21er-Haus: Alternativen zu peinlich gewordenen Denkmälern

(c) Iman Issa/Rodeo, Istanbul/London
  • Drucken

Die in New York lebende Ägypterin Iman Issa thematisiert in der Serie „Material“ Erinnerungskultur.

Wir leben in einer Kultur der Erinnerungen. In unseren Städten stehen überall Denkmäler, die an Kriege, Feldherren, gefallene Soldaten oder eitle Bürgermeister erinnern. Aber verstehen wir überhaupt die Sprache dieser Monumente? Solange es sich um einen Reiter oder kollektiv bekannte Symbole wie ein Kreuz oder einen Lorbeerkranz handelt, entsteht kein Missverständnis. Aber im 20. Jahrhundert sind die Denkmäler immer abstrakter geworden – lässt sich mit einer vielkantigen Form eine konkrete Erinnerung mitteilen? Welche Monumente bleiben uns im Gedächtnis? Wie können Erinnerungen überhaupt kommuniziert werden? Diese Überlegungen waren Ausgangspunkt jener Werkserie, die Iman Issa eben im 21er-Haus ausstellt.

Bekannt wurde die 1979 in Kairo geborene, in New York lebende Künstlerin zuletzt durch ihre „Lexicon“-Serie auf der Berlin Biennale 2014: Sie kombinierte Texte, die ein abwesendes, historisches Bild beschrieben, mit einem ausgewählten Objekt und einem starken Wort. Da war etwa neben einem Trichter „Monologist“ zu lesen, einem schrägen Balken ordnete sie „Devoter“ zu. Es war ein visuelles Lexikon großer Begriffe, eine Welt der reinen Vorstellung, eine Aufforderung des weit ausholenden Assoziierens. In Wien zeigt Issa eine Serie, die noch vor diesem Beitrag entstand und einem ähnlichen Prinzip folgt. Issa verbrachte gerade einen mehrwöchigen Gastaufenthalt im Appartement des Belvedere. Zum Abschluss ihres Stipendiums stellt sie im 21er-Raum aus – in dem wenige Quadratmeter großen Raum im oberen Stockwerk des 21er-Hauses. Dort zeigt sie ihre Serie „Material“ (2010): sechs Arrangements mit alltäglichen Dingen – Lautsprechern, runden Lampen, einem gespannten Faden über einer Spiegelkonsole. Daneben erklärt ein Text diese Dinge als „Material für eine Skulptur“. Die Lampen etwa sind „Material für eine Skulptur als Vorschlag einer Alternative zu einem Denkmal, das für sein Volk zu einer Peinlichkeit wurde“.

Eine Pyramide steht für gefallene Macht

Allen Alternativen liege ein konkreter Bezug zu einem Denkmal zugrunde, erklärt Issa im Gespräch. Auf welches konkrete Monument, auf welche Erinnerung sie sich bezieht, will sie nicht sagen. Man solle es auch nicht raten, sondern möge sich das Zusammenspiel der Objekte, kleinen Hinweise und eigenen Assoziationen ansehen – und vor allem die Formen. Da liegt etwa ein pyramidenförmiges Objekt auf einem Podest – ein Bild für gefallene Macht. Auch wenn diesen Werken noch die feine Poesie der später für Berlin entstandenen Serie fehlt, sind es doch spannende Gedankenspiele, in denen individuelle Erinnerung und kollektives Gedächtnis in herausfordernden, wenn auch meist kryptischen Formen verdichtet sind.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.09.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.