Essl-Museum: Kann Kunst deutsch sein?

(c) Georg Baselitz/Essl-Museum
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Die Schau „Deutsche Kunst nach 1960“ scheitert beim Versuch, die unübersichtliche Entwicklung in einem lange geteilten Land zu beleuchten. Bis 15.Jänner.

Nach den vielen, desolaten Bildern auf der heurigen Art Basel, die der Malereigeschichte neue Facetten hinzuzufügen versuchen und dabei doch nur in der Deko-Falle versinken, erfreute die Ankündigung des Essl-Museums: „Deutsche Kunst nach 1960“. Das lässt Klassiker erwarten. Aber halt: Was kann denn damals bloß „deutsch“ gewesen sein? 1961 wurde die Berliner Mauer gebaut. Die Folgen waren auch in der Kunst unübersehbar, im Ostteil übten sich die meisten Künstler in der figurativen Malerei, im Westen löste ein Stil den nächsten ab. Wie kann man die unübersichtlichen Entwicklungen eines geteilten Landes bündeln? Gar nicht, ist die Antwort – die Ausstellung zeigt nur einen Aspekt der Sammlung Essl.

Das Ehepaar Essl hat anfangs nur österreichische, ab 1990 auch Kunst aus Deutschland, später international gekauft. Über 5000 Werke umfasst die Sammlung heute. 44 Werke daraus kamen im Oktober 2014 bei Christie's in London unter den Hammer. Der Verkauf war nötig gewesen, da Essls Baumax-Unternehmen in Schwierigkeiten geraten war. Im Zuge dessen stieg auch Ex-Strabag-Chef Hans Peter Haselsteiner mit 100 Millionen Euro in die neu gegründete SE-Sammlung Essl GmbH ein. Seit diesen Turbulenzen fährt das Essl-Museum auf Sparflamme, Ausstellungen stammen aus den Beständen. Aufgrund des Schwerpunkts auf deutsche Malerei kam so die aktuelle Schau zustande. Die Versteigerung bei Christie's lief damals unter dem Slogan „Giants of German Art“ – ob das jetzt als Vorbild für den unglücklichen Titel „Deutsche Kunst nach 1960“ gedient hat?

Der Wald , der Adler, das Geweih

Auf die Frage, ob man überhaupt von einer „deutschen Kunst“ sprechen könne, antwortete Kurator Andreas Hofer selbstbewusst: „Warum nicht?“ Diese Frage sei für ihn obsolet. Wenn ein solches Label also selbstverständlich ist, was ist das dann, diese „deutsche Kunst“? Erschreckenderweise gibt der Wandtext darauf sogar Antworten: Sujets wie Wald, Adler, Schäferhunde und Geweihe als Jagdtrophäen sind demnach deutsch – kann man sich noch mehr in Klischees verrennen?

Aber schauen wir auf die Werke: Die 80 Arbeiten stammen von 21 Künstlern. In Deutschland gab es nach 1960 also keine Künstlerinnen? Als Auftakt sehen wir Bilder von Markus Lüpertz und Georg Baselitz – eine Kombination, die gern „Heldenraum“ genannt wird. Das sagt nichts über die Qualität der Maler aus, sondern ist eine – ironische - Reaktion auf die Verkaufspolitik einer Kölner Galerie: Einige Jahre lang wurde Baselitz oft im Paket mit Lüpertz, A. R. Penck und Jörg Immendorff verkauft, was zu diesen „Heldenräumen“ in Museen führte. In Klosterneuburg wird das wiederholt. Danach folgt zur großen Erleichterung mit Albert Oehlen ein Bruch, „wild, flott und frei“ nennt Hofer die Bilder. Sicherlich, auch die Bricolagen von Dieter Roth, die DDR-Einzelposition des abstrakten Malers Hartwig Ebersbach, die kühlen Abstraktionen von Imi Knoebel sind hier zu sehen – übrigens alles ohne Wald, Schäferhunde und Geweihe. Aber nicht zuletzt durch Anselm Kiefers bleischwere Großformate und Jonathan Meeses Koketterie mit faschistischen Symbolen lenkt uns die Schau wieder auf die Nation: „Die Schwere – ein deutsches Phänomen?“ (Pressetext). Da kann nicht einmal Anselm Reyles „Malen nach Zahlen“-Kitsch Leichtigkeit hineinbringen.

Mit dem Begriff Museen verbinden wir weit mehr als nur eine Ansammlung von Objekten. Ein Museum war das Heiligtum der Musen, der Schutzgöttinnen der Künste, Kultur und Wissenschaft. Heute wird es so definiert, dass hier „materielle Belege der Menschen und seiner Umwelt zum Zweck des Studiums, der Erziehung und der Freude erworben, erhalten, erforscht, vermittelt und ausgestellt werden“ (ICOM). Zu diesen Aufgaben gehört es auch, Klischees nicht zu verfestigen, sondern zu hinterfragen – was hier fehlt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.07.2015)

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