Vienna Biennale: Die Zukunft bleibt ziemlich undurchsichtig

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Jetzt sollen also wieder einmal die Kreativen die Welt retten. Visionär sind ihre Ideen aber kaum, die neue Wiener Biennale begnügt sich mit Schlagwörtern und diffusen Antworten. Dafür erschlägt die Menge des Ausgestellten.

Wollen wir eine lebenswerte Zukunft, dann brauchen wir einen radikalen Wandel unserer Einstellung! Diese Ansage steht am Beginn der ersten Vienna Biennale, die uns im Titel „Ideen für Veränderungen“ verspricht. Anders als in der Moderne herrscht heute kein Vertrauen mehr in die Zukunft: Statt des Fortschrittsglaubens dominieren Schlagwörter wie Klimawandel, Ressourcenmangel, Verstädterung die Diskussionen. Das Morgen sieht düster aus.

Diese Weltlage ist zwar schon lang bekannt, aber an Taten folgt kaum etwas. Politik und Wirtschaft agieren hilflos bis verschlimmernd. Mit der Vienna Biennale werden jetzt also die Kreativen ins Spiel gebracht, um die Welt zu retten – oder uns zumindest zu zeigen, wie wir leben wollen und sollen. Dafür treffen Kunst, Architektur, Grafik- und Produktdesign in acht Einzelprojekten aufeinander, die über vier Orte verteilt sind: am Franz-Josefs-Kai 3, in der Kunsthalle Wien, im Architekturzentrum Wien (AzW), im Museum für angewandte Kunst (MAK). Die Kooperationen der Institutionen funktionieren, aber wird das Versprechen der „Ideen für Veränderungen“ auch eingelöst?

Zauberwort Partizipation

Tatsächlich birgt diese Biennale ein Feuerwerk an Ideen, die aber nur selten visionär sind. Zudem wird man von der Menge des Ausgestellten erschlagen. Das beginnt im MAK mit „Uneven Growth: Tactical Urbanism for Expanding Megacities“. Die Präsentation ist so überladen wie der Titel. Das reiche Material könnte in einem Buch faszinieren, plakatiert auf Wänden ist es eine Zumutung. Das wäre doch eine gute Idee für eine Veränderung: die Einsicht, dass sich nicht alles für Ausstellungen eignet . . .

Raumgerechter ist „2051: Smart Life in the City“. Tafeln mit plakativen Fragen hängen von der Decke: „Was wäre, wenn der Bankensektor ohne Finanzspekulationen auskommen müsste?“ Ja, das wäre was. Aber das liegt leider außerhalb der Macht dieser Biennale, die sich mit Symbolischem begnügen muss. Das zentrale und ganz zeitgeistige Schlagwort von „2051“ ist das „Gemeingut “ – ein großartiges Konzept, eine Basis unserer bürgerlichen Gesellschaft in Europa. „Eigentum ist Diebstahl an der Gemeinschaft“ schrieb Alfred Sohn-Rethel einmal weise – man denke nur an Privatstrände von Seen. Aber darauf läuft „2051“ nicht hinaus, es werden Bereiche wie Schule, Fabrik, Krankenhaus etc. herausgegriffen und Optimierungen vorgeschlagen: Ressourcen sollen geschont werden, das Zauberwort Partizipation wird genannt, Nachbarschaft und Gemeinschaft werden betont. All das gab es lang, und es verschwindet zunehmend in der neoliberalen Wirtschaft, in der Wasser, Pflanzen, Sonnenlicht zur Ware zu werden drohen. Wer zahlt, dankt nicht. Wer Geld hat, nimmt keine Rücksicht. Reichen da gut gemeinte, „kreative“ Ideen, um diese Spirale aufzulösen?

Vielleicht steuern die Künstler ja bisher verborgene Ideen bei? Im Untergeschoß des MAK wird in „24/7: the human condition“ mit Werken von 18 Künstlern eher diffus nach den „Bedingungen von Menschsein, Arbeit und Selbstbestimmung“ gefragt. Oben versammelt „Future Light“ 17 Künstler und kragt aus in zwei weitere Orte – Desorientierung und Verzettelung scheinen eine den Projekten gemeinsame Idee zu sein. Verwirrung statt Klarheit – ein interessanter Vorschlag! Diese Methode ist tatsächlich das Thema von „Future Light“, wo von „nicht durchdringendem Licht“ die Rede ist – statt der Transparenz der Aufklärung also „Undurchsichtigkeit, Abstraktion und Schatten“ (Pressetext). Wenn die Künstler wirklich „Spürhunde“ und „Seismografen“ sind, wie es die Kuratorin sagt, dann sieht die Zukunft wohl noch düsterer aus als befürchtet.

Der Transparenz entrinnen

Bebildert werden diese Ideen mit Faltobjekten (Rana Begum), geometrischer Malerei (Doug Ashford) und den wunderschönen Spiegelmosaiken der Iranerin Monir S. Farmanfarmaian. Ohne die große Installation von Haegue Yang würden diese Werke völlig unzusammenhängend erscheinen. Yang nennt ihre Formation aus Ventilatoren, Wäscheständern und Jalousien „Escaping Transparency“ – das klingt weitaus klüger als die Idee des opaken Lichts. Und könnte tatsächlich ein Impuls für Veränderungen sein, denn die manische Suche nach Transparenz führt nicht zu einer besseren Gesellschaft, sondern zu Überregulierung.

Auch im AzW herrscht Visionsfreiheit. Die sieben Büros sind bei ihren Einreichungen für die Seestadt Aspern zu verblüffend identischen Lösungen gekommen. Die geforderte Nutzungsneutralität tötet wohl die Experimentierfreudigkeit. Einzig die Ergebnisse des „Vienna Biennale Circle“, die oben in der Säulenhalle des MAK präsentiert sind, nähern sich dem Versprechen auf „Ideen für Veränderungen“. Das Manifest stellt zwölf Forderungen zur Zukunft der Arbeit: Konsum soll „als Richtungsentscheidung für oder gegen den Fortbestand menschlicher Arbeit“ gewertet, „Handwerk nicht als Luxus für einige wenige akzeptiert“ werden, und vor allem sollen Architektur, Design und Kunst auch politisch wirken. Hier, und nur hier, wird die Biennale endlich so politisch, wie es das Thema dringend erfordert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.06.2015)

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