Belvedere: Moses mit Hörnern und Leichen zu Füßen

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Ein aus Privatbesitz gerettetes kostbares mittelalterliches Fastentuch ist im Belvedere zum ersten Mal zu sehen.

„Am Hungertuch nagen“ kommt von ihnen, eigentlich hieß es früher „am Hungertuch nähen“; auch Schmachtlappen wurden die Tücher genannt, mit denen man vor Ostern etwa den Altar oder das Kreuz verdeckte. Fastentücher gehören zu den religiösen Verhüllungsritualen, mit denen man das Heilige vom Profanen trennt. Sie entzogen etwas den Blicken, gaben aber zugleich eine Menge Bilder zu sehen. Was genau, weiß man kaum noch, zu empfindlich sind die Tücher, nur wenige haben überlebt.

Eines tauchte vor Kurzem völlig überraschend auf. In der Sammlung der Familie Frey auf dem Salzburger Mönchsberg fand sich, fast verdorben, das Fragment eines Fastentuchs von Thomas von Villach, dem berühmtesten Kärntner Maler im 15. Jahrhundert. Seit über 100 Jahren war es in Familienbesitz, die Öffentlichkeit wusste davon nichts. Man weiß auch nicht, wo die Familie es erworben hat, wo das Tuch ursprünglich war.

Gerettet, aber nicht mehr so bunt

Jetzt ist es im Belvedere zu sehen, besser gesagt, der kleine erhaltene Rest. Das Museum kaufte ihn und ließ ihn von einer Schweizer Stiftung in jahrelanger Arbeit „retten“; jetzt ist das Werk wieder in Österreich und kann zum ersten Mal besichtigt werden, gemeinsam mit Wandgemälden und Tafelmalereien des Künstlers. Letztere lassen erahnen, wie bunt strahlend die Moses-Szenen einst gewesen sein müssen, die man auf dem Tuch sieht.

Sechs sind es, je drei auf zwei Bildfeldern. Das eine zeigt Wunder auf der Reise nach Kanaan: Es regnet Manna, Moses schlägt Wasser aus dem Felsen, die Eherne Schlange ist zu sehen, deren Anblick bei Schlangenbiss vor dem Tod schützen soll. Auf dem rechten Bildfeld empfängt Moses die Gesetze, die Israeliten beten das Goldene Kalb an, und Moses bestraft sie; der Zorn ist ihm lebhaft ins Gesicht geschrieben. Was machen aber die blutigen Leichen vor ihm? Vielleicht spielt der Maler damit auf Moses' Befehl an die Leviten an, von Tür zu Tür zu ziehen und ihre Brüder, Freunde, Nachbarn zu erschlagen?

Das ist ein eigenwilliges Detail, aber die Moses-Motive waren üblich auf Fastentüchern; das sieht man etwa am mit 89 Quadratmetern größten und zugleich ältesten intakten Fastentuch der Welt, jenem im Gurker Dom. Was war sonst noch auf dem Tuch? Szenen zur Heilsgeschichte wohl, die Altes und Neues Testament verbanden. Man kann sich ein vages Bild davon machen, wenn man andere Werke des Malers, andere Fastentücher kennt. Aber man muss nicht – selbst der kleine Rest, den man sieht, ist beeindruckend.

„Aktuell restauriert. Das Fastentuch-Fragment des Thomas von Villach“: bis 25. Mai im Prunkstall, Unteres Belvedere (Rennweg 6) .Tgl. 10–18 Uhr, Mi. bis 21 Uhr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.03.2015)

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