Konkurrenz für Galerien

Will eine Agentur profitabel arbeiten, braucht sie Künstler wie Jeff Koons.
Will eine Agentur profitabel arbeiten, braucht sie Künstler wie Jeff Koons. (c) Belvedere
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Die "United Talent Agency" will nicht länger nur Schauspieler, sondern auch bildende Künstler vermitteln. Die Folgen wären weitreichend – für die Künstler, die Kunst und die Galerien.

Bisher konzentrierte sich die „United Talent Agency“ auf Schauspieler, darunter Johnny Depp und Angelina Jolie. Jetzt will die kalifornische Agentur auch bildenden Künstlern Aufträge vermitteln. Namen wurden nicht genannt, nur Ziele: Die „United Talent Agency Fine Arts“ (UTA FA) will die „Karriere von Künstlern managen“. Das ist recht lapidar formuliert, es könnte aber weitreichende Konsequenzen haben.

Zunächst klingt die Idee einer Künstleragentur naheliegend. Bisherige Versuche scheiterten zwar durchwegs, weil letztendlich kein Weg an der Gründung einer Galerie vorbeiführte: Künstler schaffen Kunst, und die muss ausgestellt werden. Aber die Voraussetzungen haben sich geändert. Heute wird nicht mehr von der „Kunstwelt“, sondern von einer „art industry“ gesprochen. Der Unterschied: Nicht die Kunst steht im Mittelpunkt, sondern das Kapital, das damit erwirtschaftet wird.

UTA FA plant nicht das kostenintensive und langwierige Modell einer Galerie, die Räume finanzieren, Messen beschicken, Leihgaben organisieren und tägliche Informationsanfragen bearbeiten muss. Man will stattdessen Künstlern „helfen, ihre Hoffnungen und Träume zu erreichen“, durch „innovative Strategien“ und „superior market intelligence“, schreibt Jim Berkus von UTA. Und Joshua Roth, Leiter der Abteilung und Anwalt, führt weiter aus: „Wir glauben daran, dass in der Kunstwelt Platz ist für eine seriöse, professionelle Repräsentationsstruktur, eine, die den Künstlern hilft, größere Kontrolle über ihre Karriere zu erhalten und Türen zu neuen und besseren Möglichkeiten öffnet.“ Interessant, welches Bild Roth von Galerien zeichnet, die in seinen Augen offenbar wenig seriös und unprofessionell agieren.


Teuerste Fotografie? Seit seiner Studienzeit sammelt Roth zeitgenössische Kunst mit Schwerpunkt Los Angeles, vom „Crapstraction“-Vertreter Alex Israel bis zum Shootingstar Sterling Ruby, aber auch Paul McCarthy und Raymond Pettibon. Er sei mit vielen befreundet und vertrete einige auch, erzählt er in einem Interview – daher stammen vielleicht seine Vorbehalte.

Roth hat als Anwalt jüngst ein kurioses Geschäft begleitet: Ein nahezu unbekannter US-amerikanischer Fotograf hat einen brandneuen Abzug für 6,5 Mio. Dollar an einen anonymen Sammler verkauft – und eine Werbeagentur engagiert, die den angeblichen Rekord für die teuerste Fotografie der Welt publik machen sollte. Viele Zeitschriften druckten diese Meldung – obwohl von einem Rekord nicht die Rede sein kann: Der Käufer erwarb nämlich mehrere Fotografien für insgesamt 10 Millionen Dollar, der Wert 6,5 Millionen für eine davon ist lediglich ein illokutionärer Akt: eine rein sprachliche Handlung. Roths Rolle in dem Fotografieverkauf war es, diesem unüberprüfbaren privaten Handel einen seriösen Anstrich zu geben. Ist so das „Erreichen von Hoffnungen und Träumen“ gemeint? Oder liegt das Kerngeschäft in erfolgreich lancierten Meldungen?


Kooperationen. UTA Fine Arts visiert also keine Ausstellungen, aber auch keine Verkäufe von Kunst an. Die britische Zeitung „Observer“ fragte nach und erhielt von Roth die Antwort, dass sie nicht als „sales agent“ agieren wollten. „Dealer should and will continue to perform this critical function.“ Sie wollen die Galerie nicht ersetzen, sondern suchen Kooperationen. Ihre Aufgabe sei es, dabei zu helfen, Projekte und Auftragsarbeiten zu finanzieren, Partnerschaften mit Unternehmen und Institutionen zu arrangieren, Merchandising-Möglichkeiten und sogar „artists gigs“ in der Unterhaltungsindustrie zu finden. Bisher wenden sich Unternehmen entweder an die Galerien oder direkt an die Künstler, wenn die nächste Champagnerflasche, der nächste Turnschuh oder das neue Handtaschenmodell künstlerisch gestaltet werden soll. Warum sollte das nun über den Umweg von UTA FA gehen? Offenbar will die Agentur neue Aufträge entwickeln, aber werden daran die Galerien dann noch beteiligt? Und wem will UTA FA die angekündigten zehn Prozent für ihre Dienste verrechnen, den Künstlern, den Auftraggebern oder beiden?

Zehn Prozent eines geringfügigen Auftrags werden die Kosten der Agentur kaum tragen, also werden arrivierte Künstler gefragt sein. Ob eine Galerie wie Gagosian bereit sein wird, Künstler wie Jeff Koons oder Cindy Sherman mit der Agentur zu teilen? „Karrieren erfolgreicher Künstler umfassen heute so viel mehr als nur Ausstellungen in der exklusiven Welt der Galerien“, erklärt Roth: Man werde Ausschau halten nach den „best names in the industry“.

Abgesehen vom stetigen Abgraben der Existenzgrundlage von Galerien ist auch die Frage interessant, was dieses Modell für die Künstler bzw. Kunst bedeutet. Was passiert, wenn das Werk hinter dem Celebrity-Dasein zurücktritt, wie das gerade bei Marina Abramović zu beobachten ist? Bleibt da überhaupt noch Energie für eine Weiterentwicklung des Werks übrig? Möglicherweise ist das aber schon gar nicht mehr gefragt, zumindest in den USA. Der „Observer“ brachte jüngst einen Beitrag von Daniel Simmons, der feststellt: „Der Preis für das Insistieren auf Neuigkeit (in der Kunst) ist nicht nur eine Entfremdung von der Öffentlichkeit, sondern auch eine künstlerische Einschränkung der Definition von zeitgenössischer Kunst.“ Das Dogma der Innovationsnotwendigkeit wäre heute obsolet, stattdessen könnten „mehr Menschen in mehr Weisen teilnehmen, als Produzenten und Konsumenten.“ Darin sieht Simmons die Voraussetzung für ein neues „goldenes Zeitalter in der Kunst.“

Auf Facebook wird gerade ein schönes Zitat geteilt: „Wie kann man Künstler unterstützen, die man liebt? 1. Gib ihnen Geld. 2. Teile ihre Werke mit anderen. 3. Lass sie allein, damit sie mehr davon machen können.“ Ist dieses Modell vorbei?

Ware Kunst

Bis zur Jahrtausendwende sprach man von der „Kunstwelt“, manchmal vom „Kunstbetrieb“. Aus den USA kommt die Entwicklung, jetzt von einer „art industry“ zu sprechen. Darin bestimmen zunehmend Kunstinvestoren den Wert von Kunst. Kunst war zwar schon immer auch Ware, aber nun treten ästhetische Diskurse gänzlich in den Hintergrund.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.03.2015)

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