Singapur: Hier ist Kunst Chefsache

Singapur
Singapur(c) imago/imagebroker (imago stock&people)
  • Drucken

Der kleine Stadtstaat Singapur hat sich vorgenommen, zum kulturellen Zentrum Südostasiens zu werden. Etwa mithilfe der Singapur Art Week.

Über den Straßen hängen riesige Münzen, Säulen sind mit roten Schleifen geschmückt, dazwischen stehen Papptiere. Nächsten Monat wird in Singapur das chinesische Neujahrsfest gefeiert, es beginnt das Jahr der Ziege. Aber manche Dekoration könnte auch auf die diesjährige, dritte Singapur Art Week (SAW) verweisen. Denn über den südlichen Teil der Stadt verteilt finden über einhundert Veranstaltungen statt, vom Prudential Eye Award mit stolzen 13 Preisen in sechs Kategorien bis zur Ausstellung zur 700-jährigen Geschichte Singapurs im National Museum. Feiert Singapur heuer nicht zugleich sein 50-Jahr-Jubiläum? Vor der Unabhängigkeit war der Stadtstaat britische Besatzungszone und noch früher lebten hier malaysische Fischer.


Gilbert & George. Seit knapp zehn Jahren positioniert sich der Stadtstaat mit einem beachtlichen Budget als kulturelles Zentrum Südostasiens. Dafür wurden mehrere Museen etabliert, für die National Gallery bereits 8000 Werke regionaler Künstler angekauft und 2012 die Gillman Barracks gebaut, ein staatlich gefördertes Galerienviertel in einer ehemaligen Militäranlage. 15 internationale Galerien sind hier angesiedelt, darunter die Galerie Arndt aus Berlin. Sie zeigt das britische Künstlerpaar Gilbert & George, die eigens eine neue Serie schufen: „Utopian Pictures“ nennen sie ihre rebellischen Bildcollagen, die Regeln und Verbote aus dem öffentlichen Raum Londons aufgreifen, etwa ein Urinierverbot oder eine alkoholfreie Zone.

Im selben Gebäude befindet sich auch die Galerie von Pearl Lam, die Grand Dame aus Schanghai, Sammlerin, Galeristin, Designerin in einer Person. Für die SAW arbeitet sie mit Rolls Royce zusammen. Das noble Autohaus lud Carlos Rolón, auch bekannt als Dzine, für ein Künstlerprojekt in ihren Schauraum ein. Der in Chicago aufgewachsene Puerto Ricaner schuf ein wildes Neonmandala. In Pearl Lams Galerie zeigt Rolón weitere, hübsch-dekorative Objekte. Seine Werke gehen auf die kulturellen Einflüsse seiner Familie zurück, erklärt er uns – alles zwar prima spiegelnd, aber kaum reflektiert.
Werbeschnipsel. Höhepunkt der Kunstwoche aber ist die Art Stage. Die Kunstmesse findet heuer zum fünften Mal im unterirdischen Kongresszentrum des imposanten Marina Bay Sands statt. 132 Galerien aus 29 Ländern nehmen teil, 70 Prozent davon aus der Region, nur wenige aus Europa oder den USA, immerhin zwei aus Österreich (Ursula Krinzinger, Ernst Hilger). Lorenzo Rudolf, Ex-Art-Basel-Chef und Gründer der Messe, will mit der Art Stage den Markt in Südostasien ausbauen. Jedes Land hier habe zwar eine ausgeprägte Künstler- und auch Sammlerszene, aber man wisse kaum etwas über die Kultur der Nachbarn – was die Art Stage vor allem mit der hervorragenden Südostasien-Plattform ändern will.

Die findet heuer zum zweiten Mal statt und war schon 2014 ein voller Erfolg. In der kuratierten Gemeinschaftsausstellung präsentieren Galeristen ein oder zwei Künstler, stehen für Auskünfte zur Verfügung und helfen, die Kunst im Kontext der Region zu verstehen. Manches ist kritisch wie Choy Chun Weis Collagen aus Werbeschnipseln, mit denen er die massive Konsumkultur in Malaysian kritisiert (Wei-Ling Gallery). Anderes basiert auf Geschichten wie die große Zeichnung von Dhanu Pujisampurno a.k.a. Dhanoes, der die indische Mahabharata-Legende aufgreift und eine futuristisch-intuitive Landschaft aus Raumschiffen schafft („Space Cottonseed“). Vieles ist befremdlich in einer dichten, irritierend mythologisch basierten Bildsprache.


„Preis für Freiheit“. Eine ähnliche Mischung findet sich auch an den Messeständen. Aber hier haben einige deutlich keine Scheu vor Kitsch, zeigen üppige Blumensträuße aus Porzellan oder glitzernde Schneeflockenbilder in vier Farbausführungen – offenbar gehört auch das zur Kunst der Region. Da setzt auch Lorenzo Rudolfs Mission an: Er möchte mit der Messe herausstellen, dass Kunst nicht nur ästhetische Dekoration oder perfektes Handwerk ist, erklärt er im Gespräch. Darum auch nahm er die Anfrage des US-amerikanischen Botschafters Kirk Wagar an, einen mit 5000 US-Dollar dotierten Preis ins Leben zu rufen – der Joseph-Balestier-Preis für Freiheit heißt.

Balestier war 1836 der erste US-Konsul in Singapur. Passt das zu dem Slogan der Messe, „We are Asia“? Durchaus, denn es sei ja ein Kunstpreis, der „jene Künstler auszeichnet, die eine Haltung beweisen, die einstehen für die Freiheit des Ausdrucks“, erklärt Lorenzo Rudolf. Sieben Experten nominierten sieben Künstler, darunter Aye Ko, der für seine regierungskritischen Performances drei Jahre in Burma im Gefängnis saß, und Manit Sriwanichpoom, dessen Film zur politischen Zukunft Thailands von der aktuellen Thai-Regierung als Bedrohung der Sicherheit gebannt ist. Gewinner ist der Indonesier FX Harsono, der mit dem Preisgeld ein höchst heikles Thema recherchieren wird: das antichinesische Massaker in Indonesien 1948. Der Preis ist für ihn ein Zeichen dafür, dass der Kampf für Freiheit unbedingt weitergeführt werden muss. Noch ist es nur eine Auszeichnung, nächstes Jahr hoffentlich eine weitere Plattform der Art Stage.

Kunstmessen

2010 gründete Lorenzo Rudolf die Art Stage (22.–25.1.) in Singapur. Neben der Art Basel Hongkong (ABHK, 15.–17.3., 231 Galerien) ist es die wichtigste Messe der Region. Heuer kommt eine neue Konkurrenz hinzu: Parallel zur ABHK startet die Art Central (14.–16.3.), die in einem Zelt stattfinden wird. Zu den 77 Teilnehmern gehört u.a. die Wiener Galerie Lukas Feichtner und Damien Hirst mit seinem Other Criteria Shop.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.