Ryan Gander: Die Maschinen des Tagträumers

(c) REUTERS (PHIL NOBLE)
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Ryan Gander, britischer Shootingstar der bildenden Kunst, wird erstmals umfassend in einer Einzelausstellung im deutschsprachigen Raum gezeigt: in Linz.

Vor England läge die „einsame Insel der Scheißkunst“ und er möge doch erklären, warum seine Kunst dort nicht landen soll. Diese harsche Frage eines Lehrers aus seiner Studienzeit erzählt Ryan Gander in seinem Video „Things that mean things and things that look like they mean things“. Das Video ist im Offenen Kulturhaus (OK) Linz zu sehen, in der ersten umfassenden Einzelausstellung des britischen Shootingstars im deutschsprachigen Raum. Zwar war der 1976 geborene Brite bereits 2006 im Mumok in Wien zu Gast, allerdings nur in einer kleinen Präsentation als Gewinner des 7. Baloise Prize. Dort lief sein Film, in dem ein Auto stand. Eine Stimme aus dem Off gab Stichworte dazu, aber was und ob überhaupt irgend etwas passierte, wurde nie ausgesprochen.

Jedes Medium, jedes Material

Seit dieser frühen Arbeit hat Gander eine beispiellose Karriere hingelegt. Er arbeitet in jedem Medium mit jedem Material, von Skulpturen über Malerei, Fotografie bis zum Design von Lampen. Die bastelt Gander aus gefundenen Dingen, zwei Küchensiebe ergeben eine Kugel, ein Kanister wird zum Leuchtkörper. Der tiefstapelnde Titel dieser Objekte: „A lamp made by the artist for his wife“, dazu steht z. B. „forty fourth attempt“. „Besser produktiv scheitern als unproduktiv erfolgreich sein“, ist sein Motto.
Ein Höhepunkt war sein Beitrag zur Documenta 13. Dort präsentierte er in dem großen Eingangsraum einen Windhauch, erzeugt von Ventilatoren, ausgestattet mit einem langen Titel, aber nicht sichtbar und kaum spürbar.
Auf der Art Basel 2014 zeigte er eine viel besprochene Werbekampagne. Unter dem Slogan „Daydreamers wanted“ ist zu lesen: „Sieh, wie deine Vorstellung eine bessere Zukunft schaffen kann.“ Kreativität sei der größte Exportartikel Englands, erklärt Gander, aber es gäbe keinerlei Subventionen dafür. Darum habe er diese Kampagne so gestalten lassen, als wäre es ein Projekt der Regierung. Zugleich ist es auch biografisch motiviert: Als Kind lag er viel im Krankenhaus und verwandelte tagträumend die Umgebung in eine andere Welt.

Die Banner mit dieser Kampagne wehen jetzt vor dem OK, irritieren ob der professionellen Werbesprache und verdichten zugleich Ganders ungewöhnliches Werk. Er sei ein Geschichtenerzähler, sagt er im Pressegespräch über sich selbst. Allerdings haben diese Geschichten merkwürdige bis keine Handlungen. Im „Things that mean . . .“-Video etwa wird ein Film dokumentiert – der gar nicht existiert. Thema sind Kunststudenten, die im Museum Bilder abzeichnen. Zentral ist die Frage, warum die Zeichner nicht an einem Küchentisch sitzen, schließlich sei die Vorlage aus einem Katalog gleich gut. Gander: Es ist eine „Romantisierung durch Identifizierung“, die Studenten wollen durch den Kontext als Künstler wahrgenommen werden. Imaginiertes Künstlertum, fiktiver Film, reale Dokumentation – eine verkettete Konstruktion, die in jeder Ebene das verbildlicht, was der Titel so kompliziert bezeichnet: Es ist alles eine Frage der Vorstellungskraft.

Magie der Imagination

Diese Magie der Imagination durchzieht die gesamte Ausstellung, von den aus Betttüchern und Stühlen gebauten Zelten aus Marmor („I is . . . “, 2013) bis zur „Useless Machine with Blowing Curtain“ (2013): Wir betreten eine stockdunkle Kabine, in der ein Kubus mit kleinen Lampen steht – der keinerlei Funktion hat. Einer der stärksten Räume empfängt uns mit einem Paar Plastikaugen, die rollen, blinzeln, sich schließen. Das Kunstwerk nimmt uns in den Blick. Rundherum hängen dicht beisammen 100 runde Glasscheiben mit Farbspuren darauf: Es seien Paletten, auf denen die Farben von Porträts gemischt worden seien, erklärt Gander. Die Porträts sind nicht da, aber es gibt zu jedem eine herrliche, kurze Geschichte zu lesen. Hier müssen wir nicht die Geschichte, sondern die Bilder dazu selbst erzeugen.

Gander ging nie wieder in die Sprechstunde seines Lehrers, die Herausforderung war zu groß. Jetzt kann man für ihn antworten: Vorstellungskraft schafft Welt und diese mächtige Kraft setzt er in intensive Bilder um. Darum wird Ganders Kunst niemals auf der „Insel der Scheißkunst“ landen.

Ryan Gander: „Make Every Show Like It's Your Last“, bis 28. April 2015, Offenes Kulturhaus, OK-Platz 1, Linz

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.02.2015)

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