.

Kunsthaus Bregenz: bis 6. April.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2015)

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