Winterpalais: 161 Kunstwerke an der Stange

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„Vienna for Art's Sake!“ Unter diesem Motto zeigt Peter Noever die Kunstwerke, die er für Luciano Benettons Kunstprojekt „Imago Mundi“ zusammengetragen hat.

Zehn mal zwölf Zentimeter ist das vorgeschriebene Format, an das sich alle Künstler halten müssen. Denn der italienische Modeunternehmer Luciano Benetton dachte sich ein besonderes Konzept aus: Er will die Vielfalt unserer Kulturen in einem großen Archiv aus lauter kleinen Werken vereinigen. So dürfen Künstler aus aller Welt auf einer Leinwand im Postkartenformat Werke eigens für sein „Imago Mundi“ entwickelt – und es ihm schenken. Über 10.000 Werke aus 60 Ländern gehören ihm schon. Derzeit arbeite er an Archiven zur kurdischen und zur tibetischen Kunst, das Archiv sei „unendlich erweiterbar“, erzählte Benetton auf der Pressekonferenz – und alles ohne Anschaffungskosten, was für ein raffiniertes Konzept!

Wer aber entscheidet über die Künstler, und vor allem, wer überredet sie zur „Eintragung in das Archiv“, wie es Peter Noever euphemistisch nennt? Kuratoren natürlich. Für Österreich übernahm diese Aufgabe Noever, Ex-Direktor des MAK. 161 Arbeiten aus aller Welt sammelte er für das gar nicht national angelegte „Archive Austria“. Die stehen jetzt eng beisammen wie aufgespießt auf langen Pinnen unten im Winterpalais des Belvedere. Erstaunlich, wie vielseitig das Format bespielt wird – mit aufgeklebten Schrauben, Stoffcollagen, klassischer Malerei, . . .

„Temporäre Eroberung“

Flankierend zu dieser Werbeveranstaltung für Benettons Archiv lud Peter Noever in seiner Funktion als Gastkurator 13 Künstler zu einer „temporären Eroberung der Prunkräume“ des Winterpalais ein. Jeder erhielt bis zu 11.000 Euro Produktionsbudget, um für die barocken Säle neue Werke zu schaffen, ein Werk für jeden der 13 Räume.
Die Auswahl der 13 aus 161 sei kein Ranking, sondern soll zeigen, „welches künstlerische Potenzial hinter den Kleinformaten des Archive Austria“ stecke, so Noever.
Manches ist banal wie Magdalena Jetelovas Hubschrauber im Schlachtenbildersaal. Sie greift die Vogelperspektive des Gemäldes auf und projiziert darüber Aufnahmen, die laut Erklärungstext „digital errechnet“ sind. Anderes ist brachial wie Hans Kupelwieser, der den Gelben Salon mit einem Bretterverschlag verbaut, der an eine Schutzhütte erinnern soll. „Die Hütte als politischer, revolutionärer Akt gegen den Palast“, lautet dazu die Parole. Nahezu tragisch gescheitert sind Vito + Maria Elena Acconci, die in die kleine Kapelle mit Luftpolsterfolie „eine prismatische Architektur“ bauten – die allerdings eher als Baustellenabhängung wahrgenommen wird.

Aber es gibt auch überzeugende Beiträge: In dem Raum, in dem Prinz Eugen einst Teile seiner Kunstsammlung präsentierte, baut Michael Kienzer seine „Vierung“ auf: eine Skulptur, die in einem komplexen Formspiel eine beeindruckende Spannung verschiedener Einzelelemente herstellt.

Subversiv haben die Architekten The next enterprise ein monströses blaues Objekt in den Bibliothekssaal gebaut: Dieses muss man – auch gegen den Willen der Wächter – berühren. Dann bewegt sich die Wasserfläche in der Mitte und wirft eine wunderschöne Spiegelung des Kronleuchters an die Decke. „Raumeroberung“ nennt es Marie-Therese Harnoncourt, mit der sie der repräsentativen barocken Architektur ein „haptisches Objekt“ entgegenstellen.
Beeindruckend ist auch der Beitrag der jüngsten Künstlerin, Iv Toshain. Ihre große Kugel in Form eines Morgensterns hängt im Eingangszimmer, „ein enorm schwieriger Raum mit den drei Türen und der Fensterfront“, so Toshain. „Nomos Basileus“ steht in Leuchtbuchstaben auf der Erdkugel: „Das Gesetz ist der König“ laute die Übersetzung dieser „Grundlage aller Demokratien“, erklärt die Künstlerin. Allerdings kann man den Slogan auf der Kugel auch anders herum lesen, dann ist der König plötzlich das Gesetz. Die Form der Schlagwaffe stellt eine Verbindung zur Figur des Herkules her, der im Eingang des Palastes wacht und eine morgensternähnliche Keule trägt: „Recht und Gewalt gehen oft ineinander über“, führt sie aus. Ein passender Beitrag für das Palais eines berühmten Feldherrn.

Bis 31. Mai, Winterpalais, Wien 1, Himmelpfortgasse 15

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.02.2015)

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