Ringstraße im Belvedere: Gasserlwerk statt Prachtboulevard

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Die Klimt-Ausstellung im Unteren Belvedere ist eine Mogelpackung. Mit äußerst spannendem Inhalt. Interessanter als die Kunst sind hier nämlich die Auftraggeber: Etwa Anton Oelzelt und Nikolaus Dumba.

Nun also die dritte große Ausstellung zum Ringstraßenjubiläum, „Klimt und die Ringstraße“ im Unteren Belvedere. Natürlich eine Mogelpackung, so viel Klimt war hier nicht und wenn, dann nur früher. Aber der Marketing-Gag sei gestattet – denn wer würde kommen, stünde dort „Oelzelt, Dumba, Leitenberger und die Ringstraße“? Mit Glück kennen die Musik liebenden Wiener noch Nikolaus Dumba (1830–1900), den großen Schubert-Autografen-Sammler und Musikmäzen. Sein Palais ist heute ein unscheinbarer Bau am Parkring, gleich hinter der U-Bahnstation Stubentor. Zu Lebzeiten des griechischstämmigen Baumwollmagnaten war es der wohl am prächtigsten ausgestattete private Bau am noch ziegelfeuchten Boulevard de Protz des erstarkten Großbürgertums. Das Palais Oelzelt (zwischen Schottentor und Börse) war ähnlich ambitioniert, ebenso das Palais Leitenberger (Parkring 16).

Es sind Namen, die 150 Jahre nach der feierlichen Eröffnung der Ringstraße niemand mehr kennt. Ihnen Erinnerung zu schenken ist das große Verdienst dieser von Alfred Weidinger und Alexander Klee recherchierten Belvedere-Ausstellung, die sich ansonsten allerdings etwas zerfranst. In manchen Kapiteln klammert man sich örtlich an die Ringstraße. In anderen, etwa bei den Salondamen, weitet man das Feld plötzlich zur „Ringstraßenzeit“ aus. Weder hier noch dort kann man deshalb auch nur annähernd vollständig dokumentieren, nicht einmal den ganzen Klimt an der Ringstraße (im Original sowieso unmöglich, da Bauschmuck).

Ziegelbrenner und Spekulant

Trotzdem hätte man sich zumindest über ein Foto oder eine Skizze der Klimt-Arbeit im Palais Sturany am Schottenring gefreut, heute besser als König-Abdullah-Zentrum bekannt. Schön wäre auch gewesen, hätte man die einzige erhaltene Spur der 1945 im Schloss Immendorf (vermutlich) verbrannten drei Fakultätsbilder Klimts gezeigt: die Ölskizze zur „Medizin“, die 2014 vom Israel-Museum in Jerusalem gekauft worden ist. Nur von wegen Klimt und die Ringstraße.

Spannender sind sowieso die drei eingangs erwähnten Herren. Anton Oelzelt ist der Mysteriöseste, dabei war er der größte Bauherr der Ringstraße, ein Ziegelbrenner und Immobilienspekulant sondergleichen. Für sein eigenes Palais ließ er sich nicht lumpen, noch vor Dumba erhielt er die erste Inneneinrichtung von Malerfürst Makart. Oelzelt sammelte mit Hang zur Qualität, einige Hauptwerke der Sammlung wurden nach seinem Tod dem Belvedere geschenkt, darunter Defreggers „Letztes Aufgebot“. Ein Porträt Oelzelts oder gar Foto hat sich nicht erhalten, dafür, sehr nobel, ließ er Gattin Adele von Amerling malen.

Das Bild aus der Neuen Galerie Graz ziert das Salonieren-Kapitel der Ausstellung, dieser wilden Mischung, die in ihrer Personenauswahl noch dazu nur verständlich ist, wenn man weiß, dass sich im Jüdischen Museum bereits eine eigene Schau den jüdischen Bauherren an der Ringstraße widmet. Man will sich nicht überschneiden. Muss es natürlich trotzdem ein bisschen, etwa mit den erstmals ausgestellten Kartons zur Festsaalausstattung des Palais Epstein aus dem Kupferstichkabinett. Hier waren die neo-klassizistischen Carl-Rahl-Schüler am Werk, neben Makart der zweite dominante historistische Stil in Wien. Dann mischte Klimts junge Maler-Compagnie die Szene auf.

Ausstattung des Musikzimmers

Sogar der Makart-Anhänger Dumba, dessen Makart-Studiolo-Ausstattung als Ganzes zu sehen ist, wagte das Neue und beauftragte Klimt mit der Musikzimmerausstattung. So bekam er die zwei zu Lebzeit des Malers populärsten Klimt-Bilder ins Haus, die heute im Schatten der Frauenporträts und Landschaften nebensächlich wirken: Schubert am Klavier und eine Allegorie der Musik. Auch diese beiden Supraport-Bilder verbrannten 1945 auf Schloss Immendorf.

Bleibt noch Herr Leitenberger, dessen fast psychedelisch anmutende Adelsernennung prominent präsentiert wird, grafisch wirklich etwas irre. In seinem ehemaligen Palais am Parkring 16 soll 2016/17 das nächste Luxushotel an der Ringstraße eröffnen. Er hätte es sicher gern ausgestattet, immerhin war er der führende Textilunternehmer der Monarchie (Cosmanos). Und ein großer, üppiger Sammler, wie Innenaufnahmen zeigen, auch hier hat Makart gewütet.

Die Sammelleidenschaft, die Manie, sich in die Ewigkeit einschreiben zu müssen, war ein Kennzeichen der vorwiegend bürgerlichen Ringstraßengesellschaft, sie war ja nur die „zweite“ Gesellschaft, die hier ihren Wohlstand und ihr Selbstvertrauen einziegelte. Auch dieses Kapitel wird mit einigen Beispielen wie den Porzellanfiguren von Karl Mayer nur angerissen. Viele unbekannte, verwinkelte, reizvolle Gassen der Geschichte. Zu einem Prachtboulevard fügen sie sich nicht.

„Klimt und die Ringstraße“ : Unteres Belvedere, bis 11.Oktober. Tägl. 10–18, Mi 10–21h.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.07.2015)

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