Albertina: (Politische) Kraft der Pinselstriche

(c) Albertina, Wien
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Wie abwechslungsreich und sogar politisch abstrakte Kunst sein kann, zeigt die Ausstellung „Abstraktion in Österreich“. Bis 6.September.

Kaum etwas fordert Museumsbesucher so heraus wie abstrakte Malerei. Da kann man sich weder an einer Erzählung festhalten noch im Wiedererkennen von Gegenständen Sicherheit finden. Was soll das darstellen? Mit genau dieser Frage spielte der US-Maler Ad Reinhardt 1945 in einem Cartoon. Ein Betrachter fragt vor einem Bild: „Haha what does this represent?“ Das Bild zeigt auf den Menschen und wirft die Frage zurück. Damit brachte Reinhardt die Diskussion auf den Punkt: Ein abstraktes Bild stellt nichts dar, es ist – ähnlich wie Tiere, Menschen, Blumen sie selbst sind. Wie abwechslungsreich diese künstlerische Sprache sein kann, zeigt gerade eine bemerkenswerte Ausstellung in der Albertina – und das, obwohl die 125 Werke ausschließlich von österreichischen Künstlern stammen.

Den Kern der Schau bilden rund 70 Bilder aus der Sammlung Ploner, ergänzt mit großformatigen Werken aus der hauseigenen Sammlung. Der 1952 geborene Heinz Ploner, Bruder von Max Weilers Ehefrau Yvonne, begann seine Kunstsammlung 1997. Nach seinem Tod 2011 entschied seine Witwe, die Sammlung der Öffentlichkeit zu schenken. Das Belvedere durfte sich 110 Werke aussuchen, das Joanneum in Graz erhielt knapp 50 Arbeiten, die Albertina konzentrierte sich auf 70 kleinere Gemälde und Grafiken. Chronologisch gehängt, kann man in den sieben Räumen in der Albertina jetzt perfekt die Entwicklung der Abstraktion ab Mitte des 20. Jahrhunderts sehen, beginnend mit den expressiven Bildern von Wolfgang Hollegha, Josef Mikl, Hans Staudacher. Auch Markus Prachensky und Franz Grabmayr gehören zur ersten Generation, der dann Jürgen Messensees Linienspiele und Arnulf Rainers Übermalungen folgten. In den Achtzigerjahren kamen die Jungen Wilden dazu.

Damisch, Brandl, Bohatsch, Scheibl...

Da die Ausstellung rund um die Sammlung aufgebaut ist, enthält die Künstlerliste nur wenige Namen. Aber in diesen Werken sehen wir eine erstaunliche Bandbreite der abstrakten Malerei: Gunter Damischs aus vielen Farbschichten aufgebaute Bilder mit den reduzierten Figuren darin, Erwin Bohatschs flächige Bildräume mit Farbschleiern, Herbert Brandls experimentelle Farbwelten, Hubert Scheibls landschaftsähnliche Kompositionen, Gerwald Rockenschaubs Neo-Geo-Bilder, Markus Huemers konzeptuelle Arbeiten. Vor allem in den ersten Räumen kann man auch ahnen, welche politische Kraft die expressiven Pinselstriche anfangs hatten. Diese Malerei sei in den 1950er-Jahren eine „Geburt aus der Politik“ gewesen, sagt Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder.

Abstraktion ist eine vergleichsweise junge künstlerische Tradition, die in Europa Anfang des 20.Jahrhunderts aus dem Impressionismus heraus entstand. Den entscheidenden Siegeszug trat diese Bildsprache aber erst in den späten Vierzigerjahren mit dem US-amerikanischen abstrakten Expressionismus an. Damals hatte die Politik die Kunst als Propagandamittel entdeckt. Abstrakte Malerei wurde zum Inbegriff von Freiheit und kultureller Überlegenheit hochstilisiert. Abstraktion war die Sprache der Sieger.

Den Künstlern war diese Konstruktion damals so wenig bewusst wie die Tatsache, dass der CIA die Ausstellungen des abstrakten Expressionismus – und später der Pop-Art – mitorganisierte und finanzierte. Wieso aber kann von einer politischen Dimension gerade dieser gegenstandslosen Malerei gesprochen werden? In den Fünfzigerjahren setzten sich die Künstler damit explizit von zwei Tendenzen ab: von der NS-Kunst der Dreißiger und vom sozialistischen Realismus, der in der UdSSR das Arbeiterleben feierte. In den lauten, expressiven Werken von Staudacher, Prachensky, Mikl und auch Hollegha ahnt man noch diesen zeitgeschichtlichen Hintergrund. Die Jüngeren dagegen suchen keine Abgrenzung mehr. Ihre Werke können daher poetischer, stiller, experimenteller werden – aber auch darin kann ein politischer Gehalt gelesen werden: als Rückzug in eine Innerlichkeit, in der die Malerei nicht Freiheit repräsentiert, sondern Wirklichkeit verinnerlicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.06.2015)

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