Dieser Max Ernst ist echt

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Der Fälscher Wolfgang Beltracchi sagt, er habe eines seiner Bilder in der Albertina gesehen - doch das Werk, das jetzt als Fälschung gehandelt wird, ist laut Albrecht Schröder und Werner Spies über jeden Verdacht erhaben.

Wolfgang Beltracchi ist ein Fälscher, der seine Strafe zu sechs Jahren im offenen Strafvollzug verbüßt. Verurteilt wurde er für 14 Fälschungen – darunter Bilder von Max Ernst, André Derain, Fernand Léger –, doch man weiß von ihm selbst, dass noch weit mehr in Umlauf sind. Er behauptete einmal, insgesamt seien 300 seiner freien Kreationen im Umlauf.

Jetzt verriet er also in der ZDF-Sendung von Markus Lanz, er habe eines dieser Werke in der Albertina gesichtet. Anfangs glaubte Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder, es handle sich dabei um Max Pechsteins „Akt mit Katze“, das 2007 in der Ausstellung „Expressiv! Die Künstler der Brücke“ hing. In der ZIB2 am 24. Februar klärte Beltracchi dann das Rätsel: Es sei ein Gemälde von Max Ernst, das 2013 in der Albertina ausgestellt wurde. Welches Werk es war, verriet er nicht. Schnell wurde spekuliert, es handle sich dabei um das Bild „Vogeldenkmal“ (1927).

Die Retrospektive des Surrealisten wurde damals von Werner Spies kuratiert. Der 1937 geborene Kunsthistoriker und Journalist lernte den Maler 1966 kennen, die beiden verband eine enge Freundschaft. Später promovierte Spies über Max Ernsts Collagen und erstellte dessen Werkverzeichnis. Als hinzugezogener Gutachter bescheinigte Spies 2010 sieben Ernst-Werken die Echtheit, die aus der „Kunstsammlung Jägers“ stammten. Es war eine Sammlung voller Fälschungen – zum Teil Kopien verschollener Werke, zum Teil Eigenkreationen im Stil von Max Ernst – die schrittweise über renommierte Auktionshäuser wie Lempertz in Köln und Christie's in London verkauft wurden. Die Ermittler schätzen den Betrugsgewinn auf 20 bis 50 Millionen Euro. Denn der fiktive „Werner Jäger“ war der Großvater von Helene Beltracchi, ihr Ehemann Wolfgang der Maler der Sammlung. An dem Verkauf der sieben für echt befundenen Werke von Max Ernst war der Gutachter Werner Spies finanziell beteiligt, er erhielt von der Familie Beltracchi eine Provision von 400.000 Euro. Am 24. Mai 2013 wurde Spies zu einer Zahlung von 652.883 Euro Schadensersatz an einen geschädigten Käufer des gefälschten Ernst-Bildes „Tremblement de Terre“ (Kaufpreis 1,1 Millionen Dollar) verurteilt.


Gefälschte Werkverzeichnisse. Bekannt ist eine weitere Verwicklung von Spies in eine Ernst-Fälschung, die er im Max Ernst Museum Brühl gezeigt hatte. Geht die Geschichte jetzt weiter? 2013 hatte Schröder beteuert, er habe in der Albertina nur Werke aus dem Werkverzeichnis gezeigt.

Werkverzeichnisse sind nicht immer ein zweifelsfreier Garant für Echtheit. Die Schwiegertochter von Alexej Jawlensky und ihre Töchter hatten hunderte Kopien in das Verzeichnis aufgenommen, wie 1998 bekannt wurde. Ermittler in Deutschland gehen von 30 Prozent Fälschungen bei Gemälden und bis zu 60 Prozent bei Grafiken aus. Insider erzählen, dass bei Mimmo Rotella, aber auch Auguste Rodin und Alberto Giacometti nicht einmal ein Viertel der im Umlauf befindlichen Werke echt seien. Chemische und röntgenologische Untersuchungen können zwar bei der Überprüfung helfen, aber damit sind die Fälschungen noch nicht vom Markt. Denn der Besitz eines Falsifikats ist nicht strafbar, fragwürdige Werke landen oft wieder im Handel. Darum hat der Bundesverband deutscher Kunstversteigerer e.V. eine „Datenbank kritischer Werke“ eingerichtet. Die ist aber nur den Mitgliedern des BDK vorbehalten.

Ein spektakulärer Fall gezielten Betrugs wird seit September in Deutschland verhandelt: Seit Jahren wurden Auktionshäusern Werke der russischen Avantgarde angeboten, die meisten Auktionshäuser lehnten die Ware ab. Manche kleinere stiegen in das Geschäft ein, organisierten sogar Sonderauktionen. Als Drahtzieher stehen Itzhak Z. und sein Geschäftsführer Moez H. vor Gericht, ihnen werden 19 Werke im Stil von Malewitsch, Popowa und Kandinsky angelastet. Es sind keine Kopien, sondern neu angefertigte Variationen, oft dreiste Fälschungen, die von einer gravierenden Unkenntnis der Händler und Käufer zeugen.

Die Ermittler vermuten, dass die Ware aus russischen und israelischen Werkstätten stammt. Von nur acht Geschäften ist jetzt vor Gericht die Rede, die laut Staatsanwaltschaft etwa elf Millionen Euro einbrachten. Bedenkt man, dass diese Bande sicherlich schon seit 2007 aktiv ist, kann das nur ein minimaler Ausschnitt sein. Aufgrund von Formalfehlern droht der Prozess gerade zu platzen.


Profession Art Lawyer. Diese Bande und auch Beltracchi sind jedoch Ausnahmen. Die meisten Kunstfälschungen werden nicht in der Öffentlichkeit verhandelt. Mittlerweile ist Art Laywer ein eigenständiger Beruf, Schadenersatzforderungen werden in aller Stille behandelt – nicht zuletzt, weil die Betrogenen sich oft schämen.

Aber wie schaut es jetzt mit der neuen Fälschung in der Albertina aus? Klaus Albrecht Schröder ging der Sache auf den Grund: Beltracchi war 2013 nicht in Wien, konnte das Bild also nicht in der Ausstellung gesehen haben. Der Fälscher räumte ein, das Werk nur in einem Trailer zu der Ausstellung entdeckt zu haben – Schröder nennt es „eine Nebelbombe werfen“: „Ich vermute, dass von Beltracchi gar keine weiteren Werke im Umlauf sind, er versucht nur, sich weiterhin ins Gespräch zu bringen“, erklärt er auf Anfrage der „Presse“ – dies wohl auch im Hinblick auf eine Ausstellung der „miesen Pinseleien“ Beltracchis. Auch Werner Spies reagiert gelassen: „Ich habe mir noch einmal jedes Bild in dem Ausstellungskatalog angeschaut. Es ist alles absolut abgesichert, und ich finde es völlig unverständlich, warum Beltracchi die Leute verunsichert und verärgert.“

Schröder ist sich ebenso sicher, dass keine einzige Fälschung in der Max-Ernst-Retrospektive gezeigt wurde und erklärt kursierende Spekulationen als „sehr peinlich“: Das Bild „Vogeldenkmal“ (1927) ist eines von Max Ernsts Hauptwerken, es ist im Werkverzeichnis von 1987 aufgeführt, an dem der Künstler selbst noch mitgearbeitet hat – und zierte auf Spies' Anregung 1991 eine deutsche Briefmarke.

Recht

Kunstfälschungen sind ein rechtlich heikles Thema, denn Kopieren und Nachahmen ist zulässig. Unzulässig ist die betrügerische Absicht, damit Gewinn zu erzielen. Unzulässig ist auch die Kopie der Signatur eines Künstlers – was deutlich häufiger geschieht als die Kopie eines Bildes. Denn es ist weitaus weniger Aufwand, einem Bild eine neue Signatur hinzuzufügen als ein altes Werk neu zu schaffen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.03.2015)

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