Essl-Museum: Eine Brücke zur Vergangenheit

(c) Sammlung Essl Privatstiftung, Fotonachweis: Graham Baring, Melbourne: Rover Julama Thomas Bamarr Country, 1994 Erdpigmente und natürliche Bindemittel auf Leinwand 80 x 100 cm © Sammlung Essl Privatstiftung Fotonachweis: Graham Baring, Melbourne Rover Julama Thomas, Bamarr Country, 1994, Erdpigmente und natürliche Bindemittel auf Leinwand, 80 x 100 cm, © Sammlung Essl Privatstiftung, Fotonachweis: Graham Baring, Melbourne
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Seit dem Jahr 2000 sammelt Karlheinz Essl die Kunst der Aborigines: Eine Ausstellung zeigt einen konzentrierten Überblick bis hinauf zu zeitgenössischen Arbeiten.

Die Bilder erzählen von der Entstehung der Welt, von den Ahnen, aber auch von spirituellen Plätzen. Die Farbpalette konzentriert sich auf wunderbar kräftiges Gelb, Rot, Orange, Schwarz und Weiß – Farben, die dem Kolorit der Landschaft Australiens entsprechen. Es sind zugleich Bücher und Landkarten, allerdings können wir die Linien und Punkte nicht lesen. Die nomadisch durch den Kontinent ziehenden Aborigines nutzten Körper- und Bodenbemalungen als Kommunikationsmittel. Erhalten geblieben sind aber nur Felsen- und Höhlenmalereien: Etwas Bleibendes, gar Kommerzielles zu schaffen widerspricht der traditionellen Kultur der Ureinwohner.
Jene Kunst der Aborigines, die wir heute sehen, entsteht jedoch gezielt für den Kunstmarkt. Den Weg von den ersten „reisenden Bildern“ – wie die Ausstellungskunst auch genannt wird, weil sie die Siedlungen verlässt – bis zu heutigen, kritischen Werken zeigt jetzt in einer Auswahl das Essl-Museum ausschließlich aus eigenen Beständen. Denn Karlheinz Essl sammelt Aboriginal Art seit dem Jahr 2000. Damals reiste er mit seiner Tochter nach Australien, zeigte ein Jahr später erstmals 38 Werke in der Ausstellung „Dreamtime“. „Die Kunst der Aboriginal People vertritt eine ganzheitliche Auffassung vom Leben, sie berührt Dinge, die älter sind als das meiste Wissen, das wir auf der Welt haben“, erklärt er. Die Aborigines-Kultur ist die älteste uns bekannte, lebende Kultur der Welt, ihre Kunst schafft eine Verbindung zur Vergangenheit.
Mit Beginn des 19. Jahrhunderts wurde ihre Welt bedroht, die britischen Kolonialherren nahmen ihr Land in Besitz, Stämme wurden vertrieben, andere ermordet. Man nahm ihre Kinder weg – insgesamt etwa 35.000! Ihre Lebensweise galt als primitiv, sie wurden in Ghettos kaserniert. Die Folgen waren und sind Entwurzelung, Drogen und Alkoholkonsum. Ihre Kunst ist zwar weltweit anerkannt, aber die soziale Isolation der Menschen besteht noch immer.

Politische Urban Art

Die Geschichte der kommerziellen Kunst der Aborigines beginnt in den 1930er-Jahren. Damals baten westliche Missionare die Künstler, die auf Rinde von Eukalyptusbäumen aufgetragenen „Bark Paintings“ eigens für den Verkauf herzustellen. 1971 lehrte ein westlicher Künstler einigen Aborigines den Umgang mit Leinwänden und künstlichen Farben – der Beginn jener Kunstrichtung, die mit dem Malen von Punkten heute berühmt ist. Diese für uns so markanten Muster stammen von den Papunya. Bei anderen können Kreise eine Feuerstelle, Baum, Hügel, Loch oder Quelle bedeuten. Jeder Stamm hat eine eigene Symbolik, die Muster sind im Besitz der Künstler beziehungsweise ihrer Gemeinschaft.

Im Essl-Museum sind einige Werke dieser frühen Entwicklungen zu sehen, der Ausstellungsführer erklärt uns die Zeichensprache: Pfeile können ein Känguru oder Vogelspuren bedeuten, eine bananenähnliche Form ist ein sitzender Mensch, eine Schlangenlinie deutet Rauch an. Seit den 1980er-Jahren sind die Künstler freier im Umgang mit den überlieferten Zeichen. 1988 beginnt auch Emily Kame Kngwarreye mit 80 Jahren zu malen und schafft ein faszinierendes Œuvre: „Ich male das Ganze, alles“ erklärte sie einmal.

Der Erfolg der Kunst hat allerdings auch zu einer Kritik in den eigenen Reihen geführt: Die für den Kunstmarkt geschaffenen Bilder widersprechen der Aboriginal Art, weil damit etwas Bleibendes mit kommerziellem Wert ausschließlich für Weiße entstehe. Politisch aktive Künstler wie Richard Bell verfolgen eine Urban Art, nutzen zeitgenössischen Medien für aktuelle Inhalte, besonders die Aufarbeitung ihrer Geschichte, ihr Kampf um Landrechte und die Gleichstellung der Aboriginal People. In „It Wasn't Me“ (2003) schreibt Bell auf einem typischen Streifenmuster in grellen Farben den Satz: „I am not sorry“. 1997 wollte der damalige australische Premierminister sich nicht für den Kindesraub entschuldigen. Noch drastischer setzt Destiny Deacon in Fotografien die Erlebnisse von Gewalt um – der Weg zur Anerkennung ist noch längst nicht beendet.

Essl-Museum: Klosterneuburg, bis 16. August.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.02.2015)

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