Paul Flora: Der Nesthocker und seine Raben

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Der populäre und international renommierte Tiroler Zeichner Paul Flora ist gestorben. Karikaturist war nur sein Brotberuf, seine Leidenschaft war die Kunst.

Stets stand er „augenzwinkernd und ein wenig amüsiert außerhalb – so ein bisschen wie der liebe Gott“, beschrieb Marion Gräfin Dönhoff, Herausgeberin der Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit“, einst ihren Mitarbeiter. Paul Flora war Satiriker, nicht Zyniker, ein scharfer Beobachter, feine Klinge, spitze Feder.

Bekannt sind seine Grafiken, Radierungen und Zeichnungen, Bleistift und Tuschfeder, teils laviert, spärlich koloriert. Motiv: das menschliche Verhalten, mitunter in Tiergestalt. Einen „Bilderschriftsteller“ nannte ihn Erich Kästner. Seinen surrealen Stil bezeichnen vor allem das schräge Strichdickicht und: der Rabe. Um 1970 hat er einen ausgestopften bekommen, den ein paar Mal abgezeichnet und verkauft – das ging gut. „Manche Dinge kann man halt“, sagte Flora. Und fällt ihm sonst nichts ein, kommt eben der Rabe dran. Der Innsbrucker Zoo hat mittlerweile ein Rabenpärchen angeschafft – Paul und Flora.

„Ich bin doch kein Sektierer!“

1922 als eines von sieben Kindern in Südtirol geboren, wurde Flora mit sechs Österreicher, blieb Tiroler. Seither lebte er in Innsbruck, zuletzt auf der Hungerburg, ein Stadtteil oberhalb des Zentrums. Der tägliche Rhythmus: vormittags Arbeit, nachmittags frei. Zum 80er widmete ihm die Tiroler Landesregierung den Paul-Flora-Preis, den Träger bestimmte Flora jährlich persönlich. In seiner Umgebung engagierte er sich, protestierte gegen seiner Meinung nach die Landeshauptstadt verschandelnde Bauvorhaben – etwa gegen Zaha Hadids neue Seilbahn auf die Hungerburg. Als die 2007 schließlich fertiggestellt wurde, meinte er versöhnlich, dass er sie trotzdem benutzen werde: „Ich bin doch kein Sektierer!“

Alfred Kubin, düster, beeinflusste ihn früh. Den Tod, wie bei Kubin weiblich, nannte er „Madame Mors“. Ob der Tod ihn beschäftige? „Er bewegt mich wenig“, sagte er in einem Interview 2007. Bis zuletzt begutachtete er seine Ausstellungen selbst: „Ich muss doch schau'n, ob die Bilder grad hängen.“ – „Flora schreitet rückwärts in die Zukunft“, fand Friedrich Dürrenmatt.

Das erste Buch des Zeichners 1953 hieß „Floras Fauna“. Ab 1957 arbeitete er als politischer Karikaturist für „Die Zeit“, bis 1971. Dass Charles de Gaulle zurücktrat, schmerzte Flora, „weil der so leicht zu zeichnen war“, wie Adenauer oder Chruschtschow. Mit den „Sekretärstypen“ von heute, ohne Gesicht, habe er wenig anfangen können. Im Alterswerk tauchen kaum noch Karikaturen auf.

Schließlich sei er Zeichner. Die Popularität verhinderte seiner Ansicht nach das Ernstgenommenwerden. Er galt als typisch österreichischer Volkskünstler: ein Urtiroler, beiden Hälften des „heiligen Landes“ verbunden, ein Einzelgänger, lieber abgeschieden am Berg, im Wald. Wie ein Landesvater rief er in der „Tiroler Tageszeitung“ seine Leute auf, endlich den „Andreas-Hofer-Komplex“ abzuschütteln – weniger Kritik als liebevolles Mahnen. Und: „Was ich auch nie begriffen habe, ist diese Feindschaft zu Wien. Die Wiener lieben uns, wir lieben sie nicht.“ Flora war bodenständig, sesshaft, ein „Tiroler Nesthocker“, wie er selbstkritisch sagte.

Und ein Liebling der „Kronen Zeitung“, auch als Kunstsammler schätzt „Krone“-Herausgeber Hans Dichand Floras Zeichnungen. Günther Nenning schrieb 2003: „Seine Kunst ist keine Kunst, die erst Kunst wird, wenn uns ein Fachmann erklärt: Das ist Kunst.“ Nebenbei: Auch der Fachmann sagt: Flora ist Kunst.

Paul Flora ist in der Nacht auf Freitag in Innsbruck im Kreise der Familie gestorben.

Sa., 9.05 Uhr, ORF2: „Auf dem Strich – Paul Flora im Film“; zeitgleich auf Ö1: „Über die Kunst, von allen geliebt zu werden“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.05.2009)

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