Herbert Brandl: Im Zeichen der Hyäne

Herbert Brandl
Herbert Brandl(c) Die Presse (Almuth Spiegler)
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In den Hamburger Deichtorhallen hat Herbert Brandl seine erste große Einzelausstellung in Deutschland. Als „Zugpferd“ wurde ihm der junge Kunstmarktstar Cecily Brown beigestellt.

Recht entschlossen wirkt Herbert Brandl nicht, spricht man ihn auf den exotischen Paarlauf an, auf die junge, medial zur sauteuren Pornomalerin gehypten Künstlerin, die ihm der Kurator seiner Karriere, Robert Fleck, für die erste große Einzelausstellung in Deutschland strategisch geschickt zur Seite gestellt hat: Der so seltene wie effektvolle museale Auftritt der Britin Cecily Brown war Magazinen wie „Spiegel“, „Stern“ oder „Art“ mehrseitige Porträts wert. Brandl dagegen wurde meist nur im Kleingedruckten erwähnt.

Kein Wunder, dass ihm Phänomene wie „Cecily“, erfunden vom New Yorker Gott-Galeristen Larry Gagosian, der für ein Bild der attraktiven Künstlerin schon mal über eine Million Dollar verlangt, nicht ganz geheuer sind – „Was halten Sie eigentlich von Künstler-Hypes?, fragt er vorsichtig. Wir sitzen in der selten so prallen Hamburger Sonne in einem Künstler-Café, in Sichtweite der renommierten Deichtorhallen, zwei wunderschönen ehemaligen Backsteinmarkthallen, und trinken Cola, während nebenan gerade die riesigen, drei, vier, fünf Meter langen Gemälde Brandls platziert werden. Arbeiter schieben die abstrakten Atmosphären, die so frappant an Naturphänomene erinnern, wie mächtige Kulissenteile auf Rollwägen durch die Gegend. Am Freitag wurde die getrennte und doch vereinte Doppelausstellung Brandl/Brown eröffnet.

Die lichte Halle ist gerecht in der Mitte geteilt, am Eingang kann man wählen, wo man beginnen möchte, links mit dem Herrn, rechts mit der Dame. Am Ende schließen sich die zwei Ausstellungen zum Rundgang. Dieser „Parallelslalom“ war die Idee Robert Flecks – und sie geht unerwartet stimmig auf. Die teils neoimpressionistisch anmutenden, kleinteiligen Bilder Browns oszillieren ebenso charmant zwischen abstrakt und gegenständlich wie die Brandls. Nur erdet die Malerin dieses reizvolle Spiel, diese kokette Gratwanderung nicht mit der Erinnerung an Natur, sondern mit niedrigeren menschlichen Freizeitvergnügungen. Angeblich sind es Pornofotos, die sie als Vorlage verwendet, man sieht sie den fertigen Bildern aber nicht mehr an – im besten Fall erinnern die bunten Leinwände an romantischen Blümchensex, immer aber mehr an heiteres Liebemachen als ans brutale Ausstellen nackter Genitalien.

Alles neugemalt. Viele Bilder Brandls kommen einem beim Vorbeischlendern wie alte Bekannte vor – die Berge, oft der Mount Everest, die saftigen Rasenstücke, die aussehen wie nasses Gras, aber ein Smaragdgrün tragen, das in der Natur nie vorkommt. Ein tiefroter Sonnenuntergang, „mein Rothko“, seufzt der Maler. Und klärt einen auf: Nur drei Bilder hier sind älter, Leihgaben, wie das Bild, das er in Venedig im Hof des Pavillons der Witterung ausgesetzt hat, es gehört heute dem Kunstmuseum Bielefeld. Der große Rest der Exponate – alles neu.

In einer Art kreativen Furors hat der heuer 50 Jahre alt werdende Künstler die rund 30 Gemälde gemalt, in gut drei Monaten. Für die selbst für ihn ungewöhnlich großen Formate hat er eine eigene Halle in Wien angemietet: „Eine Techno-Halle direkt neben dem Liesinger Müllplatz, 400 Quadratmeter, zehn Meter hoch, funkelnagelneu – das genaue Gegenteil von Naturerhabenheit.“ Umso mehr spricht diese aus seinen Bildern, dünn gemalten Ölbildern, für die er literweise Terpentin verwendet – „wenn man diese Dämpfe nicht gewohnt ist, fällt man um“, erzählt er. Lange hält aber auch er selbst die Belastung nicht aus, in einer halben Stunde muss er fertig sein – „ich schaue sie mir nicht einmal mehr an“.


Katzen-Hyänen-Hybride. Schon gar nicht konnte er die Terpentinbelastung aber seinen zwei neuen Katzen antun, Brandls zweite (oder erste?) große Leidenschaft neben der Malerei. Es sind Savannah-Katzen, halbe Wildkatzen, die derzeit sein angestammtes Wiener Atelier zur Höhle umfunktionieren. Auch in Hamburg sind sie mit dabei: Ihre Fellmusterung findet sich in dem Hyänen-Bild wieder, einem von Brandls naturalistischen Witzen, die er in seine Ausstellungen gerne einstreut. „Das Fell stammt von den Katzen, die Hyänenform habe ich von einem Foto geklaut. Es sind Hybridwesen, so wie meine Malerei ein Hybrid ist, schwankend zwischen abstrakter und natürlicher Formgebung.“

Also keine zynische Anspielung auf Kunstmarkt-Phänomen „Cecily“ nebenan. Nach anfänglicher Skepsis gefällt schließlich auch Brandl jetzt die Kombination, eine reine Einzelausstellung wäre ihm sowieso „viel zu fad gewesen“. Der Auftritt könnte jedenfalls Brandls Durchbruch auf einem breiteren internationalen Markt sein, hofft Fleck, der Brandl als Kommissär schon nach Venedig gebracht hat. „Mein Ziel ist es, dass Brandl hier so ernst genommen wird wie Daniel Richter oder Albert Oehlen.“ Seine Taktik könnte aufgehen, Deutschland blickt zurzeit auf alles, was der gebürtige Wiener fördert– mit 1.Jänner hat er die Bundeskunsthalle in Bonn übernommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2009)

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