Schlossmuseum Linz: Schönheit ist auch Macht

(C) Oberösterreichisches Landesmuseum
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Die Sonderausstellung „Mythos Schönheit“ regt zum Nachdenken an: Was empfinden wir als schön? Wie viel Manipulation verträgt die menschliche Schönheit?

Schön. Es ist wohl eines der am öftesten verwendeten Wörter unseres Sprachschatzes. Doch was ist schön? Ist das seit einigen Jahren umgebaute und erweiterte Schlossmuseum Linz, Teil des Oberösterreichischen Landesmuseums, schön? Wenn man auf der neu errichteten großen Terrasse steht, die den Blick auf die zum Greifen nahen Kirchtürme der Altstadt freigibt, so fällt einem das Adjektiv wieder ein. Gleich daneben das Terrassenrestaurant, gleich dahinter: ein Großmuseum, das sich auf der Homepage – unschön! – „Kulturkonzern mit vielen Standorten“ nennt. Tatsächlich umfasst der Sammlungsbestand die Landesgalerie Linz, das Anton-Bruckner-Museum Ansfelden, das Kubin-Haus Zwickledt, das Photomuseum Bad Ischl, um nur einige zu nennen.

Das Linzer Schlossmuseum beheimatet die kulturwissenschaftliche Sammlung der Landesmuseen, darunter versteht man Kunst vom Mittelalter bis zur Moderne, inklusive Malerei des 19.Jahrhunderts, Kunstgewerbe und Technikgeschichte. Beispielsweise findet man hier wertvolle Plössl-Mikroskope, aber auch vieles, was klassisch zu den „Schönen Künsten“ zählt. Auch eine Darstellung des jungen, orgelspielenden Mozart, dessen viel zu kurze Beine von der Bank baumeln, findet sich hier.

Empfang durch Paris höchstpersönlich

Die Lücken, die in der Dauerausstellung zurzeit klaffen, füllt einen Stock tiefer die Sonderausstellung. Dort geht es um die Schönheit. Und sie ist ein weites Feld: Schönheit in Natur, Technik, Malerei, Mode und natürlich menschliche Schönheit werden thematisiert. „Mythos Schönheit“ vermittelt dem Besucher in einer gut durchdachten Dramaturgie Denkansätze: Was empfinden wir als schön? Und was nicht?

Mythisch wird der Schönheitssuchende gleich empfangen, durch Paris persönlich. Er sollte ja bekanntlich in der Götterwelt der Antike entscheiden, wer die Schönste sei. Drei Kandidatinnen machten dem trojanischen Königssohn Versprechungen: Hera verhieß ihm die Herrschaft, Athena Weisheit, Aphrodite gar die Liebe der schönsten sterblichen Frau der Welt. Drei Frauen, die Macht, Wissenschaft und Emotion verkörpern, stehen für das geistige Element, das dem sinnlichen Kosmos „Schönheit“ quasi unterlegt ist. „Schönheit ist Macht“, sagt der Volksmund dazu und meint: Wer Schönheit hat, hat mehr als diese.

Dem Quartett aus Paris und seinen drei Herausforderinnen begegnet man in der Ausstellung leitmotivisch immer wieder. Eitelkeit, Kosmetik und die ambivalente Welt der Schönheitschirurgie sind ebenso ein Thema wie die Ästhetik des weiblichen Körpers. Hier hat man in der Ausstellung eine originelle Lösung gefunden, um das Relative eines wohlproportionierten weiblichen Körpers zu veranschaulichen: Figuren aus verschiedenen Jahrhunderten begegnen einem in Naturgröße, ausgeschnitten als Silhouetten. Weibliche Traummaße – Oberschenkel, Taille, Oberweite – waren in der Geschichte sehr unterschiedlich bewertet.

Nicht nur, was Männer und Frauen aneinander als schön empfinden, auch, was die Natur als „schön“ anbietet, zeigt die Ausstellung. Das beginnt mit den Schmetterlingen: Eine betörende Auswahl an Exponaten folgt gleich der Szene mit Paris am Eingang der Schau, fein säuberlich aufgereiht, wie wir es aus dem Naturgeschichteunterricht kennen. Die Falter sind, einzeln betrachtet, alle schön. Die Natur spielt mit Farben und Formen und öffnet uns die Augen für die Vielfältigkeit. Wie ist dieses Schönheitsideal zu vereinen mit der uniformen Schönheitsschneiderei so mancher Beauty-Chirurgen? Sind Schönheit und Vielfalt untrennbar miteinander verbunden? Antworten findet man viele.

Zusammenarbeit mit Ars Electronica

„Nahezu alle Exponate stammen aus den natur-, kultur- und kunstwissenschaftlichen Sammlungen des Landesmuseums. Sie haben uns die Augen für die verschiedensten Facetten des Schönen geöffnet“, sagt Gerda Ridler, wissenschaftliche Direktorin des Landesmuseums. Der Faden darf weitergesponnen werden – bis zur Schönheit in der Philosophie, wo gefragt werden darf: Wie viel technische Manipulation verträgt die menschliche Schönheit eigentlich?

Die Antwort kann man an sich selbst erfahren: Erstmals arbeitet das Schlossmuseum Linz mit der Ars Electronica zusammen. Eine Installation bietet eine Fotobox, in der sich Besucher fotografieren lassen können, das Foto wird dann an eine Station geschickt, bei der es mit den Bildern anderer Besucher kombiniert werden kann, sodass „gemorphte Schönheiten“, Kombibilder, entstehen. Wie schön der Computer das macht, darf man noch bis 29.November an Ort und Stelle beurteilen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.09.2015)

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